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Josef Weingartner.
-■ .,y ......
Hand in Hand mit der Raumentwicklung geht eine immer steigende Dynamik in der Belebung
und Durchformung der Mauer. Während die Hofkirche noch vielfach gotische Einzelformen zeigt
und z. B. die Rippen in den Seitenschiffen auf konsolenartig verwendeten Kapitellen ohne Pilaster-
fortsetzung aufsitzen (Fig. 4), hat die silberne Kapelle bereits Wandpilaster, in der jüngeren Hälfte
sogar schon in geschichteter Form und mit leicht verkröpftem Gebälk (Fig. 8), die Gewölbe
allerdings sind noch gotisierend gegliedert. Ausgebildeter tritt uns das neue System in der Jesuiten-
kirche (Fig. 14) entgegen, wo zugleich die Doppelpilaster die wachsende Kraftzunahme andeuten.
Doppelpilaster und verkröpftes
Gebälk finden wir dann auch in
der Mariahilfer- und in der Wil-
tener Stiftskirche (Fig. 15 und 18),
und zwar ist das ganze System
erst hier in voller Folgerichtigkeit
durchgeführt und auch mit den
Öffnungen der Seitenkapellen or-
ganisch verbunden. Das erfreu-
liche Ergebnis dieser jahrhundert-
langen Entwicklung zeigt sich
auch im schönen und klaren Pi-
lastersystem der Spitalkirche (Ta-
fel XVI), während dann in der Stadt-
pfarrkirche (Fig. 3o) das Hoch-
barock mit neuer Kraftsteigerung,
mit mächtigen Gebälken, schwe-
ren Wandpfeilern, nach unten an-
schwellenden Pilastern einsetzt.
Auch die den Teilungspfosten der
oberen Chorfenster vorgesetzten
Rundsäulen müssen in diesem Zu-
sammenhange erwähnt werden.
Die lauteste Sprache redet dann
in den Zwanziger- und Dreißiger-
jahren der drängende und über-
quellende Formenreichtum der
Landhauskapelle und besonders
der Johanneskirche (Fig. 35 und
38), während in der Wiltener Pfarr-
kirche (Taf. XVIII) um die Mitte
des XVIII. Jahrhunderts die all-
gemeine Bewegung wohl noch
zierlicher und flüssiger wird, das
Fortissimo des strotzenden Kraftaufwandes aber merklich nachläßt.
In der Außengliederung spielen die Langseiten keine bedeutende Rolle. Reicher behandelt
sind nur die Fassaden; aber hinter den italienischen Werken des XVI. und XVII. Jahrhunderts
bleiben auch sie zurück, und zwar weiter als in manchen anderen Städten nördlich der Alpen.
Das Portal der Hofkirche war der erste Gruß der neuen italienischen Fassadenkunst, aber es ist
noch vollständig isoliert einer nüchternen und fast ungegliederten Mauer eingesetzt. Auch die
ursprüngliche Fassade der Dreiheiligenkirche (Fig. 9) ist noch wenig fortgeschrittener und man
möchte nicht glauben, daß unterdessen Michelangelo, Vignola, da Porto und Palladio gelebt haben.
Fig. 42. Wüten, Pfarrkirche, Originalgrundriß.
Josef Weingartner.
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Hand in Hand mit der Raumentwicklung geht eine immer steigende Dynamik in der Belebung
und Durchformung der Mauer. Während die Hofkirche noch vielfach gotische Einzelformen zeigt
und z. B. die Rippen in den Seitenschiffen auf konsolenartig verwendeten Kapitellen ohne Pilaster-
fortsetzung aufsitzen (Fig. 4), hat die silberne Kapelle bereits Wandpilaster, in der jüngeren Hälfte
sogar schon in geschichteter Form und mit leicht verkröpftem Gebälk (Fig. 8), die Gewölbe
allerdings sind noch gotisierend gegliedert. Ausgebildeter tritt uns das neue System in der Jesuiten-
kirche (Fig. 14) entgegen, wo zugleich die Doppelpilaster die wachsende Kraftzunahme andeuten.
Doppelpilaster und verkröpftes
Gebälk finden wir dann auch in
der Mariahilfer- und in der Wil-
tener Stiftskirche (Fig. 15 und 18),
und zwar ist das ganze System
erst hier in voller Folgerichtigkeit
durchgeführt und auch mit den
Öffnungen der Seitenkapellen or-
ganisch verbunden. Das erfreu-
liche Ergebnis dieser jahrhundert-
langen Entwicklung zeigt sich
auch im schönen und klaren Pi-
lastersystem der Spitalkirche (Ta-
fel XVI), während dann in der Stadt-
pfarrkirche (Fig. 3o) das Hoch-
barock mit neuer Kraftsteigerung,
mit mächtigen Gebälken, schwe-
ren Wandpfeilern, nach unten an-
schwellenden Pilastern einsetzt.
Auch die den Teilungspfosten der
oberen Chorfenster vorgesetzten
Rundsäulen müssen in diesem Zu-
sammenhange erwähnt werden.
Die lauteste Sprache redet dann
in den Zwanziger- und Dreißiger-
jahren der drängende und über-
quellende Formenreichtum der
Landhauskapelle und besonders
der Johanneskirche (Fig. 35 und
38), während in der Wiltener Pfarr-
kirche (Taf. XVIII) um die Mitte
des XVIII. Jahrhunderts die all-
gemeine Bewegung wohl noch
zierlicher und flüssiger wird, das
Fortissimo des strotzenden Kraftaufwandes aber merklich nachläßt.
In der Außengliederung spielen die Langseiten keine bedeutende Rolle. Reicher behandelt
sind nur die Fassaden; aber hinter den italienischen Werken des XVI. und XVII. Jahrhunderts
bleiben auch sie zurück, und zwar weiter als in manchen anderen Städten nördlich der Alpen.
Das Portal der Hofkirche war der erste Gruß der neuen italienischen Fassadenkunst, aber es ist
noch vollständig isoliert einer nüchternen und fast ungegliederten Mauer eingesetzt. Auch die
ursprüngliche Fassade der Dreiheiligenkirche (Fig. 9) ist noch wenig fortgeschrittener und man
möchte nicht glauben, daß unterdessen Michelangelo, Vignola, da Porto und Palladio gelebt haben.
Fig. 42. Wüten, Pfarrkirche, Originalgrundriß.