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ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES CRUCIFIXES
2. Das Kreuzigungsbild im britischen Museum.
Der untenanstehende Holzschnitt giebt eine Elfenbeinplatte wieder, welche sich,
nebst drei andern dazu gehörigen, im britischen Museum befindet, aber offenbar in
Italien entstanden ist. Auf den drei übrigen Platten finden wir dargestellt: i) Pilatus
sich die Hände waschend, die Kreuztragung und die Verleugnung Petri; 2) die Frauen
am Grabe Christi; 3) die Scene mit dem ungläubigen Thomas.
Dass 'auch dieses Werk aus der altchristlichen Epoche stammt, ist zunächst
wieder aus der ikonographischen und stilistischen Uebereinstimmung mit anderen alt-
christlichen Sculpturen zu ersehen.
Christus ist durchweg jugendlich, bartlos, mit langherabwallendem Haar, wie
in der Regel in der altchristlichen Epoche, gebildet. Man vergleiche mit dem Christus
der „Kreuztragung" die im milden, sanften Charakter übereinstimmende Gestalt Jesu
an dem Sarkophage aus dem IV. oder V. Jahrhundert im Lateran, an welchem das
Monogramm Christi über dem Kreuze, die Pilatusscene, die Kreuztragung etc. dar-
gestellt sind*), und ferner den Christustypus, wie ihn die schönen Elfenbeinreliefs der
Bibliotheca Queriniana zu Brescia zeigen. In der Verleugnungsscene unseres Werkes
zeigt Petrus den bekannten altchristlichen Gesichtstypus. Die Art wie Pilatus sich
die Hände wäscht, während ein Knabe Wasser dazu giesst, entspricht in auffallender
Weise der betreffenden Scene an der Sabina-Thür. Das Costüm ist durchweg das
antike, wie in anderen altchristlichen Werken, die Barbarentracht (Hosen und Schuhe
statt der nackten Beine und Sandalen) des Mannes, der Christus die Seitenwunde bei-
bringt, sowie desjenigen, welcher Christus bei der Kreuztragung geleitet, und der
schlafenden Wächter am Grabe entspricht ganz der Kleidung der „Israeliten" an alt-
(La cripta sepolcrale di S. Valentino, Roma 1878 p. 41) sieht in der Thür ein Werk des
V. Jahrhunderts; für altchristlich hält sie auch J. P. Richter a. a. O. S. 43. Auf halbem Wege
bleibt dagegen Ch. Rohault de Fleury a. a. O. stehen, welcher (I, 122) treffende Beweise
für die Verwandtschaft der Thürreliefs mit anderen altchristlichen Darstellungen beibringt,
dann aber doch nicht über das VII. Jahrhundert zurückgeht.
*) Abb. bei Kraus, ed. II (1879) p. 36i; Appell, Monum. of early christ. art. 1872 p. 21.
ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE DES CRUCIFIXES
2. Das Kreuzigungsbild im britischen Museum.
Der untenanstehende Holzschnitt giebt eine Elfenbeinplatte wieder, welche sich,
nebst drei andern dazu gehörigen, im britischen Museum befindet, aber offenbar in
Italien entstanden ist. Auf den drei übrigen Platten finden wir dargestellt: i) Pilatus
sich die Hände waschend, die Kreuztragung und die Verleugnung Petri; 2) die Frauen
am Grabe Christi; 3) die Scene mit dem ungläubigen Thomas.
Dass 'auch dieses Werk aus der altchristlichen Epoche stammt, ist zunächst
wieder aus der ikonographischen und stilistischen Uebereinstimmung mit anderen alt-
christlichen Sculpturen zu ersehen.
Christus ist durchweg jugendlich, bartlos, mit langherabwallendem Haar, wie
in der Regel in der altchristlichen Epoche, gebildet. Man vergleiche mit dem Christus
der „Kreuztragung" die im milden, sanften Charakter übereinstimmende Gestalt Jesu
an dem Sarkophage aus dem IV. oder V. Jahrhundert im Lateran, an welchem das
Monogramm Christi über dem Kreuze, die Pilatusscene, die Kreuztragung etc. dar-
gestellt sind*), und ferner den Christustypus, wie ihn die schönen Elfenbeinreliefs der
Bibliotheca Queriniana zu Brescia zeigen. In der Verleugnungsscene unseres Werkes
zeigt Petrus den bekannten altchristlichen Gesichtstypus. Die Art wie Pilatus sich
die Hände wäscht, während ein Knabe Wasser dazu giesst, entspricht in auffallender
Weise der betreffenden Scene an der Sabina-Thür. Das Costüm ist durchweg das
antike, wie in anderen altchristlichen Werken, die Barbarentracht (Hosen und Schuhe
statt der nackten Beine und Sandalen) des Mannes, der Christus die Seitenwunde bei-
bringt, sowie desjenigen, welcher Christus bei der Kreuztragung geleitet, und der
schlafenden Wächter am Grabe entspricht ganz der Kleidung der „Israeliten" an alt-
(La cripta sepolcrale di S. Valentino, Roma 1878 p. 41) sieht in der Thür ein Werk des
V. Jahrhunderts; für altchristlich hält sie auch J. P. Richter a. a. O. S. 43. Auf halbem Wege
bleibt dagegen Ch. Rohault de Fleury a. a. O. stehen, welcher (I, 122) treffende Beweise
für die Verwandtschaft der Thürreliefs mit anderen altchristlichen Darstellungen beibringt,
dann aber doch nicht über das VII. Jahrhundert zurückgeht.
*) Abb. bei Kraus, ed. II (1879) p. 36i; Appell, Monum. of early christ. art. 1872 p. 21.