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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Weingartner, Josef: Die alten Kirchen Innsbrucks
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0250
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23o

Josef Weingartner.

1612 die heutige Form erhielt, während ihm das Obergeschoß des Sextturmes erst beim Umbau
des Domes im XVIII. Jahrhundert nachgebildet wurde. Diese zweite Form wurde nun allgemein
herrschend und nur durch schlankere Verhältnisse des Oktogons, durch lebhaftere Bewegung der
Giebelstücke, durch malerische Abschnürung und Wiederholung der Haubenform reicher ausge-
stattet. Schöne Beispiele dafür sind die Haller Türme und in Innsbruck der Turm der Wiltener
Stiftskirche (Fig. 32). Auch die Spital- und Ursulinenkirche (Fig. 20 und 19) gehören hieher,
doch stören an ihnen die ungünstigen Maßverhältnisse. Ebenso macht an der Stadtpfarrkirche (Fig. 29)

der ungewöhnliche Umfang und
die geringe Höhe der Türme, die
im übrigen dem gleichen Typus
angehören, eine gefällige Form
unmöglich. Der Turm der Wil-
tener Pfarrkirche (Fig. 43) end-
lich hängt zwar von der Stadt-
pfarrkirche ab, zeigt aber schon
die bizarre Formbildung der Ro-
kokozeit, hier freilich nicht be-
sonders anmutig, während die
gleiche Zeit auf dem Lande eine
Reihe entzückender Zwiebeltürme
geschaffen hat.

Für den Gesamteindruck der
meisten behandelten Kirchen ist
auch die innere Stuck- und Fres-
kendekoration von weitgehender
Bedeutung und daher soll diese stil-
geschichtliche Studie nicht schlie-
ßen, ohne auch diesen bisher über-
gangenen Punkt noch zu streifen
und die Entwicklung der Innen-
dekoration in den alten Innsbrucker
Kirchen wenigstens in einer kur-
zen Ubersicht darzustellen.1

Die Hofkirche besaß, der
gotischen Tradition entsprechend,
ursprünglich ein Rippennetz. Von
einer malerischen Ausschmückung
ist nichts bekannt, wie ja auch
während der vorhergehenden Zeit
in Tirol nur kleinere Kirchen manchmal ganz bemalt wurden, die großen dreischiffigen Gottes-
häuser aber allem Anschein nach fast ohne Ausnahme nur vereinzeinte Fresken enthielten. Auch
in der Silbernen Kapelle ist das Dekorationsprinzip des Rippennetzes noch beibehalten, allerdings
in stark renaissancemäßiger Umdeutung. Nicht nur daß die Rippenfüße auf Pilastern aufruhen,
auch die Rippen selber sind mit klassischen Ornamenten übersponnen und vor allem sind sie aus
Stuck und stellen also, ganz dem allgemeinen Übergangscharakter der Bauzeit entsprechend, eine
höchst eigentümliche Mischung von gotischer Rippe und Renaissancestukkatur dar. In den Zwischen-

Fig. 44. Wilten, Pfarrkirche, Langhauspartie.

1 Vergl. zu diesem Gegenstande: Hammer, Die Entwicklung der barocken Deckenmalerei in Tirol, Straßburg

1912.
 
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