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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Weingartner, Josef: Die alten Kirchen Innsbrucks
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0233
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Die alten Kirchen Innsbrucks.

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Statuen. Im Erdgeschoß sind die Türme mit den dazwischenliegenden Fassadenteilen zusammen-
gezogen und wie diese durch Statuennischen und geschichtete Pilaster mit verkröpftem Gebälk
gegliedert. Dem innersten Pilasterpaar ist je eine Säule vorgestellt und darüber erhebt sich, von
eingerollten Voluten nach vorn und nach der Seite flankiert, der Giebel mit Stichbogenabschluß
und Statuenbekrönung. Das Hauptmotiv des Mittelteiles bildet, von einer hohen Rundbogenblende
gerahmt, das dreiteilige Portal mit seiner von sechs Säulen getragenen, halbkreisförmig vortretenden
Vorhalle und darüber eine große loggienartige Nische mit der Reiterstatue des Kirchenpatrons.

Der starke Eindruck, den die römischen Kirchen des XVII. Jahrhunderts auf Georg Anton
Gump gemacht hatten, offenbart sich in diesem Entwurf mit vollster Klarheit. Das oberste Geschoß
und die Hauben der Türme sind mit geringen Änderungen Sta Agnese auf der Piazza Navona

Fig. 28. Innsbruck, Stadtpfarrkirche, Grundriß.

(Fig. 24) nachgeformt; die halbrunde Vorhalle mit den sechs Säulen stammt von Sta Maria della Pace
(Fig. 25); die loggienartige Nische darüber mit den hart neben die Eckpilaster gestellten Säulen und
den krampfhaft gebogenen Giebelschenkeln geht auf Borromini zurück. Ein ähnliches Motiv zeigt in
Rom die Loggia des Palazzo Doria (Fig. 26) und die kleine Kirche der Confraternitä del Ss. Sacra-
mento (Fig. 27). Auch die gefälligen, flüssigen Formen der geschichteten Pilaster, der Fenster- und
Statuennischen sind an römischen Palästen vom Ende des XVII. Jahrhunderts ganz ähnlich vorge-
bildet. Es ist also kein Zweifel, daß die letzte und lebendigste Phase des römischen Barocks, daß
die Werke Cortonas, Borrominis, Rainaldis auf den jungen Tiroler den nachhaltigsten Eindruck
machten und sein weiteres Schaffen stark beeinflußten. Allerdings muß zugegeben werden, daß Gump
nicht glattweg kopierte sondern seine Studienblätter selbständig zu verwenden und die übernomme-
nen Motive zu neuen Kompositionen umzugestalten suchte. Seine Fassade macht auch wirklich
trotz aller römischen Reminiszenzen keinen römischen Eindruck. Die Kehrseite dieser Tatsache
aber besteht darin, daß es Gump nicht recht gelungen ist, aus den heterogenen Teilen ein orga-
nisches Ganzes zu machen. Sein Entwurf ist «komponiert» aber nicht aus einem Stücke gewachsen.
 
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