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JUGEND

Nr. 22

Der Teufel war eines Tages sehr guter
Laune; das kam daher, dass die
Kohlen sehr billig geworden waren, und
er in Folge dessen seinen Bedarf für das
ganze folgende Jahr zu überaus niedrigen
Preisen eingekauft hatte. In seiner ver-
gnügten Stimmung beschloss er, sich einen
lustigen Tag zu machen; er sagte daher zu
seiner Grossmutter, er habe einen kleinen Aus
flug vor, sie brauchte mit dem Mittag- und Abend-
essen nicht auf ihn zu warten; dann steckte
er den Hausschlüssel zu sich und fuhr durch die
Krateröffnung des Vesuv seelenvergnügt auf die
Oberfläche der Erde hinaus.

Weil es ihn aber schon oft geärgert hatte, dass
die Deutschen von einem „armen Teufel“ oder
einem „dummen Teufel“ reden, so beschloss er,
sich nach Deutschland zu wenden, und dort irgend einen
recht hinterlistigen Streich auszuüben. Er flog also über die
Alpen, und als er mitten über Deutschland war, Hess er sich in
Dingsda, einem mittelgrossen und wohlhabenden Städtchen nieder,
und überlegte nun, was er thun sollte. Er war sehr elegant nach
der neuesten Mode gekleidet, trug einen rabenschwarzen, funkel-
nagelneuen Hut, papageigrüne Handschuhe, karrirte Hosen, ein
zierliches Spazierstöckchen und sah aus wie ein Baron.

Das war es nun gerade, was ihn in ein Abenteuer verwickelte,
wie er es sich gewünscht hatte. Denn vor einigen Tagen war von
einem Gauner in der Hauptstadt des Landes ein arger Betrug ver-
übt worden, und diesen Gauner suchte man; er war ebenfalls ein
feingekleideter Herr mit Cylinder, papageigrünen Handschuhen,
karrirter Hose und Spazierstock gewesen, und so stand er in dem
Steckbrief beschrieben, der an sämmtliche Polizeibehörden des
Landes ergangen war.

Wie der Teufel also gemächlich durch die Strassen von Dings
da spazierte, bemerkte ein Polizist seine Aehnlichkeit mit der Be-
schreibung des feinen Betrügers. Der Polizist, der den hübschen
Namen „Packan“ trug, näherte sich also dem verdächtigen Frem-
den und fragte ihn sehr höflich: „Entschuldigen Sie, mein Herr, darf
ersuchen, mir Ihren Namen zu nennen?“

Der Teufel grinste ihn so an, dass Packan förmlich erschrak, und ant-
wortete: „Ich heisse Beelzebub.“ — Packan nahm ihn darauf sofort mit festem
Griff beim Arme und sprach: „Aha, ich sehe. Sie wollen sich irrsinnig stellen,
aber das nützt Ihnen nichts. Sie sind verhaftet im Namen des Gesetzes!“

Zufällig war es gerade 12 Uhr in der Stadt Dingsda und die
Kinder kamen aus der Schule. Lärmend und lachend umgaben sie
das Paar und folgten ihm in immer stärker anschwellenden Massen,
zu denen sich Lehrlinge, Arbeiter und zahlreiche unbeschäftigte Per-
sonen gesellten.

Jetzt däuchte es dem Teufel an der Zeit zu sein, für eine kleine
Abwechslung in seinem Vergnügen zu sorgen. Er hat bekanntlich
die Macht, sich in jede beliebige Gestalt zu verwandeln und dieser
Macht bediente er sich jetzt. Anfangs glaubte der Polizist, sein
nobler Gefangener sei ihm entwischt, als statt seiner ein polnischer
Jude mit Seitenlocken und langem schmierigen Kaftan gar demüthig
neben ihm hertrottelte; er sah sich um, wo der Baron geblieben
sei, und als er nach vergeblicher Umschau wieder auf seinen Ge-
fangenen blickte, war der polnische Jude verschwunden und an seine
Stelle ein Geheimrath in prachtvoller goldgestickter Uniform ge-
treten. Packan wollte sich in grosser Bestürzung bei diesem Herrn
entschuldigen und hatte schon angefangen: „Excellenz ...“, als schon
wieder ein anderes Gesicht ihm entgegenlachte, das eines zerlump-
ten Musikanten mit entsetzlich langer kupferrother Nase. Plötzlich
fiel dieser vornüber auf seine Hände und sah nun einem
Kameel so täuschend ähnlich, dass alle Kinder vor Ent-
zücken laut aufschrieen; denn sie glaubten nicht anders,
als dass der Fremde ein geschickter Taschenspieler sein
müsste. Erst aus dem Kameel verwandelte sich der Teufel
wieder in die Gestalt zurück, worin er die
Stadt betreten hatte.

Mit seiner grossen Perrücke gar stattlich
angethan, stand der Bürgermeister von Dings-
da am Fenster seines Zimmers im Rathhause
und schaute seelenvergnügt hin-

aus; denn die Magistratssitzung
war eben zu Ende und er wollte
nach Hause gehen, wo ihn heute
sein Lieblingsessen, Hasenbraten
mit Apfelmus, erwartete. Gerade
da hörte er das lärmende Ge-
tümmel und sah die Menschen-
menge, die sich auf das
Rathhauszuwälzte.Ver-
driesslich schob ersieh
die Perrücke aufs Ohr
und brummte: „Was ist
denn da wieder für eine

Gezeichnet von Arpad Schmidliammer.
Register
August J. Mordtmann: Ein Teufelsstreich
Arpad Schmidhammer: Zeichnung zum Text "Ein Teufelsstreich"
 
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