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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Weingartner, Josef: Die alten Kirchen Innsbrucks
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0245
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Die alten Kirchen Innsbrucks.

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kuppeln auf breiten Tonnengurten eingewölbt. Den Chor deckt eine Tonne mit Stichkappen
und rundem Abschluß. Die Wandpfeiler zieren Pilaster, zwei gegen den Mittelraum und je einer
gegen die Altarkapellen. Kleinere Pfeiler mit geschichteten Pilastern und wie im Schiffe mit zart
und reich profiliertem Gebälke gliedern die Chorwände. Die Fenster sind im Schiffe zu einheit-
lichen Gruppen zusammengefaßt: über zwei Rundbogenfenstern steht ein dreiteiliges mit bewegtem
Umriß, eine Rokokofortbildung der dreiteiligen Halbkreisfenster in der Stadtpfarrkirche. Dazwischen
läuft das Gebälk, biegt sich in der Mitte auf und geht auseinanderbrechend in eine reiche Stuck-
kartusche über, welche die ganze Fenstergruppe noch enger zusammenhält (Fig. 44). Im Chor
steht je ein Fenster mit beweg-
tem Umriß über einem Rund-
bogenfenster.

Das zweiteilige Langhaus
mit den stark einspringenden
Wandpfeilern, mit den auf brei-
ten Gurten schwebenden Flach-
kuppeln und mit der einheitlichen
Zusammenfassung der Fenster-
wände (Taf. XVIII) ist von der
Stadtpfarrkirche stark beeinflußt.
Ebenso lassen sich trotz der zeit-
gemäßen Umbildung zwischen bei-
' den Fassadenanlagen und zumal
zwischen der Form der Türme
manche Beziehungen nachweisen.
Es ist ja auch selbstverständlich,
daß der so nahegelegene und be-
deutende Bau auf die Phantasie
derWiltener Architekten Eindruck
machen mußte. Dabei ist aber
alles im Sinne des Rokoko wei-
ter entwickelt. Die massigen Ba-
rockformen sind verschwunden,
die schweren Pilaster sind dünn
und leicht geworden; das Gebälk,
das sich in Innsbruck über den
Fenstern mit der ganzen harten
Profilierung schwerfällig aufbiegt,
zeigt hier, leichten Linienfluß und
geht beim Aufbiegen sorglos in elegantes Stuckornament über. Auch die Kuppeln sind noch leichter
und schwebender geworden und der ganze mit einem einzigen Blicke leicht zu überschauende
Innenraum wirkt noch freier und einheitlicher als in der Stadtpfarrkirche. Allerdings hat dadurch
auch die Monumentalität stark gelitten, was besonders an der Fassade zu beobachten ist. Dafür
sollte sie nach dem ursprünglichen Plane, der in zwei wenig verschiedenen Alternativen sich

r

im Stiftsarchive erhalten hat (Fig. 45), wesentlich reicher verziert werden. Der italienische
Einschlag aber ist an der ganzen Kirche innen und außen endgültig verarbeitet und damit über-
wunden. Sie wirkt in Bau und Ausstattung durchaus bodenständig und ist in Tirol wohl das
bedeutendste Denkmal der heiteren, lebensprühenden Rokokokunst, deren stark ausgeprägte Eigenart
sich gegen die Mitte des Jahrhunderts in Süddeutschland und zumal in Bayern und Osterreich
entwickelt hat.

xxxv. 3i

Fig. 3g. Rom, S. Carlo alle quattro Fontane.
 
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