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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Weingartner, Josef: Die alten Kirchen Innsbrucks
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0207
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Die alten Kirchen Innsbrucks.

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daß er gerade unmittelbar vorher eine ganz ähnliche Aufgabe im gleichen Sinne gelöst hatte.
Der Ruf nach Innsbruck traf ihn nämlich in St. Pauls an, wo er an der Fertigstellung der Pfarr-
kirche gearbeitet und nach jahrzehntelanger Bauunterbrechung das Langhaus eingewölbt hatte.
Auch in St. Pauls finden wir nun gotische Gewölbe und Rundpfeiler, wenn auch die einfache und
derbe Form der Kreuzrippen verrät, daß wir es nicht mehr mit dem blühenden Stil zu tun haben.
Und die Pfeiler zeigen sogar wie in Innsbruck an Basen und Kapitellen Renaissanceformen,
zum Unterschied vom Chor, der schon vor 1500 vollendet worden war. Auch das Pfeiler- und
Gewölbesystem der Pfarrkirche
von Völs am Schiern muß um
die Mitte des Jahrhunderts von
einem Italiener ausgeführt wor-
den sein. Ja die Pfeiler mit
ihren Basen und Kapitellen und
die Halbpfeiler an den Wänden
sind mit den Langhauspfeilern
in St. Pauls nahezu identisch, so
daß sogar der Schluß auf Marx
de Bolla nicht allzu verwegen ist.

Die italienischen Bauleute
und Steinmetze taten also in Inns-
bruck im wesentlichen nichts
anderes, als was sie von jeher
gewohnt waren. Selbst der Um-
stand, daß gerade das Portal die
reinsten Renaissanceformen zeigt,
spricht dafür. Denn auch das
sehen wir in Welschtirol hin und
hin, so in Cles, Condino, Ci-
vezzano, Sta. Maria Maggiore usw.
Reicher ausgeführte Portale, teil-
weise mit Vorhallen, wie in Male
und Pellizano, waren dort in
Nachahmung oberitalienischer Vor-
bilder schon seit den Zwanziger-
jahren sehr beliebt und in sol-
chen mehr dekorativen Einzeln-
heiten waren viel leichter als bei
einer ganzen Kirchenanlage die
neuen Formen zu verwenden, zu-
mal die Steinmetze meist aus Oberitalien kamen. Auch Hieronymus de Longhi, der am Inns-
brucker Portal arbeitete, dürfte wie Marx de Bolla und Bernhard Canaz ein Comaske oder
wenigstens ein Lombarde gewesen sein.1

Die stilistische Besonderheit der Hofkirche ist damit zur Genüge erklärt. Sie wurzelt in ihrer
Gesamtanlage noch vollständig in der Gotik, wie das für einen deutschtirolischen Kirchenbau
damals selbstverständlich war. Zugleich macht sich aber an dieser Kirche, und zwar in Nordtirol

Fig. 8. Innsbruck, silberne Kapelle, jüngerer Teil.

1 Ein Tomaso Longhi vom Comersee arbeitet um 1522 am Dome zu Trient. Vgl. Atz, Kunstgeschichte, S. 847. Ein
Alexander Longhi, Werkmeister in Trient und als Mailänder bezeichnet, wurde 1549 mit Crivelli nach Innsbruck berufen,
um für die ursprünglich statt des Neubaus der Hofkirche geplante Adapticrung der Pfarrkirche Pläne auszuarbeiten:
Schönherr, S. 234.

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