DIE SARKOPHAGE DER SACRISTEI VON SAN LORENZO.
nur zwei Sarkophage? Und zwar, warum diese Aenderung, da doch vier cassoni, als
integrierende Bestandtheile der beiden sepulture, 1629 (oder 27) bereits mit aufgemauert
worden waren, i53o mithin fertig dastanden? Es müssen diese vier cassoni später also
wieder beseitigt und statt ihrer die beiden Sarkophage, welche heute dastehen, an ihre
Stelle gebracht worden sein. Allerdings schloss einer dieser Sarkophage, als er kürz-
lich geöffnet wurde, zwei Leichname in sich. Die Idee des Doppelgrabes zu zwei
Leichen hüben und drüben ist factisch also doch festgehalten worden. Klar ist die
Sache auf Grund der heutigen Acten nicht zu stellen. Warum, könnten wir sagen,
sollte Michelangelo nicht auf den Wunsch des Papstes, oder aus eigenem Ermessen,
die Anordnung der vier cassoni später aufgegeben, sie beseitigt und die heutigen
Sarkophage an ihre Stelle gesetzt haben? Und hat er es nicht selbst gethan, liesse sich
weiter schliessen, so kann er wenigstens die Zeichnungen dafür hinterlassen haben,
nach welchen Vasari die Sarkophage arbeiten liess?
Auf diese Folgerung lässt sich jedoch entschiedener antworten. Wie sie heute
dastehen, können sie weder von Michelangelo gearbeitet noch angegeben worden sein.
Die Sarkophage der Sacristei von San Lorenzo, auf deren jedem zwei Gestalten
ruhen, sind von nach der Mitte hin sanft anschwellenden Deckeln überdacht, welche,
in länglich abgerundeter Form nach beiden Seiten abfallend, den auf sie gelagerten
Figuren zwei milde gebogene, abschüssige Flächen bieten.
Betrachten wir zuerst den Sarkophag unter dem von mir Lorenzo genannten
Feldherrn, wo die Statuen der Nacht und des Tages ihren Platz gefunden haben.
Beide Gestalten ruhen, wie der Anblick zeigt, nicht direct auf dem Sarkophag-
deckel, sondern es sind ihre unteren aufliegenden Theile aus einer Schicht rohen
Marmors noch nicht völlig herausgearbeitet, die unter ihnen, zwischen Körper und
Sarkophagdeckel, die ganzen Gestalten entlang, herläuft. Diese Marmorschicht sehen
wir auf eine Weise roh zugehauen, dass eine leichte Ausrundung gebildet ist, welche
sich der Biegung des Sarkophagdeckels anschliesst und den Gestalten Halt darauf giebt.
Zugleich aber gewährt diese Marmormasse den Beinen und Füssen der Gestalten, für
die der Sarkophagdeckel, der nicht so weit reicht, überhaupt keine Unterlage mehr
abgiebt, eine frei in die Luft stehende feste Lagerstätte. Wir sehen mithin, dass der
zum Theil unfertige Zustand bei den Figuren eine Bedingung ihrer Anbringung auf
dem Sarkophagdeckel war. Wären sie vollendet gewesen, so hätten die Beine in die
freie Luft hineinragen müssen.
Es kann aber Michelangelo's Absicht nicht gewesen sein, Tag und Nacht
in dieser Art unvollendet und mit rohem Marmor als theilweiser Unterlage auf die
Sarkophage zu legen. Ohne Zweifel boten seine oben erwähnten Modelle in natür-
licher Grösse diesen Anblick nicht dar, sondern die Figuren waren in der Gestalt von
ihm modellirt worden, wie sie von allem überflüssigen Marmor frei auf der Architectur
liegen sollten. Ich führe dies aus, weil dadurch die Möglichkeit ausgeschlossen wird,
als habe Michelangelo vielleicht, was ihm zuweilen begegnete, sich bei den Figuren ver-
hauen, so dass sie aus diesem Grunde zu den Sarkophagen nicht passten und er einen Theil
des rohen Marmors absichtlich stehen zu lassen genöthigt gewesen wäre. Ein so gleich-
mässiges Versehen bei allen vier Figuren anzunehmen, wäre eine Unmöglichkeit.
Denken wir nun aber bei der Statue der Nacht den überflüssigen Marmor
unter ihr fort, so ergiebt sich ein Doppeltes. Erstens, wie bereits bemerkt wurde,
beide Beine der Figur ständen frei in die Luft: das eine, ausgestreckte, ohne alle
Unterlage, das andere, angezogene, für den auftretenden Fuss in noch auffallenderer
nur zwei Sarkophage? Und zwar, warum diese Aenderung, da doch vier cassoni, als
integrierende Bestandtheile der beiden sepulture, 1629 (oder 27) bereits mit aufgemauert
worden waren, i53o mithin fertig dastanden? Es müssen diese vier cassoni später also
wieder beseitigt und statt ihrer die beiden Sarkophage, welche heute dastehen, an ihre
Stelle gebracht worden sein. Allerdings schloss einer dieser Sarkophage, als er kürz-
lich geöffnet wurde, zwei Leichname in sich. Die Idee des Doppelgrabes zu zwei
Leichen hüben und drüben ist factisch also doch festgehalten worden. Klar ist die
Sache auf Grund der heutigen Acten nicht zu stellen. Warum, könnten wir sagen,
sollte Michelangelo nicht auf den Wunsch des Papstes, oder aus eigenem Ermessen,
die Anordnung der vier cassoni später aufgegeben, sie beseitigt und die heutigen
Sarkophage an ihre Stelle gesetzt haben? Und hat er es nicht selbst gethan, liesse sich
weiter schliessen, so kann er wenigstens die Zeichnungen dafür hinterlassen haben,
nach welchen Vasari die Sarkophage arbeiten liess?
Auf diese Folgerung lässt sich jedoch entschiedener antworten. Wie sie heute
dastehen, können sie weder von Michelangelo gearbeitet noch angegeben worden sein.
Die Sarkophage der Sacristei von San Lorenzo, auf deren jedem zwei Gestalten
ruhen, sind von nach der Mitte hin sanft anschwellenden Deckeln überdacht, welche,
in länglich abgerundeter Form nach beiden Seiten abfallend, den auf sie gelagerten
Figuren zwei milde gebogene, abschüssige Flächen bieten.
Betrachten wir zuerst den Sarkophag unter dem von mir Lorenzo genannten
Feldherrn, wo die Statuen der Nacht und des Tages ihren Platz gefunden haben.
Beide Gestalten ruhen, wie der Anblick zeigt, nicht direct auf dem Sarkophag-
deckel, sondern es sind ihre unteren aufliegenden Theile aus einer Schicht rohen
Marmors noch nicht völlig herausgearbeitet, die unter ihnen, zwischen Körper und
Sarkophagdeckel, die ganzen Gestalten entlang, herläuft. Diese Marmorschicht sehen
wir auf eine Weise roh zugehauen, dass eine leichte Ausrundung gebildet ist, welche
sich der Biegung des Sarkophagdeckels anschliesst und den Gestalten Halt darauf giebt.
Zugleich aber gewährt diese Marmormasse den Beinen und Füssen der Gestalten, für
die der Sarkophagdeckel, der nicht so weit reicht, überhaupt keine Unterlage mehr
abgiebt, eine frei in die Luft stehende feste Lagerstätte. Wir sehen mithin, dass der
zum Theil unfertige Zustand bei den Figuren eine Bedingung ihrer Anbringung auf
dem Sarkophagdeckel war. Wären sie vollendet gewesen, so hätten die Beine in die
freie Luft hineinragen müssen.
Es kann aber Michelangelo's Absicht nicht gewesen sein, Tag und Nacht
in dieser Art unvollendet und mit rohem Marmor als theilweiser Unterlage auf die
Sarkophage zu legen. Ohne Zweifel boten seine oben erwähnten Modelle in natür-
licher Grösse diesen Anblick nicht dar, sondern die Figuren waren in der Gestalt von
ihm modellirt worden, wie sie von allem überflüssigen Marmor frei auf der Architectur
liegen sollten. Ich führe dies aus, weil dadurch die Möglichkeit ausgeschlossen wird,
als habe Michelangelo vielleicht, was ihm zuweilen begegnete, sich bei den Figuren ver-
hauen, so dass sie aus diesem Grunde zu den Sarkophagen nicht passten und er einen Theil
des rohen Marmors absichtlich stehen zu lassen genöthigt gewesen wäre. Ein so gleich-
mässiges Versehen bei allen vier Figuren anzunehmen, wäre eine Unmöglichkeit.
Denken wir nun aber bei der Statue der Nacht den überflüssigen Marmor
unter ihr fort, so ergiebt sich ein Doppeltes. Erstens, wie bereits bemerkt wurde,
beide Beine der Figur ständen frei in die Luft: das eine, ausgestreckte, ohne alle
Unterlage, das andere, angezogene, für den auftretenden Fuss in noch auffallenderer