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Preußische Kunstsammlungen [Mitarb.]
Jahrbuch der Königlich-Preuszischen Kunstsammlungen — 1.1880

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I. Heft
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Studien und Forschung
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Dobbert, Eduard: Zur Entstehungsgeschichte des Crucifixes
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https://doi.org/10.11588/diglit.75035#0111

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ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES CRUCIFIXES 45

Christus erscheint in den Passionsscenen und in den Bildern, die sich auf seine Auf-
erstehung beziehen, bärtig, in den Reliefs, auf denen er Wunder übend dargestellt ist,
jugendlich bartlos; in der Scene, da Christus dem Petrus die Verleugnung ankündigt,
hat er einen Bart, bei der Himmelfahrt ist er wiederum jugendlich und bartlos dar-
gestellt. Dieses Schwanken zwischen dem älteren und jugendlicheren Christustypus
dürfte recht bezeichnend sein für das V. Jahrhundert, welches, wie noch weiter unten
betont werden wird, kunstgeschichtlich eine Uebergangszeit ist. Ein ähnliches Neben-
einander der beiden Christustypen findet sich in den Mosaiken aus dem Leben und
Leiden Christi oben in S. Appollinare nuovo zu Ravenna, die ich nach dem Vorgange
J. P. Richters*) in dessen verdienstvoller Schrift über die Mosaiken von Ravenna an's
Ende des V. Jahrhunderts zu setzen versucht bin. Auch bezüglich des Nimbus nehmen
wir an der Thür von Sta. Sabina ein Schwanken wahr, das eher dem fünften als dem
sechsten Jahrhundert entspricht. In der Regel erscheint hier Christus ohne Nimbus,
was für das frühere Datum spricht; einen einfachen kreisförmigen Nimbus hat er in
der Scene, da er zwischen Petrus und Paulus steht, und bei der Himmelfahrt; dort
wo er nach der Auferstehung dreien seiner Jünger erscheint, ist das bekannte Mono-
gramm A^gu in den Nimbus gebracht; der später für die Gestalt Christi so bezeich-
nende eigentliche Kreuznimbus fehlt an unserer Thür gänzlich. Von den übrigen
Gestalten haben nur Petrus und Paulus in dem oben genannten Bilde Nimben.
Die Entstehung der Thür ist wiederholt in's XII. oder XIII. Jahrhundert gesetzt
worden. Es scheint mir aber undenkbar, dass ein Künstler dieser späten Zeit so ganz
in dem Stile des V. Jahrhunderts hätte arbeiten können, ohne auch nur einmal ikono-
graphisch oder stilistisch aus der Rolle zu fallen. Uebrigens zeigt ein Blick in die
Literatur, dass die Meinung, die Thür sei ein Werk der altchristlichen Epoche, einige
allerdings nicht leicht wiegende Ausnahmen abgerechnet, jetzt wohl die herr-
schende ist.**)

*) Dr. Jean Paul Richter, Die Mosaiken von Ravenna. Wien 1878, S. 43.

**) Bereits im vorigen Jahrhundert ist der altchristliche Charakter der Thür erkannt
worden. In den im Jahre 1756 zu Rom erschienenen Annales ordinis Praedicatorum, ed.
Mamachi etc. cap. XVII, p. 572, wo sich ein Stich nach der Thür findet, schreibt der Ver-
fasser das Werk wegen der Aehnlichkeit mit Sarkophagsculpturen und anderen Denkmälern
der altchristlichen Coemeterien der Zeit vor dem VII. Jahrhundert zu. D'Agincourt, Histoire
de l'art II, p. 5o; IV, Bl. XXII, erklärte die Thür von Sta. Sabina, welche auch er in einem
Kupferstiche veröffentlichte, für ein Werk des XIII. Jahrhunderts. Um 1200 setzen sie Platner,
Beschreibung Roms, T. III, Abth. i., S. 415 und Schnaase, Geschichte der b. K. VII (1876)
S. 25i. Crowe und Cavalcaselle äusserten Zweifel an dieser späten Datierung und begrün-
deten dieselben mit den vielfachen antiken und altchristlichen Anklängen. Sie waren geneigt,
die Thür über das IX. Jahrhundert hinaus zurückzudatieren. (Geschichte der ital. Malerei,
Engl. Ausgabe I (1864) p. 55—57; Deutsche Ausgabe, besorgt von Dr. Μ. Jordan, I (1869)
S. 49. 5o). In der italienischen Ausgabe I (1875) p. 84 aber drücken sich die Verfasser
unbestimmter aus, indem sie von der muthmaasslichen Entstehung der Thür vor dem
XII. Jahrhundert reden. Auf's Entschiedenste betont, unter Berücksichtigung der von de
Rossi, Crowe und Cavalcaselle und dem Verfasser dieses Aufsatzes ausgesprochenen An-
sichten, Μ. N. Kondakoff den altchristlichen Ursprung der Thür (in der bereits genannten
lehrreichen Abhandlung der Revue archeologique), indem er sie als ein Mittelglied betrachtet
zwischen der Kunst der ersten Jahrhunderte, wie dieselbe in den Sarkophagen erscheine,
und jener zweiten Phase, von der die Kathedra des heiligen Maximian zu Ravenna (VI. Jahr-
hundert) eines der interessantesten und merkwürdigsten Specimina sei. Auch Marucchi
 
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