258
8. R os e nthal, Vebersicht der Geschichte der Baukunst.
die wagerechte Decke; fand also eher eine höchst wesentliche Erleichte-
rung seiner Arbeit.
Holen dieser ersten, rohesten Art dürfen wir in Indien nicht mehr
suchen; dagegen findet sich noch in mehreren die runde Decke, und zwar
grade in den einfachem und den altern Buddhatempeln zu Kennen und
Carli, und es ist leicht möglich, dafs ihrer mehrere noch uuter den unent-
deckten Denkmälern Nord - Indiens verborgen sind. Die Entstehung der
geraden Hölendecke: sollte sie nicht schon dem ersten Häuserbau nachge-
bildet sein ? Was freilich ihre häufige Anwendung unwahrscheinlich macht,
liefse sich wohl am einfachsten daraus erklären, dafs ein in dem Felsen be-
findliches, ziemlich wagerechtes Lager, bei der Bearbeitung einer Höhle ab-
springend, die Form von selbst bildete und nun um so mehr allgemein ange-
nommen wurde, als die lichte Höhe der Hole, welche bei zunehmender Aus-
dehnung und bei der runden Form zuletzt sehr beträchtlich werden mufste,
jetzt nicht mehr von der Weite abhing und nun nicht allein die herauszuschaf-
fende Steinmasse vermindert wurde, sondern auch die Möglichkeit sich ergab,
auch in minder hohen Felsen, wie sie häufig vorkamen, Holen zu bauen.
War die Hole sehr ausgedehnt, so mufsten, damit die Decke nicht
einbrechen konnte, einzelne Stützen stehen bleiben, deren regelmäfsige,
reihenweise Stellung keiuer Erklärung bedarf. Diese Stützen dürfen aber
durchaus nicht mit den spätem eigentlichen Säulen verglichen, oder gar
(wie es fast immer geschehen ist) als Vorbild derselben betrachtet wer-
den. Sie haben ganz andere Zwecke und Bildungsgesetze. Die Säule,
die sich, wie wir sehen werden, einzig bei den Griechen ausgebildet
hat, ist freistehend, aus einzelnen Steinen (mindestens Stamm und Capi-
tä!) zusammengesetzt und nach statischen Gesetzen als lothrechte Unter-
stützung einer wagerechten, frei aufgelegten Last angeordnet und geformt;
jene Hölenstützen dagegen sind oben und unten mit dem Felsen verwachsen;
sie bewahren fast mehr die ursprüngliche Verbindung zwischen Fufsboden
und Decke, als dafs sie als eigentliche Stützen zu betrachten wären; sie
sind aus dem Vollen gehauen und bedürfen einer weit gröfseren Stärke,
als die Statik blofsen Stützen geben würde, weil bei der starken Spannung,
in welcher sie sich befinden, durch die Erschütterung beim Arbeiten ein
einigermaafsen dünner Stamm springen würde. Die Gröfse dieser Gefahr
wächst mit der Härte des Steines: während also die Säule um so dünner
sein kann, je härter der Stein ist, so ist es hier grade umgekehrt; ein
8. R os e nthal, Vebersicht der Geschichte der Baukunst.
die wagerechte Decke; fand also eher eine höchst wesentliche Erleichte-
rung seiner Arbeit.
Holen dieser ersten, rohesten Art dürfen wir in Indien nicht mehr
suchen; dagegen findet sich noch in mehreren die runde Decke, und zwar
grade in den einfachem und den altern Buddhatempeln zu Kennen und
Carli, und es ist leicht möglich, dafs ihrer mehrere noch uuter den unent-
deckten Denkmälern Nord - Indiens verborgen sind. Die Entstehung der
geraden Hölendecke: sollte sie nicht schon dem ersten Häuserbau nachge-
bildet sein ? Was freilich ihre häufige Anwendung unwahrscheinlich macht,
liefse sich wohl am einfachsten daraus erklären, dafs ein in dem Felsen be-
findliches, ziemlich wagerechtes Lager, bei der Bearbeitung einer Höhle ab-
springend, die Form von selbst bildete und nun um so mehr allgemein ange-
nommen wurde, als die lichte Höhe der Hole, welche bei zunehmender Aus-
dehnung und bei der runden Form zuletzt sehr beträchtlich werden mufste,
jetzt nicht mehr von der Weite abhing und nun nicht allein die herauszuschaf-
fende Steinmasse vermindert wurde, sondern auch die Möglichkeit sich ergab,
auch in minder hohen Felsen, wie sie häufig vorkamen, Holen zu bauen.
War die Hole sehr ausgedehnt, so mufsten, damit die Decke nicht
einbrechen konnte, einzelne Stützen stehen bleiben, deren regelmäfsige,
reihenweise Stellung keiuer Erklärung bedarf. Diese Stützen dürfen aber
durchaus nicht mit den spätem eigentlichen Säulen verglichen, oder gar
(wie es fast immer geschehen ist) als Vorbild derselben betrachtet wer-
den. Sie haben ganz andere Zwecke und Bildungsgesetze. Die Säule,
die sich, wie wir sehen werden, einzig bei den Griechen ausgebildet
hat, ist freistehend, aus einzelnen Steinen (mindestens Stamm und Capi-
tä!) zusammengesetzt und nach statischen Gesetzen als lothrechte Unter-
stützung einer wagerechten, frei aufgelegten Last angeordnet und geformt;
jene Hölenstützen dagegen sind oben und unten mit dem Felsen verwachsen;
sie bewahren fast mehr die ursprüngliche Verbindung zwischen Fufsboden
und Decke, als dafs sie als eigentliche Stützen zu betrachten wären; sie
sind aus dem Vollen gehauen und bedürfen einer weit gröfseren Stärke,
als die Statik blofsen Stützen geben würde, weil bei der starken Spannung,
in welcher sie sich befinden, durch die Erschütterung beim Arbeiten ein
einigermaafsen dünner Stamm springen würde. Die Gröfse dieser Gefahr
wächst mit der Härte des Steines: während also die Säule um so dünner
sein kann, je härter der Stein ist, so ist es hier grade umgekehrt; ein