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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Tietze-Conrat, Erika: Die Erfindung im Relief, ein Beitrag zur Geschichte der Kleinkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0179
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Die Erfindung im Relief, ein Beitrag zur Geschichte der Kleinkunst.

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dem Einfluß anderer Vorbilder stand, zu denen möglicherweise auch Colins Arbeiten gehörten. . . .»
Gewiß zeigen diese Holzreliefs Elhafens ebenso wie die wieder der Art des Colin zugewiesenen in
Linz und Berlin einen strengeren Stil; denn sie alle setzen die Erfindungen Antonio Tempestas ins
Relief um, wie sie in den Radierungen C. Boels (Berlin) und Gheyns (Linz) oder in den Wieder-
holungen Merians vorlagen. Und wenn Schlosser die kleinen Holzreliefs mit den Szenen aus dem
Leben Karls V. (Fig. 64, 65) in dieselbe Gruppe aufnimmt, so geschieht es wieder nur der Kom-
position zuliebe, die von Heemskerk ist und ihrerseits die Vorzeichnung Florian Abels zu den
Innsbrucker Reliefs beeinflußt haben mag. Ja ich glaube, daß der Stil Heemskerks den Colins direkt
beeinflußt hat und Colins Marmorbildern in der Hofkirche deutlich nähersteht als den kleinen
Holzbildchen, die der anonyme Schnitzer genau nach Heemskerks Vorlagen arbeitete.

Fig. 93. M. Merian, Beilegung des Streites zwischen Römern und Sabinern, Stich aus der Historischen Cronica.

Wir müssen auch die Vorlage ermitteln, um die ästhetischen Werte, die aus der Komposition
erwachsen, nicht dem Künstler des Reliefs anzurechnen. So wäre z. B. auch Ubell,1 wenn er in
dem Pietärelief in Linz die Umsetzung einer wiederholt gestochenen carraccesken Erfindung er-
kannt hätte, niemals an die eingehende Analyse der Komposition gegangen.

Wir müssen uns ganz auf die Komposition einstellen, um dann, wenn wir die Vorlage er-
mittelt haben, nicht mit ihr zu operieren; wir müssen das Urbild entdecken, um es dann aus
dem Kunstwerk auszuschalten.

Die Ermittlung der Vorlage ist für unsere nach dieser Richtung ungeschulten Augen nicht
leicht, da die Entwicklungsgeschichte der Komposition, wenige Typen ausgenommen, noch nicht
durchgearbeitet ist. Es fällt uns sogar oft nicht einmal auf, wenn eine Komposition noch so lange
vor der Ausführung des Reliefs erfunden wurde; wir spüren nicht einmal, daß irgend etwas an
dem Werk zurückgeblieben ist. Dafür haben wir genügende Beispiele angeführt; ein besonders
krasses ist die Beilegung des Streites nach dem Raub der Sabinerinnen in der Liechtenstein-
galerie2 (Fig. 92). Das Relief dürfte von Elhafen sein und dem letzten Viertel des XVII. Jahr-

1 Ubell a. a. O., Abb. 17, und Obersicht, Nr. 17. 2 Übersicht, Nr. 12.

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