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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — NF: 1.1926

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Kris, Ernst: Der Stil "Rustique": die Verwendung des Naturabgusses bei Wenzel Jamnitzer und Bernard Palissy
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https://doi.org/10.11588/diglit.68539#0169
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Der Stil »Rustique«.

die, ausführlicher als die Coburger, den Fall der Wasserstrahlen andeutet. Aus den Brüsten phantastischer
Frauengestalten, aus bartumrahmten Männermasken quellen sie hervor; in schön geschwungenen Linien
unterstützen sie den Formgedanken, der dem Werk zugrunde liegt. Im Aufbau der einzelnen Postamente,
deren Umriß keine strenge Verjüngung, nur ein Aufstreben im allgemeinen ausdrückt, spricht sich die Freude
an überschäumender Fülle der Einzelbildungen aus; auch die ausführlichste Beschreibung vermöchte dem
Reichtum nicht gerecht zu werden. Wir aber haben unser Augenmerk den Teilen zuzuwenden, an denen
die naturfreudige Gesinnung sich entfalten konnte. Über dem niedrigen achtseitigen Fuß erhebt sich eine
phantastische Felsenlandschaft. In der Schilderung dieses Teiles unterscheiden sich die beiden Entwürfe
offenbar am meisten. Die Baseler Zeichnung scheint großzügiger und freier gehalten. Die Felsen sind massiger
getürmt und auch im einzelnen sorgfältiger durchgebildet. Der Coburger Entwurf bleibt mehr im Kleinlichen.
Zwischen den zackigen Felsenmassen wuchern Farnkräuter und Blumen. Auf der moosigen Bodenfläche, die
nur flüchtig angedeutet ist, treiben Reptilien ihr Unwesen. Auf Felsen und Pflanzen hüpfen Insekten und
bilden die Folie für die in einen Ring gefaßte, zum unteren Teil des Fußes gehörige Männermaske.
Auf mächtigen Steinblöcken ruht der ganze Brunnen. Man ist versucht, dem eine inhaltliche Motivierung
zu unterschieben, etwa den Gedanken, daß sich auf dem sicheren Boden der Natur die reichentfaltete Pracht
des Kunstwerkes aufbaue. Daß ähnliche inhaltliche Motivierungen oft den Anlaß für die Entfaltung natura-
listischen Kleinwerkes geboten haben, scheint durchaus wahrscheinlich-48. Deutlicher noch als am Merkelschen
Tafelaufsatz wird dies"in der Beschreibung des großen Lustbrunnens, den Jamnitzer an Kaiser Rudolf II.
lieferte49. Ein Altdorfer Student, der um 1640 das Kunstwerk noch auf der kaiserlichen Burg in Prag sah,
berichtet, daß an diesem Werke nicht allein »Physika und Metaphysika, sondern auch Poetika mit schönen
philosophischen und poetischen Geheimnissen für die Augen gestellt und fürgewiesen seien«. Das Ganze habe
die Form der Kaiserkrone gehabt und die Brunnenschale sei von den Gestalten der Jahreszeiten — es sind
dies die noch heute erhaltenen prächtigen Spolien des Kunsthistorischen Museums in Wien — getragen worden.
»Volget nun der brunnen, an welchen erstlichen die basis oder der rand anzusehen. Dann erstlich wirdt
auf demselben das element des erdreichs vorgebildet in der gestalt Cibeles, der haidischen göttin, welche
eine cron auf dem haubt und in der einen hand cimbeln tragt; darnach sind auf den porth herumb allerlei
schöne bergwerk von vielen güldenen und silberen stuffen mit ihrer natürlichen formb ganz lieblich zue
sehen; und dieweiln das wasser mit dem erdreich also vereinigt ist, dasz sie beede eine kugel formiren
seind sie derohalben beede zusammen auf die basis verordnet, dahero dann in den gründen neben schönen
48 Auf der Coburger Zeichnung finden sich folgende Verse, die ich nach einer Transkription j’Max Lossnitzers wieder-
gebe. Die Herkunft der Verse ist mir unbekannt. Links neben dem Tafelaufsatze:

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NOS DAMVS EXIGVAS
NVMENTA VETVSTA
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RIO VARIIS PVCTIBVS AM,,
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Auf schwarzem Grunde
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in Gold auf dem Fuße des Aufsatzes
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selbst (teilweise zerstört):
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OS A Ll . . VS PROPTER
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IASI . . . DURE ....
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III
Rechts neben dem Aufsatz in schwarzer Schrift:
VTQ SVOS ILLINC SPA,,
CIOSA PER AEQVORA
FLVCTVS. FVNDIT: ITA
HIC PARVO MANAT AB
ORE LI„
QVOR.
IIII
DE LAPSVSQ CAVOS SE
LATE EFFVNDIT IN
ORBES . SCILICET ET
PARVIS VIS SVA REBVS
IN
EST.
49 Über die Geschichte
die ältere Literatur angeführt
V VI
dieses Werkes vergleiche zuletzt J. Schlosser, Werke der Kleinplastik, I. Bd., Taf. XVI, wo auch
ist.

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