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1896

JUGEND

Nr. 13

Neu-Afrikanische Idole

Unser Spezialartist am Kilima Ndscharo
sendet uns die nebenstehende Abbildung
von zwei neu-afrikanischen Idolen. Die An-
beter dieser Idole pflegen allmorgendlich
an die Bilder, die sieWau-Wau und Au-Weh
heissen, ein Gebet zu richten, das auf
Deutsch etwa lautet:

„Oh Du grosser, gütiger, weisser Geist!
Wir danken Dir aus tiefster Seele dafür, dass
Du uns dummen, unmoralischen Negern die
Segnungen der Cultur zu Theil werden Mes-
sest. Du hast uns befreit von den bösen
arabischen Sklavenjägern, welche unsere
Dörfer niedergebrannt und uns in Gefangen-
schaft fortgeschleppt haben. Du bist milde
und gütig, und wendestDuFeuerund Schwert
gegen uns an, so thust Du’s gewiss mit
schwerem Herzen, blos wegen der Civili-
sation. Du hast uns von der thörichten An-
massung geheilt, dass der Boden, auf dem
wir wohnen, unser eigen sei, dass unsere
Frauen und Kinder uns gehören, Du hast
uns von dem behaglichen Stumpfsinn be-
freit, in dem wir dahin lebten, wie Kinder,
Du hast uns das Menschenfressen abge-
wöhnt und das Schnapstrinken gelehrt;
durch Dich wissen wir, dass ein Neger, der
eine Cigarre gestohlen hat, aufgehängt wer-
den muss und dass trägen Weibern die
Knute gebührt. Das Alles wüssten wir
nicht ohne Dich.

Grosser, gütiger, weisser Geist! Schicke
uns nur recht Viele von Deines Gleichen,
dass die Cultur immer tiefer über uns herein-
breche und wir bald so gut, so gerecht und
so milde werden wie Du — vorausgesetzt,
dass bis dahin noch Einer von uns übrig ist!“

Militärischer Kirchenbesuch

Münchner Blätter schreiben:

..Als Folge der seitens der Ultramontanen
111 der bayerischen Abgeordnetenkammer vor-
jNbrachten Querelen über den Kirchenbesuch
eim Militär ist ein Ministerialreskript zu be-
achten, das den Kirchenbesuch der Soldaten
Allerdings regelt. Weil man aber die Er-
llhrung gemacht hat, dass eine Freigabe des
°nntags behufs Kirchenbesuches von den
°'daten zum Wirthshausbesuch benützt wird,
urde die zwangsweise Führung der Abtheil-
ngen in die Kirche erforderlich. Da nun die
lchaelskirche nicht im entferntesten die Masse
Soldaten zu fassen vermag, hat das Publi-
'V® lln den Sonntagen das erbauliche Schau-
Del, die Hälfte der Mannschaft vor der Kirche
aufgestellt zu sehen."

Sergeant Rauhfuss hat die Aufsicht
er die vor der Kirche stehenden Sol-
,aten- Mit grossen Schritten umkreist er

das Häufl

ein der andächtigen Krieger:

„Also jetzt hat man nicht einmal mehr
Sonntags Ruhe vor den Karnallien. In
die Kirche muss man sie führen, damit
sie nicht während der Gottesdienstzeit in
den Wirthshäusern ihre Löhnung ver-
prassen! Saubere Gesellschaft. — Meier,
wollen Sie gleich ein frömmeres Gesicht
machen! Der Knochen hat auch nicht
einen Funken religiöses Gefühl im Leibe!
Ist das Andacht, Bierhuber, Sie Kameel?
Ich werd’ Ihnen nach den Mäderln schauen
warten Sie nur! Jetzt lacht der Kerl
auch noch! Na, Ihnen treibt man die Reli-
giosität schon noch ein! Der Herr Oberst
hats befohlen, dass jeder Mannsein stummes
Gebet verrichtet— passt auf jetzt! Wenn
es läutet, legt jeder Mann die Hand an
den Helm, zählt langsam — aber nicht
laut, Ihr Schafsköpfe — bis Sechsund-
dreissig und macht ein anständiges, reli-
giöses Gesicht dazu. Ihnen wird’s freilich
schwer fallen, Hintermüller, mit dem

Kopf! Is, -nur gut, dass der Mann im
zweiten Glied steht, dass ihn unser Herr-
gott nicht gleich sieht — sonst thät’ er
sich den ganzen militärischen Kirchen-
besuch verbitten. Der* vierte Mann soll
seinen Kartoffelbauch nicht so vorstrecken
ja freilich, Sie müssen sich auch noch
breit machen, Kurzbichler! Sie sind ja
wohl aus dem Wahlkreis, dessen Abgeord-
neter uns die Suppe da eingebrockt hat!
Na, freuen Sie sich morgen auPs Detail-
exerziren! Ich lass’ Sie langsamen Schritt
üben, dass Sie sich die Füsse bis aufs
Knie durchlaufen. — Ja — Himmel —
Herrschaft — Donnerwetter — Paraplui!
Was schauen da für anderthalb Schuh
Nase aus dem Glied heraus? Zum Teufel,
das ist ja der Moses Goldsteiner! Wie
kommt denn der zum Kirchenbesuch und
verschandelt mir die ganze Abtheilung?
Ja, das könnte Ihnen passen! Sich mir
| nichts dir nichts für einen Katholiken

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Register
Eduard Gabelsberger: Zeichnungen zum Text "Neu-Afrikanische Idole"
[nicht signierter Beitrag]: Neu-Afrikanische Idole
[nicht signierter Beitrag]: Militärischer Kirchenbesuch
 
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