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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Tietze-Conrat, Erika: Die Erfindung im Relief, ein Beitrag zur Geschichte der Kleinkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0140
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I24

E. Tictze-Conrat.

graphische Blatt mehr noch als die Nachzeichnung. Denn diese ist immer eine Mitteilung für den
Künstler selbst, für den kleinen Kreis um ihn bestimmt; das Persönliche, das in die Zeichnung
einfließt, bindet wieder den Bildhauer, der sie benützen soll.
Die Leistungen Dem graphischen Blatt, das als reproduzierendes Werk den Künstler entrückt und seinen Kon-

der Phantasie. takt zum Beschauer gelockert hat, steht der Bildhauei frei gegenüber: die Wahl der Vorlage ist ihm
überlassen und nach der Wahl ihre Benützung. Von der selbständig empfundenen Anlehnung an
ein kompositionelles Schema angefangen, über die verschiedenen Möglichkeiten der Adaptierung
bis zur sklavischen Übernahme oder gar Depravierung führen die Stufen des Reichtums der künst-
lerischen Phantasie bis herab in die Gedankenlosigkeit des schlechten Handwerks.
Anlehnung. Von J. A. Thelot ist ein Silberrelief1 im Hofmuseum, das den Triumph des Amor zeigt

(Fig. 4). Der Zug, denn es soll wohl ein Zug sein, der sich an den Torbogen rechts vorbei nach

Fig. 25. Elhafen, Reiterschlacht, Elfenbeinrelief.
Wien, Liechtensteingalerie.

dem Hintergrund links bewegt, wo Priester vor einer Tempelfassade das Opfer begehen, — der
Zug: fürs Auge steht er! trotz der vielen Hilfen, die den Bewegungseindruck vermitteln oder
steigern möchten, trotz der stürmischen Mädchen, die den Wagen an üppigen Girlanden in die
Tiefe ziehen, trotz der Blumenträgerin, die sich umwendet und so die Nachkommenden an sich
heranlocken möchte. Der Wagen mit dem triumphierenden Gott steht kaum merklich aus der Mitte
nach rechts geschoben im breiten Oval; Amor sieht zurück und grüßt Herkules, der auf seinem Weg
von geflügelten Knaben entwaffnet und gefesselt wird. Widerstandslos gibt er sich hin, der Voll-
bringer des Größten; ein Putto reicht ihm den Ruhmeskranz: Virtutum omnium radix amor. Nicht
die Bewegung des Zuges kommt zum Eindruck, nur der Kontakt zwischen dem Gott und seinem
vornehmsten Opfer.

Die Bewegung setzt sich vor allem aus zwei Gründen nicht durch: Amor, die Hauptperson
des Zuges, beruhigt durch seine fast zentrale Anbringung das Auge; die einzig wirksame Bewegungs-
richtung, in der der Blick läuft, geht von Amor nach rechts hin; sie dient dem seelischen Kontakt

1 Übersicht, Nr. 56.
 
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