Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

DOI Artikel:
Eichler, Fritz: Ein neues Parthenonfragment
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0263
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ein neues Parthenonfragment.

239

übrigens sehr schmalen Streifen des Reliefgrundes getrennt gibt, schlössen sie am Originale un-
mittelbar aneinander, aber doch nur insoweit, daß sie einander nicht wie rechts 33 den von 32
überschnitten: eine völlig belanglose Verschiedenheit, die gegenüber den schlagenden Überein-
stimmungen zwischen Original und Zeichnung nicht in die Wagschale fällt.

Es bedarf keiner weiteren Beweise; der Schlagkraft der gebotenen gegenüber muß jedes Be-
denken verblassen, das sich etwa bei einem Vergleich der neugewonnenen mit den bisher be-
kannten bärtigen Köpfen des Frieses erheben könnte. Es sind das zumeist Köpfe von Figuren des
Ostfrieses, soweit sie wegen ihres Erhaltungszustandes zum Vergleich brauchbar sind, nämlich Ost
IV 20 (Smith pl. 32) und, wesentlich besser, VI 38 (Smith pl. 36), VI 43, 45 und 46 (a. a. O. pl. 3y;
vgl. Fig. 3 und 4). Sie zeigen durchwegs eine lockerere, mehr ins Einzelne gehende Haarbehand-
lung, die Haarbüschel sind strähniger. Hier waren andere Hände tätig; gleichwohl läßt sich, ver-
gleicht man die genannten Köpfe des Ostfrieses untereinander, den des Gottes einerseits (VI 38),
der Zuschauer (VI 43—46) anderseits, die Vermutung nicht ganz von der Hand weisen, daß da
eine gewisse Absicht mit im Spiele war, die Absicht, die müßig den Zug betrachtenden Athener
durch ein etwas vernachlässigtes, um nicht zu sagen struppiges Aussehen von dem edler gebildeten

Fig. 3. Kopf vom Ostfries, Mich. 38. Fig. 4. Köpfe vom Ostfries, Mich. 45 und 46.

Gotte zu unterscheiden, dem hierin tatsächlich die gepflegteren Köpfe der am Zuge selbst Beteiligten
näher stehen. Wie dem auch sei, die Tatsache verschiedener Hände bleibt gleichwohl aufrecht,
auch in der flüchtigeren, mehr andeutenden Art, in der das Ohr des einen Mannes unseres
Stückes (3i) wiedergegeben ist, im Gegensatz zu den Ohren am Ostfriese. Am Nordfries findet
sich hiefür nicht viel Vergleichsmaterial, Ubereinstimmendes etwa an VI 19, Abweichendes an
II 3, XXII 65 und bei manchen Reitern. An bärtigen Köpfen bietet der Fries nur die sehr be-
schädigten des benachbarten Blockes X (Smith, The sculptures, pl. 44): Was sich da erkennen
läßt, spricht eher für eine andere Hand. Durchaus abweichend ist alles, was der Westfries zum
Vergleiche bietet (Bärtige III 5, IV 8, VIII 15). Vom Südfries sind bis jetzt keine bärtigen
Köpfe bekannt geworden.

Vorzüglich ist die Behandlung des Nackten an der linken Figur unseres Stückes 3i, was
auf der Tafel nicht genügend zum Ausdrucke kommt, eher in der kleinen Textabbildung. Man
wird dergleichen selbst auf bevorzugten Partien des Frieses nicht leicht wieder finden.

Die angeführten, übrigens erweiterbaren Beobachtungen sind in Anbetracht der gesicherten
Zugehörigkeit des neuen Restes für die stilistische Betrachtung des ganzen Frieses nicht anders zu
werten denn als Bestätigung der weder überraschenden noch neuen Tatsache, daß an dem Wunder-
werke des Frieses verschiedene Hände tätig waren, wenn auch freilich in Ausführung eines durch-
aus einheitlichen Gesamtentwurfes. 1

1 Vgl. Michaelis, Der Parthenon, S. 227 f. mit Angabe älterer Literatur; Friederichs-Wolters, Die Gipsabgüsse antiker
Bildwerke, S. 279 u. a. Zum Stil des Frieses und Werkstättenbetrieb am Parthenon überhaupt Schröder: Arch. Jahrbuch XXX
 
Annotationen