Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

DOI Artikel:
Baldass, Ludwig: Die Bildnisse von Paris Bordone aus den Jahren 1532-1540
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0269
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Bildnisse von Paris Bordone aus den Jahren 1532 —1540.

245

entsprechen würde. Der Dargestellte steht diesmal vor jener runden Nische, die Bordone später so liebte
und die er ganz ähnlich auf seinem Kurtisanenbildnis des Wiener Kunsthistorischen Museums an-
brachte. Auch die lebhaftere Farbengebung, vor allem das tiefe Ultramarinblau des seidenen,
pelzeingefaßten Wamses, erinnert hier schon an die spätere Zeit. Dem Charakter des Dargestell-
ten entsprechend, ist die ganze Aurfassung spontaner, frischer und lebendiger, obwohl die eigen-
artige Weichheit Bordones auch hier aus Formengebung, Malweise und Linienführung klingt.

Bei der Neuaufstellung der venezianischen Bilder in den Sälen der Gemäldegalerie des Kunst-
historischen Museums in Wien wurde ein lange Jahre im Depot vergrabenes ausgezeichnetes Bild-
nis wieder aufgestellt (Taf. XX),
das aus der Sammlung des Erz-
herzogs Leopold Wilhelm stammt
und in Teniers Theätre des pein-
tures 1660 als Tizian von Vorster-
man gestochen worden ist. Vor
neutralem grauen Grund, auf den
links der Schatten des Dargestell-
ten fällt, steht neben einem mit
zinnobergrüner Decke überzoge-
nen Tische aufrecht ein kräftiger
Mann mit braunem Bart, der ganz
ähnlich gekleidet ist wie der so-
genannte Nikolaus Kerbler der
Liechtenstein - Galerie 1 und wie
dieser den Daumen seiner linken
Hand in den schmalen Gürtel
steckt. Die Rechte greift nach
einem zusammengefalteten Briefe,
der auf dem Tische liegt. Das
Bildnis ist vor allem im Kopf vor-
züglich erhalten. Wir sehen ein
kräftiges Inkarnat, dunkle Augen
und unter dem braunen Barte
tiefrote Lippen, die mit einer
Mischung von Venezianischrot und
Krapplack gemalt sein dürften.
Die Gewandung ist von einem
leuchtenden Schwarz. Die an den
Gelenken geröteten Hände scheinen ein wenig verputzt zu sein. Links im Grunde stehen Datie-
rung und Altersangabe: 1538. NATVS • ANNOS • 35. Nach Auffassung und Kolorit, nach der Art,
wie der Pelz und die Haare gemalt sind, nach der Zeichnung der Augen, des Mundes und beson-
ders der der Nase mit den leicht eingezogenen Nasenflügeln, nach der Fältelung des Gewandes und
der Wiedergabe des Hemdes schließt sich das Porträt eng an die beiden Bildnisse der Liechten-
stein-Galerie, besonders an das signierte an und offenbart sich als Werk desselben Meisters Paris
Bordone.

Zwei Jahre nach diesem Werke ist dann das Porträt des Louvre (Fig. 3) entstanden. Diesmal
sitzt der Dargestellte in einem Armsessel vor einem in Holbeinscher Art mit Schreibgeräten reich be-

Fig. 2. Paris Bordone, Der Mann mit dem Dolch.
Wien, Liechtensteingalerie.

1 Ob «un singolar ritratto d'un huomo con beretta nera in capo», das Ridolfi in seinen MDCXLVIII in Venedig erschienenen
Meraviglie dell'arte auf Seite 2l3 als Werk des Paris Bordone im Besitze des Sig. Bernardo Gianti in Venedig erwähnt,
mit einem der Wiener Bildnisse identisch ist, bleibt leider dahingestellt.

34*
 
Annotationen