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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Baldass, Ludwig: Die Bildnisse von Paris Bordone aus den Jahren 1532-1540
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0270
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Ludwig Baldass.

ladenen Tische und hält in der Rechten einen Brief mit der Inschrift: Sp. domino Jeronimo Crofft. . .
Magior suo Semper observ. Augusta. Im Grunde lesen wir links auf dem reichgeschmückten Pilaster
wieder Altersangabe und Datum: .ÄiTATIS SV JE ANN. XXVII. M. D. XKXK. Wie bei dem Bilde
der Liechtenstein-Galerie findet sich die Signatur: Paris B. F. an anderer Stelle, auf dem Armsessel.
Ein gebauschter Vorhang schließt prunkvoll das Gemälde ab. Da das Bildnis nach der Inschrift in
Augsburg gemalt wurde, ist die für einen Venezianer ungewöhnliche Bereicherung des Bildes
durch das Stilleben auf dem Tische wohl auf deutschen, vielleicht durch Wunsch des Be-
stellers hervorgerufenen Einfluß
zurückzuführen.

Allein diese vier Bildnisse
rechtfertigen durchaus das Lob,
das Jakob Burckhardt Paris Bor-
done zollte. Er ist wirklich einer
der größten Porträtisten unter den
venezianischen Malern seiner Zeit.
Er folgt im Aufbau des Bildes
seinem Lehrer Tizian, aber er
bringt doch eine wesentlich andere,
eigene Note hinein. Wenn das
signierte Bildnis von 1532, das
früher die Liechtenstein-Galerie
zierte, in der Auffassung, und
zwar nur in dieser, noch ein wenig
an Giorgione anklingt, so zeigt
uns der Mann mit dem Dolch
in derselben Sammlung ganz den
selbstbewußten, energischen Typus
des Herrenmenschen der Renais-
sance. Das Porträt des Kunst-
historischen Museums erinnert am
stärksten an Tizians beste Bild-
nisse, es hat die große klassische
Ruhe des ersten Meisters Vene-
digs, die wir z. B. in dem Malteser-
ritter des Prado finden. Es zeigt
Fig. 3. Paris Bordone, Bildnis des Hieronymus Crofft. uns den Dargestellten, wie er ist

Paris, Louvre. und sich gibt und wie er vor

den Maler hintritt, um sich konter-
feien zu lassen, ohne jegliche Pose und Stimmungsmacherei. Das Bildnis des Louvre leitet dann
schon zu den zahlreichen späteren Bildnissen Bordones über. Es hat bereits den ganzen Prunk
der Farbengebung und stofflichen Wiedergabe des späten Bordone. Das stark Tizianische im Auf-
bau der Bildnisse der Dreißigerjahre1 weicht der von nun an typischen Kompositionsart Bordones. Das
Giorgionneske war schon früher zurückgetreten; nur der sogenannte Kerbler der Liechtenstein-
Galerie hatte träumerisch Kopf und Augen gesenkt, die übrigen Porträtierten blicken erhobenen
Hauptes scharf den Beschauer an. Die Weichheit, die dem Bildnis des Hieronymus Crofft anhaftet,
hat nichts mehr mit Giorgione zu tun, sie ist ganz Bordones eigenem Naturell entsprossen und gibt
von nun an seinen Werken die typische Note.

1 Unmittelbar an diesen ersten Porträtstil Bordones und nicht an Tizian selbst schließt sich dann der Nordländer Jan
van Calcar an (siehe dessen Porträt von 1536 in Berlin).
 
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