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ZUR ENTSTEHUNG DES BREVIARIUM GRIMANI
Blätter müssen später als 1493 fallen, Vieles weist stilistisch auf den Anfang des
XV. Jahrhunderts hin; zuerst erwähnt wird das Breviarium 1621.
Eine Vergleichung der hier im Holzschnitte gegebenen zwei Compositionen, die
eine aus dem Breviarium, die andere aus den Wandgemälden der Dombibliothek zu
Siena, sagt ohne weitere Erklärung, in welche Zeit die Entstehung derjenigen Blätter
des Breviariums zu setzen sei, welche als Illustration der Monate eine gewisse Gleich-
mässigkeit der Behandlung zeigen und zugleich auch wohl die jüngsten sind. Ohne
Zweifel hat der nordische Künstler sich von Raphaels Composition (und zwar nicht
in der Gestalt, welche sie auf Raphaels Zeichnung hat, sondern in der Umarbeitung,
in welcher sie von Pinturicchio, oder dessen Schülern, in Fresco gemalt worden ist)
inspirieren lassen, deren Elemente wir auf seinem Blatte wiederfinden. Ganz un-
möglich wäre der umgekehrte Fall, dass Raphael das Blatt des Breviariums nach-
geahmt hätte, da die Aehnlichkeit eben speziell die Wandmalerei und nicht Raphaels
Zeichnung betrifft. Die Einzelheiten, welche aufeinander Bezug haben, treten so ent-
schieden hervor, dass es unnöthig wäre, besonders auf sie hinzuweisen.
Es ergiebt sich hieraus, dass der Künstler dem die Monatsblätter ihre Ent-
stehung verdanken, in Italien selbst arbeitete, und es zeigt sich, was auch wohl zu
beachten ist, in wie geringem Grade er zu gleicher Zeit unter dem Einflüsse der
italienischen Kunst stand. Denn er hat das Werk Pinturicchio's ganz frei in sich
aufgenommen und auf das Unbefangenste in niederländischer Gestalt aus seiner
Phantasie wieder hervorgehen lassen.
Haben wir so nun für die Entstehung der Monatsblätter des Breviariums schon
die Zeit zwischen, sagen wir, i5o6 und i5zo gewonnen, so ergiebt eine weitere Ver-
gleichung, dass dieser Zeitraum vielleicht noch enger gefasst werden könnte.
Auf dem den Monat April illustrierenden Blatte findet sich ein Pferd, dessen
Kopf mit dem des Rosses übereinstimmt, auf den Α. Dürer seinen christlichen Ritter
einherreiten lässt. Dürer's Stich fällt ins Jahr ι5ι3. Anzunehmen wäre auch hier nicht,
Dürer könne das Breviarium vielleicht i5o7 in Venedig gesehen und den Kopf seines
Pferdes daraus genommen haben. Denn wir wissen, wie Dürers Pferd auf einer
Umbildung des Pferdes des Bartolommeo Colleoni beruht, das er mit früheren eigenen
Naturstudien nach deutschen Pferden gleichsam zusammenwarf. Zuletzt erst gab er
seinem Pferde den kleinen Eichenzweig vor die Stirn, der kaum eine Erfindung des
niederländischen Miniaturmalers sein dürfte.
H. Grimm.
ZUR ENTSTEHUNG DES BREVIARIUM GRIMANI
Blätter müssen später als 1493 fallen, Vieles weist stilistisch auf den Anfang des
XV. Jahrhunderts hin; zuerst erwähnt wird das Breviarium 1621.
Eine Vergleichung der hier im Holzschnitte gegebenen zwei Compositionen, die
eine aus dem Breviarium, die andere aus den Wandgemälden der Dombibliothek zu
Siena, sagt ohne weitere Erklärung, in welche Zeit die Entstehung derjenigen Blätter
des Breviariums zu setzen sei, welche als Illustration der Monate eine gewisse Gleich-
mässigkeit der Behandlung zeigen und zugleich auch wohl die jüngsten sind. Ohne
Zweifel hat der nordische Künstler sich von Raphaels Composition (und zwar nicht
in der Gestalt, welche sie auf Raphaels Zeichnung hat, sondern in der Umarbeitung,
in welcher sie von Pinturicchio, oder dessen Schülern, in Fresco gemalt worden ist)
inspirieren lassen, deren Elemente wir auf seinem Blatte wiederfinden. Ganz un-
möglich wäre der umgekehrte Fall, dass Raphael das Blatt des Breviariums nach-
geahmt hätte, da die Aehnlichkeit eben speziell die Wandmalerei und nicht Raphaels
Zeichnung betrifft. Die Einzelheiten, welche aufeinander Bezug haben, treten so ent-
schieden hervor, dass es unnöthig wäre, besonders auf sie hinzuweisen.
Es ergiebt sich hieraus, dass der Künstler dem die Monatsblätter ihre Ent-
stehung verdanken, in Italien selbst arbeitete, und es zeigt sich, was auch wohl zu
beachten ist, in wie geringem Grade er zu gleicher Zeit unter dem Einflüsse der
italienischen Kunst stand. Denn er hat das Werk Pinturicchio's ganz frei in sich
aufgenommen und auf das Unbefangenste in niederländischer Gestalt aus seiner
Phantasie wieder hervorgehen lassen.
Haben wir so nun für die Entstehung der Monatsblätter des Breviariums schon
die Zeit zwischen, sagen wir, i5o6 und i5zo gewonnen, so ergiebt eine weitere Ver-
gleichung, dass dieser Zeitraum vielleicht noch enger gefasst werden könnte.
Auf dem den Monat April illustrierenden Blatte findet sich ein Pferd, dessen
Kopf mit dem des Rosses übereinstimmt, auf den Α. Dürer seinen christlichen Ritter
einherreiten lässt. Dürer's Stich fällt ins Jahr ι5ι3. Anzunehmen wäre auch hier nicht,
Dürer könne das Breviarium vielleicht i5o7 in Venedig gesehen und den Kopf seines
Pferdes daraus genommen haben. Denn wir wissen, wie Dürers Pferd auf einer
Umbildung des Pferdes des Bartolommeo Colleoni beruht, das er mit früheren eigenen
Naturstudien nach deutschen Pferden gleichsam zusammenwarf. Zuletzt erst gab er
seinem Pferde den kleinen Eichenzweig vor die Stirn, der kaum eine Erfindung des
niederländischen Miniaturmalers sein dürfte.
H. Grimm.