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Nr. IS

t

1896

JUGEND *

er dachte nun an lustige Abende, aber wo waren die alle, die
sie mitgemacht! Das war auch gleich, eilig folgte er der lock-
enden Spur.

Die junge Dame öffnete plötzlich das Thor eines Hauses
und trat ein. Er that dasselbe. Und wer hätte es denn nicht
thun sollen? Den Muthigen gehört die Welt. Er gönnte es
übrigens dem andern. Warum gab er nicht besser auf sein
Kleinod acht, warum hütete er nicht? Dem geschah nur
Recht. Jawohl, da war kein Zweifel.

Die Stiege kam ihm bekannt vor, aber er sah nur sie
vor ihm, nur sie... Mit keiner Bewegung hatte die Dame
sich sein Folgen verbeten. Endlich hörte er sie bei einer
Thür klingeln. Er ging langsamer. Die Thür öffnete sich
und sie wandte sich um...

„Lassen Sie gleich offen, Fanny, der Herr kommt auch!“
„Je, der gnä’ Herr! Na ja, das schlechte Wetter....“
Fred fuhr aus seinen Träumen, es war Karla, es war
seine Wohnung! Donnerwetter! So blind und verrannt! —
Er hat trotzdem keinen üblen Geschmack, schau, den hat
er nicht und er hat eine entzückende Frau. Schweigend legten
beide ihre Sachen im Zimmer ab. Oh Fred tobte im Innern

fürchterlich und er nannte sich. Er hat sich ja selbst

den Schaden gegönnt. Wie wenn jetzt ein anderer, dieses
Kleinod, das ja ihm... Und sie, wenn sie_Es presste et-

was sein Herz.

„Du Karla, aber ich glaubte ...“

„Ja, und ich meinte, Du wärst im Club?!“

„Hm. Und ich, Du wärst bei der Kathi....“

„Hm.“ — Und sie zupfte an den Handschuhen und sah
ihn mit den grossen Augen an.

„Karla, Du bist aber schon reizend ...“

„Ja, Du bist mir ja auch eine halbe Stunde nachgelaufen...“
„Karla!“ - Es ist der altejubel aus der Tiefe des Herzens. -
Die Tropfen schlagen noch immer an die Fenster und ein
lustiges Feuer beginnt im Kamin empor zu lecken. Fred hält
Karla bei der Hand und er weiss nur vorläufig das eine, an
einem Regentag darf sie nicht mehr ohne ihn fort. Es könnten
mehr einen guten Geschmack haben....

GUSTAV GUGITZ.

Als vor dem letzten Schöpfungstag
Das fertige Werk vor dem Herrgott lag,

Und er sah das Land und das blaue Neer
Und oben der Sonnen kreisendes Peer
Und unten der Blumen duftige Zier,

Und das taufendgestaltige, bunte Gethier,

Das die welle, die Luft uud die (Erde trug —

War s dem Schöpfer noch immer nid}t schön genug.
(Er nahm seine ganze, unendliche irtadjt
3n Lins zusammen — in Göttcrpracht
Ließ er des Menschen Gestalt ersteh',, —

Die war schöner als alles Andre zu seh'n.

Gott setzte sie ohne Fell „ud Vließ
Und Schuppen und Federn in's Paradies
Und ohne Posen nnd ohne Mieder —

Die leuchtende Pracht der weißen Glieder
Sdjiett „„verhüllt durch (Edens Paine,

In reiner Schönheit, in schöner Reine.

Und als er dies Werk z» (Ende gethau,

Sah Gott der perr seine Arbeit an
Und lächelnd sprach er mit hohem Muth:
„wahrhaftigI Was ich erschuf, ist gutl"

Und die (Englein rief er vom pimmelszelt
Und zeigte ihnen die junge Welt.

Sie sahen darein mit klugem Blick
Und lobten des Meisters Schöpfergeschick
Und sie sahen die nackenden Menschen dorten,
Doch Reiner von ihnen ist schamrotst geworden:
Grad so, wie er war, so ganz ohne — ohne,
Schien ihnen der Mensch der Schöpfung Krone,
Sie guckten mit lachenden Augen drein,.

Denn ihnen, den Reine», war Alles rein!

Du lieber Gott! Wie die Welt jtd; drehtI
Wie der Sinn sich ändert, die Zeit vergeht!

Don (Eden sind wir nun weit entfernt,

Der Mensch hat die Sünde kennen gelernt,

Und vielfach über sie uachgedacht
Und sich daraus ein System gemacht,

Das ihm Alles vergiftet und Alles vergällt,

Und Alles verwirrt hat in Leben und Welt,

Den Blick ihm getrübt und den Sinn verkehrt,

Und des Schöpfers herrlichstes Werk entehrt.

Da gibt's nun besondere Spezialisten —

(Es gibt sie bei Inden, Türken und Thristen —,

Die sehen auf (Erden kein Ding mehr rein,

Fällt ihnen sofort was Sündhaftes ein,

Und überall wittern sie Krankheit und Gift,

Ihr Blick macht schmutzig, was er trifft,

Der (Quell wird trübe, daraus sie getrunken,

Sie wähnen fid; tief schon und tiefst versunken
I», Sündenpsuhl und in pöllenslamme»,

Sie jammern und winseln und schaudern znsammen
Und säsimpfen und toben und schreien und wettern
Rack) der Polizei und nach Feigenblättern,

Wenn ihnen lebendig entgegenquillt
Der Jugend unverhülltes Bild,

In sieghafter Schönheit, hold und gesund
Mit lackenden Augen und rothem Mund! —
perr, geh' mit dem Volk nicht in's Gericht!

Die armen Kranken, sie wissen es nicht,

Daß man an der Nacktheit von Weib und Mann
And) bessere Freude haben kann,

Als die traurigen Kerle sie selber fühlten,

Die mit Behagen im Schlamme wühlten,
wenn's nur der perr Nachbar nicht wissen möcht'.
Sie suchen im Nackten das nackte Geschlecht
Und denken, es denke sich Jeder dann,
was sie fid; denke», schauen sie's an.

In Wahrheit madft's ihnen großes Vergnügen,

Doch heißt sie ihr Handwerk auch hier wieder lügen.
Nur zwischen den Fingern durch schielen sie hin

Und während sie zetern, schmunzelt ihr Sinn.-

Für diese vermaledeite Rotte

ward freilich damals vom lieben Gotte

Die Krone der Schöpfung nicht aufgebaut,

Die die (Engel bewundert und angeschant.
was thut's!

Drum bleibt doch die Schönheit guten Muths,

Blüht weiter, so frei, wie die Rosen blüh'»,

Strahlt weiter, so hell, wie die Sterne glüh'»

Und sieht in erhabener göttlicher Ruh'

Den borstigen, schmatzenden Feinden zu,

Sie weiß: „den Reinen ist Alles rein" —

Den Leutchen da drunten mag's anders fein I"

o.

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O. [Ostini]: Den Reinen ist alles rein
 
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