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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Weingartner, Josef: Die alten Kirchen Innsbrucks
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0249
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Die alten Kirchen Innsbrucks.

22g

In der Jesuiten- und in der Mariahilferkirche klingt dann das neue Fassadenprinzip, dem Italien
eine solche Anzahl glänzender Straßenbilder verdankt, zum erstenmal durch, aber immer noch
schüchtern und leise und weit entfernt von der Kraft und Konsequenz der südlichen Vorbilder.
Dagegen äußert sich die im Gegensatz zu Italien charakteristisch nordische Vorliebe für die Türme
darin, daß schon die Jesuitenkirche die zweitürmige Anlage aufgreift und daß diese von nun an
nicht mehr verschwindet. Sie bestimmt nun alle größeren Anlagen und macht es begreiflich,
daß das römische Fassadenprinzip der ersten Barockperiode nun erst recht nicht mehr zum
Durchbruch kam, dafür aber die hochbarocken Formen des Seicento mit ihren Kurven Ein-
fluß gewannen, zumal die Turmpaare im XVII. Jahrhundert ja auch in Rom populärer gewor-
den waren.

Interessanter und wohl auch
konsequenter verlief in Innsbruck
die Entwicklung der Türme sel-
ber. Gleich am Anfang der gan-
zen Reihe steht der originelle
Turm der Hofkirche. Auf den
gotisierenden Mauerbau folgt das
durchbrochene Glockenhaus mit
seinen Renaissancepilastern und
der wenig gegliederten Haube.
Ähnliche Turmformungen finden
wir um diese Zeit in ganz Süd-
deutschland. Auch in Prag1 tritt
uns genau zur gleichen Zeit (1563)
am St. Veitsdom das erstemal eine
ähnliche Form entgegen. Nach
der Ansicht Dammanns, den Pollak
zitiert, wäre diese Form in Nach-
ahmung oberitalienischer Kuppel-
laternen entstanden, und ein Blick
etwa auf die architektonischen
Hintergründe Carpaccios, z. B.
beim Abschied St. Ursulas von
ihren Eltern, bestätigt diese An-
sicht. Aus dem Süden stammt
auch der ursprüngliche Turm der
Servitenkirche (Fig. 6), der den
heiteren Charakter der norditalie-
nischen Frührenaissance zeigt, nur daß das auch in Italien selber keine' eigentliche Turmform war.

Die Türme der Jesuitenkirche (Fig. i3) hätten wohl wie die Kuppel dem Salzburger Dome
nachgebildet werden sollen. Dort schließt der viereckige Hauptbau mit einem Kranzgesims und
einer Balustrade scharf ab. Das achteckige Obergeschoß mit der Laternenkuppel ist dann dem
Rumpfe ziemlich unvermittelt aufgesetzt. Man sieht also, daß es sich im Grunde noch um dasselbe
italienische Prinzip handelt, das uns in einfacherer Gestaltung bereits bei der Servitenkirche ent-
gegentritt. Indessen hat man schon um jene Zeit auch versucht, die schroffe Unterbrechung zu
vermeiden und zwischen Viereck und Achteck durch gesprengte Giebelstücke an den Ecken einen
allmählichen Übergang zu schaffen. Einen Beweis dafür bietet der Brixener Quintturm, der schon

Fig. 40. Wilten, Pfarrkirche, Außeres.

Vgl. Pollak, Studien zur Geschichte der Architektur Prags, in diesem Jahrbuch, Bd. XXIX, 1910, S. 115 f.
 
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