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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Weingartner, Josef: Die alten Kirchen Innsbrucks
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0241
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Die alten Kirchen Innsbrucks.

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türmchen. Das Innere (Fig. 35) bildet einen oblongen Raum mit einer schmalen und wenig tiefen,
rundbogig abschließenden Altarnische. Die Wände gliedern Pilaster mit durchlaufendem, leicht
verkröpftem Gebälke, die sich an der Tonnenwölbung als Quergurten fortsetzen. Die äußeren Ecken
der mit einer Halbkuppel gedeckten Altarnische sind mit Dreiviertelsäulen besetzt. Unter dem
Gebälke befinden sich Rundbogen-, darüber kleine Halbkreisfenster. Die Fenster, den Triumph-
bogen und die ganze Decke verzieren reiche Stukkaturen ohne Gemälde.

An der Kapelle zeigt sich noch deutlicher als an der Hausfassade die Vorliebe Gumps für
reiche Gliederung. Ein Glied drängt sich an das andere, nirgends bleibt ein freier Raum. Diese
Steigerung der Dynamik, diese Durchdringung des
Mauerkerns mit Funktion, mit Leben und Bewegung
hat Gump von den römischen Architekten des
XVII. Jahrhunderts gelernt und es ist, als ob er sich
darin kein Genüge tun könnte. Anderseits hat er
manche Härten und eine gewisse Unausgeglichenheit
der Formensprache noch immer nicht überwunden.
Man vergleiche die eng zwischen die Pilaster ge-
zwängten Fassadennischen, die verkümmerten Reste
von Achitrav und Fries, die Art, wie sich der Rund-
giebel vom Gebälk loslöst, das etwas steife Linien-
spiel der Profile und im Inneren besonders die un-
organisch und geradezu peinlich wirkende Fortfüh-
rung der Altarnischensäulen über das Kranzgesims.

Gerade diese für Gump bezeichnende seltsame
Mischung stärksten architektonischen Ausdruckes mit
einer manchmal fast derben Unbeholfenheit der Form-
behandlung veranlaßt mich, auch noch ein weiteres
kirchliches Bauwerk in Innsbruck mit ihm in Ver-
bindung zu bringen, nämlich die St. Johanneskirche
am Innrain. An der Stelle der heutigen Kirche
wurde im Jahre 1721 vom Hofbauschreiber Josef
Hyazinth Dörflinger eine Kapelle zu Ehren des hl. Jo-
hannes von Nepomuk gebaut. Infolge der Kanonisa-
tion und der gerade damals populär werdenden Ver-
ehrung dieses Heiligen (vgl. die zahllosen Standbilder
aus dieser Zeit) beschloß Dörflinger den Bau .einer
förmlichen Kirche, der durch namhafte Beiträge der
Regierung und durch Spenden der Bevölkerung, zu-
mal des Adels, auch wirklich bald ermöglicht wurde, jnjuj j [ [ 1_| 1_[_'_| " j

Der Grundstein wurde 1729 gelegt, 1735 fand die

"Weihe Statt. Die Vorhalle wurde erst 1750 dazugebaut. FiS- 36- Innsbruck, Johanneskirche, Grundriß.

Die kleine Kirche (Fig. 36) zerfällt in ein Lang-
haus mit innerem Vorjoch und äußerer Vorhalle und in den schmäleren, rundabschließenden
Chor. Das Dach der Vorhalle (Fig. 37) ruht auf vier Pfeilern mit Pilastervorlagen und auf vier
dazwischen eingestellten Säulen. Das gerade Gebälk setzt an der Vorderseite aus und gibt den
Raum für einen gedrückten Rundbogen frei, den ein flacher Dreieckgiebel überdacht. Die Vor-
halle stimmt in ihrem Stile mit der übrigen Kirche so überein und ist so gut mit ihr ver-
bunden, daß man sie mit großer Wahrscheinlichkeit dem ursprünglichen Entwürfe zuschreiben
darf. Der im Verlaufe der Bauzeit eingetretene Geldmangel würde die späte Ausführung zur
Genüge erklären.
 
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