6ο
ADAM ELSHEIMER.
liegenden Versuchen bald in die richtige Bahn und zur vollen Meisterschaft, sodass
Mander 1604 schon sagen konnte, er sei „door wercken een constigh werckman
gheworden", und dass nach Sandrart's Angabe „in ganz Rom von nichts denn von
Elzheimer's neu-erfundener Kunst im Mahlen geredt worden" sei. Die Art seiner
Studien erregte schon die Aufmerksamkeit des van Mander oder seiner Bericht-
erstatter: „er legt sich nicht besonders auf's Zeichnen — sagt der Maler-Biograph —
sondern sitzt stets in den Kirchen oder an anderen Orten, um die Werke der grossen
Meister zu sehen, und prägt Alles fest in sein Gedächtniss ein." Freilich ein unerhörtes
Verfahren zur Zeit der Blüthe und auf dem Hauptschauplatz der akademischen Kunst-
übung, für welche der Aktsaal fast das einzige erlaubte Studienfeld war! Die Früchte
naiver Naturanschauung, die ihn zu seinen einsamen Wanderungen in die Umgebung
Rom's mit ihren ewig schönen Formen und Farben führte, und des intimen Studiums
der grossen Meister lassen sich in den meisten Gemälde, namentlich aber in den Zeich-
nungen erkennen, welche von dem, was er gesehen hatte, eine flüchtige Niederschrift
des allgemeinen Eindrucks — meist aus dem Gedächtniss — wiedergeben. Elsheimer's
köstliches Skizzenbuch im Städel'schen Museum zu Frankfurt deutet unverkennbar
auf eine Reihe alter Meister hin, nach deren Werken der Künstler studiert hat: vor
Allen Raphael, aber auch Correggio, dann Mantegna und Lukas von Leyden, woneben
sich Anklänge an Zeitgenossen wie Rubens, Jacob de Gheyn und Guercino finden,
aber stets mehr oder weniger in die eigenthümliche eigene Kunstsprache übersetzt,
wie wir es in ähnlicher und stärkerer Weise bei Rubens finden.
Die Entwicklung innerhalb dieser Blütheperiode des Meisters, die etwa in
die Jahre ι6ο5 bis 1620 (sein muthmaassliches Todesjahr) fällt, irgend schärfer zu
charakterisieren, ist bei dem Material, welches uns allein vorliegt, nicht möglich. Zwar
besitzen wir gerade aus diesen Jahren, auf welche ja die meisten noch erhaltenen Ge-
mälde seiner Hand zurückzuführen sind, eine Anzahl Bilder, deren Entstehungszeit
sich, wie bereits oben erwähnt wurde, durch Daten auf den danach gefertigten
Stichen annähernd feststellen lässt — so ist nach den Aufschriften auf Goudt's Stichen
der „Tobias auf der Wanderung" spätestens 1608 entstanden, die „Ceres" 1610,
„Jupiter und Mercur bei Philemon und Baucis" 1612, der „grössere Tobias auf der
Wanderung", „die Flucht" und „die Aurora" sämmtlich i6i3, der „hl. Franciscus",
welchen J. Matham gestochen hat, im J. 1611, — allein wie diese Daten immer auch
die Möglichkeit weit früherer Entstehung der bezüglichen Originale zulassen, so ge-
stattet andrerseits die bekannte Thatsache, dass im Nachlasse des Rubens sich vier
Bilder von Adam Elsheimer befanden, eben nur die Vermuthung, dass diese (es sind die
Ceres, die Verkündigung, die Judith und eine Landschaft in ovaler Form) vor Rubens'
Abreise aus Rom und Italien d. h. vor 1608 gemalt und von ihm erworben wurden.
Denn Rubens kann sie ja recht wohl auch später erst erlangt haben, z. B. aus dem
Nachlasse des Ritters Goudt, was für das Ceres-Bild sogar wahrscheinlich ist. Aber
auch davon abgesehen lassen sich grade die meisten eben erwähnten Bilder heute
nicht mehr nachweisen oder nicht sicher identificieren.
Soweit diese Werke jedoch Anhalt bieten, soweit ferner aus den älteren bereits
genannten Gemälden und nach den allgemeinen Regeln des künstlerischen Entwicklungs-
ganges ein Schluss erlaubt ist, dürfen wir annehmen, dass die früheren Werke dieser
Hauptperiode des Meisters verhältnissmässig eine Ueberfülle von Details, eine sorg-
fältigere und trockenere, zuweilen noch etwas spitzige Behandlungsweise, helleren
Ton, grellere Beleuchtung und kühlere Färbung, die späteren dagegen grössere Ein-
ADAM ELSHEIMER.
liegenden Versuchen bald in die richtige Bahn und zur vollen Meisterschaft, sodass
Mander 1604 schon sagen konnte, er sei „door wercken een constigh werckman
gheworden", und dass nach Sandrart's Angabe „in ganz Rom von nichts denn von
Elzheimer's neu-erfundener Kunst im Mahlen geredt worden" sei. Die Art seiner
Studien erregte schon die Aufmerksamkeit des van Mander oder seiner Bericht-
erstatter: „er legt sich nicht besonders auf's Zeichnen — sagt der Maler-Biograph —
sondern sitzt stets in den Kirchen oder an anderen Orten, um die Werke der grossen
Meister zu sehen, und prägt Alles fest in sein Gedächtniss ein." Freilich ein unerhörtes
Verfahren zur Zeit der Blüthe und auf dem Hauptschauplatz der akademischen Kunst-
übung, für welche der Aktsaal fast das einzige erlaubte Studienfeld war! Die Früchte
naiver Naturanschauung, die ihn zu seinen einsamen Wanderungen in die Umgebung
Rom's mit ihren ewig schönen Formen und Farben führte, und des intimen Studiums
der grossen Meister lassen sich in den meisten Gemälde, namentlich aber in den Zeich-
nungen erkennen, welche von dem, was er gesehen hatte, eine flüchtige Niederschrift
des allgemeinen Eindrucks — meist aus dem Gedächtniss — wiedergeben. Elsheimer's
köstliches Skizzenbuch im Städel'schen Museum zu Frankfurt deutet unverkennbar
auf eine Reihe alter Meister hin, nach deren Werken der Künstler studiert hat: vor
Allen Raphael, aber auch Correggio, dann Mantegna und Lukas von Leyden, woneben
sich Anklänge an Zeitgenossen wie Rubens, Jacob de Gheyn und Guercino finden,
aber stets mehr oder weniger in die eigenthümliche eigene Kunstsprache übersetzt,
wie wir es in ähnlicher und stärkerer Weise bei Rubens finden.
Die Entwicklung innerhalb dieser Blütheperiode des Meisters, die etwa in
die Jahre ι6ο5 bis 1620 (sein muthmaassliches Todesjahr) fällt, irgend schärfer zu
charakterisieren, ist bei dem Material, welches uns allein vorliegt, nicht möglich. Zwar
besitzen wir gerade aus diesen Jahren, auf welche ja die meisten noch erhaltenen Ge-
mälde seiner Hand zurückzuführen sind, eine Anzahl Bilder, deren Entstehungszeit
sich, wie bereits oben erwähnt wurde, durch Daten auf den danach gefertigten
Stichen annähernd feststellen lässt — so ist nach den Aufschriften auf Goudt's Stichen
der „Tobias auf der Wanderung" spätestens 1608 entstanden, die „Ceres" 1610,
„Jupiter und Mercur bei Philemon und Baucis" 1612, der „grössere Tobias auf der
Wanderung", „die Flucht" und „die Aurora" sämmtlich i6i3, der „hl. Franciscus",
welchen J. Matham gestochen hat, im J. 1611, — allein wie diese Daten immer auch
die Möglichkeit weit früherer Entstehung der bezüglichen Originale zulassen, so ge-
stattet andrerseits die bekannte Thatsache, dass im Nachlasse des Rubens sich vier
Bilder von Adam Elsheimer befanden, eben nur die Vermuthung, dass diese (es sind die
Ceres, die Verkündigung, die Judith und eine Landschaft in ovaler Form) vor Rubens'
Abreise aus Rom und Italien d. h. vor 1608 gemalt und von ihm erworben wurden.
Denn Rubens kann sie ja recht wohl auch später erst erlangt haben, z. B. aus dem
Nachlasse des Ritters Goudt, was für das Ceres-Bild sogar wahrscheinlich ist. Aber
auch davon abgesehen lassen sich grade die meisten eben erwähnten Bilder heute
nicht mehr nachweisen oder nicht sicher identificieren.
Soweit diese Werke jedoch Anhalt bieten, soweit ferner aus den älteren bereits
genannten Gemälden und nach den allgemeinen Regeln des künstlerischen Entwicklungs-
ganges ein Schluss erlaubt ist, dürfen wir annehmen, dass die früheren Werke dieser
Hauptperiode des Meisters verhältnissmässig eine Ueberfülle von Details, eine sorg-
fältigere und trockenere, zuweilen noch etwas spitzige Behandlungsweise, helleren
Ton, grellere Beleuchtung und kühlere Färbung, die späteren dagegen grössere Ein-