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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Weingartner, Josef: Die alten Kirchen Innsbrucks
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0200
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Josef Weingartner.

lieh ab. Nicht nur, daß die große Anzahl von datierten Werken bis etwa 1525 zur großen Selten-
heit solcher aus den folgenden Jahrzehnten in einem ganz auffallenden Mißverhältnis steht, selbst
gerade in Ausführung begriffene Arbeiten wurden damals jäh unterbrochen. Der unausgebaute Turm
von Sterzing und der von St. Paul in Eppan, der bis zur Pyramide hart nacheinander die Jahres-
zahlen 1510, 1513, 1519 und dann unter seinem unorganischen Abschlüsse auf einmal das Datum
1556 trägt, sind monumentale Symbole dieses jähen Wetterstftrzes.

Die wichtigste Ursache dieser auffallenden Erscheinung ist jedenfalls in den damaligen kul-
turellen Verhältnissen und Vorgängen zu suchen, nämlich im genau gleichzeitigen Eintreten des

Bauernkrieges und der religiösen
Wirren, die auf lange Zeit hin-
aus das ganze Land und zumal
seine kirchlichen Zustände zer-
rütteten.

Innerhalb dieser Zeit bildet
nun die geräumige und reich aus-
gestattete Hofkirche zu Inns-
bruck, die 1553 begonnen und
1563 geweiht wurde, eine auf-
fallende und vereinzelte Erschei-
nung. Sie findet nur darin ihre
Erklärung, daß hier ausschließ-
lich ein kaiserlicher Wille tätig
war und daß die Baukosten nicht
durch die Spenden frommer Gläu-
biger bestritten zu werden brauch-
ten. Dafür darf aber auch die
Innsbrucker Hofkirche, da ja jene
Zeit auch im übrigen Deutsch-
land der kirchlichen Baukunst
wenig günstig war, den Anspruch
erheben, weit über Tirol hinaus
eine der bedeutendsten und auch
stilgeschichtlich interessantesten
Kirchen aus der Mitte des XVI.

Fig. 2. Innsbruck, Hofkirche, äußere Choransicht. Jahrhunderts ZU sein.

Die Kirche zerfällt in ein

dreischiffiges Langhaus und in einen einschiffigen, verjüngten, dabei aber immer noch geräumigen
Chor mit entsprechend niedrigerem Gewölbe, das statt des ursprünglichen Rippennetzes heute Stuck-
dekoration trägt. Die Langhauswölbung tragen fünf Paare marmorner Rundpfeiler, die Seitenschiff-
gewölbe sind etwas niedriger als die im Mittelschiffe. Das erste Joch gleich hinter dem Haupt-
portale enthält einen Betchor, der auf drei Flachbögen unterwölbt ist, im ersten Geschosse sich
in drei Rundbögen gegen die Kirche öffnet und darüber noch ein zweites aber offenes Stockwerk
besitzt. In das vorderste der sechs Langhausjoche ist, seine ganze Tiefe und alle drei Schiffe
ausfüllend, eine zweite Empore eingebaut, die heute als Raum für Orgel und Sängerchor dient.
Die freie und einheitliche Wirkung, die dem stattlichen Innenraume an und für sich zukam, wird
durch diese querdurchlaufende Empore freilich wesentlich beeinträchtigt; dafür wird aber die
malerische Wirkung durch den originellen Einbau stark gehoben (Fig. 1 und Taf. XIII).

Das Äußere hat seine ursprüngliche Gestalt nur mehr an der freien Langseite und an der
Chorpartie (Fig. 2) bewahrt. Den Eindruck bestimmen hier die Strebepfeiler, die breiten Fenster,
 
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