Nr. 13
JUGEND
1897
Von Gustav Morgenstern
(Wien),
mit Illustrationen von Julius
Diez (München).
„Natürlich wieder Boutons?"
„lvas fällt Dir ei», liebe, süße Llarisse? Nicht frage»!
Me»» ich cs einmal vorhabe, Dich 5» Deinem Geburtstage z»
überrasche». Nicht frage»! Du wirst scho» sehe»."
„Aber auch kei» Lollier? Ich habe »liudestcus sechs Bril>
lautencolliers."
„Nein, auch kei» Lollier. Ucberhaupt nichts dergleichen."
„vielleicht die Braune» des Grafen Fcrdi?"
„Wenn Du willst, kannst Du sie auch so habe». Aber es ist
etwas ganz, ganz Anderes."
„Gewiß etwas verrücktes. Wieder um 5000 Gulden Veilchen."
„Aber »ei». Nicht fragen. Du wirst schon sehe» . . ."
Endlich ist der Vorabend des Geburtstages da. Und das Ge-
schenk des Grafen kam. Eie erhielt außerdem noch ei» zweites
Geschenk, aber nur von einem Bürgerlichen. Natürlich müssen
wir erst von dem gräflichen Geschenke sprechen.
Der Kammerdiener des Grafe» hatte es in einer ziemlich
großen Lade gebracht. Der Diener lächelte wie immer sehr listig.
„Der Herr Graf hätte es gern persönlich übergeben, aber unser
Rheuma läßt cs nicht zu . . . Fräulein, was sich der Graf Niki
wieder ärgern wird, »>en» er cs erfährt. . ."
„Bah!"
Natürlich: bah l Graf Niki ist der Todfeind Llariffens. Bah!
Möge er sich zu Tode ärgern! Unerhört, unerhört! Nun ja, man
kann es allenfalls begreife», wen» der alte Duval zu
Fräulein Margueritc Ganthicr sich begibt, um seinen Sohn
aus den Fängen der Lamelicndame zu befreien; deßhalb
ist cs ja ein Trauerspiel. Iväre aber der alte Duval in
die Lameliendame verliebt, und der junge Armand spräche
bei Fräulein Ganthicr vor — das wäre eine heillose Posse,
eine verrückte Posse, eine Posse zum Todtlachen. Uner-
hört, unerhört! Dieses grünschnäblige Gräflcin hatte die
Unverfrorenheit, sie zu besuchen und sie mit kühlen Worten
anszufordcrn, die Beziehungen zu seinem Papa abzu-
brechcn. Ls sei schändlich, den Schwachsinn eines Greises
auszubeuten. Sie möge doch ein Einsehen haben. Wolle
sie eine Abfertigung, so möge sie cs nur sagen. Nun?
„Was „nun"? Scheren Sic sich zum Teufel!"
„Ah? Gut, Fräulein; Sie sind starrsinnig? Wohlan, es gibt ja
Advokaten und eine Polizei und ein Gericht. Wir wollten davon
Unigang nehmen, denn wir müssen wegen Mama jeden Affront
vermeiden. Mama ist krank. . ."
„Was geht mich Euer Spital an? Frechheit! Mir zu drohen!"
Sie ließ ihn mitten in, Salon stehen und fuhr in den Prater.
Jetzt soll sich diese ncnnzackige Bagage nur ärgern ....
Das Geschenk des Grafen bestand in einer mäßig großen Stch-
uhr. Auf deni Boden der Riste lag das Authenticitäts-Dokument,
aus dem hervorging, daß die vom Meister Lhristoforo Nicoladoni
verfertigte und mit Bildern des Meisters Antoine Watteau geschmückte
Uhr von Ludwig XV., König von Frankreich und Navarra, einem
Ahnherrn des Grafen, außerordentlichem Bevollmächtigten am Hofe
des allerkatholischsten Königs „zur Belohnung unvergänglicher Dienste
und als Zeichen unwandelbarer königlichen Gunst" geschenkt worden
war. Welcher Art die „unvergänglichen Dienste" waren, darüber
schwieg das Document. Hatte der gräfliche Ahnherr etwa eine
schöne Fanfare componirt? (vder hatte er sich auf der Hochwilö-
jagd hcrvorgethan?. Gder hatte er bei Abfassung eines Staats-
vertrages intervcnirt? Bder Hatto er gar die Gunst einer Dame
errungen, die dem königlichen Herzen ganz nahe stand? — man'
durfte das Line wie das Andere vcrmuthcn. Aber das intercssirte
Fräulein Llarisse nicht. Ihr war nur das Line klar, daß sie in
den nnattfechtbarcu Besitz eines kostbare» Erbstückes der gräflichen
Familie gelangt war, und daß sich Graf Niki darob ganz entsetzlich
ärgern werde. Mag er sich ärgern! Mag sich die ganze Ivclt
ärgern! Sie ärgert sich auch! wegen jenes Geschenkes von dctu
Bürgerlichen. Wir werden schon davon sprechen.
Fräulein Llarisse geht erregt auf und ab. Manchmal wirft
sie einen Blick auf die Uhr, die auf einem Marmortisch steht,
lieber dem Tisch steht die elegante Stehlampe, deren Licht durch
den rosaseidenen Schirni gemildert wird, vom Garten wehen die
weichen Lüfte des Sommcrabcnds auf die Veranda herauf. Das
Fräulein schreitet hastigen Schrittes über die Stufen in den Garten
hinab. Dort spaziert sie einigemal rasch durch die Alleen. Dann
steigt sie wieder ans die Veranda und wendet sich zur Uhr.
Die Uhr stellte einen geräumigen Burghof vor mit zierlichen
Schanzen, Wassergräben und Brücken, zart gearbeiteten Thllrmen
und Zinnen. Alles ans purem Golde. Auf der Außenseite der
Thürme befanden sich Porzellan-Medaillons auf denen die reizendsten
Rococo-Figürchen gemalt waren: Schalkhafte Damen mit feinen
Wespentaillen und neckischen Kinngrübchc», lächelnde Schäferinnen
und sehr verliebte Schäfer ■— alle sich neigend und beugend, voll
Zierlichkeit und Anstand.
Ans dem höchsten Thurni war das Zifferblatt angebracht. Die
Uhr war auf (2 Uhr stehen geblieben. Fräulein Llarisse zog
die Uhr nach der gleichfalls beigelcgte» Instruktion mit dem goldenen
Schlüffelchen auf. Die Uhr begann ihren Lauf. Lin melodisches,
silbernes Ticktack erklang.
210
JUGEND
1897
Von Gustav Morgenstern
(Wien),
mit Illustrationen von Julius
Diez (München).
„Natürlich wieder Boutons?"
„lvas fällt Dir ei», liebe, süße Llarisse? Nicht frage»!
Me»» ich cs einmal vorhabe, Dich 5» Deinem Geburtstage z»
überrasche». Nicht frage»! Du wirst scho» sehe»."
„Aber auch kei» Lollier? Ich habe »liudestcus sechs Bril>
lautencolliers."
„Nein, auch kei» Lollier. Ucberhaupt nichts dergleichen."
„vielleicht die Braune» des Grafen Fcrdi?"
„Wenn Du willst, kannst Du sie auch so habe». Aber es ist
etwas ganz, ganz Anderes."
„Gewiß etwas verrücktes. Wieder um 5000 Gulden Veilchen."
„Aber »ei». Nicht fragen. Du wirst schon sehe» . . ."
Endlich ist der Vorabend des Geburtstages da. Und das Ge-
schenk des Grafen kam. Eie erhielt außerdem noch ei» zweites
Geschenk, aber nur von einem Bürgerlichen. Natürlich müssen
wir erst von dem gräflichen Geschenke sprechen.
Der Kammerdiener des Grafe» hatte es in einer ziemlich
großen Lade gebracht. Der Diener lächelte wie immer sehr listig.
„Der Herr Graf hätte es gern persönlich übergeben, aber unser
Rheuma läßt cs nicht zu . . . Fräulein, was sich der Graf Niki
wieder ärgern wird, »>en» er cs erfährt. . ."
„Bah!"
Natürlich: bah l Graf Niki ist der Todfeind Llariffens. Bah!
Möge er sich zu Tode ärgern! Unerhört, unerhört! Nun ja, man
kann es allenfalls begreife», wen» der alte Duval zu
Fräulein Margueritc Ganthicr sich begibt, um seinen Sohn
aus den Fängen der Lamelicndame zu befreien; deßhalb
ist cs ja ein Trauerspiel. Iväre aber der alte Duval in
die Lameliendame verliebt, und der junge Armand spräche
bei Fräulein Ganthicr vor — das wäre eine heillose Posse,
eine verrückte Posse, eine Posse zum Todtlachen. Uner-
hört, unerhört! Dieses grünschnäblige Gräflcin hatte die
Unverfrorenheit, sie zu besuchen und sie mit kühlen Worten
anszufordcrn, die Beziehungen zu seinem Papa abzu-
brechcn. Ls sei schändlich, den Schwachsinn eines Greises
auszubeuten. Sie möge doch ein Einsehen haben. Wolle
sie eine Abfertigung, so möge sie cs nur sagen. Nun?
„Was „nun"? Scheren Sic sich zum Teufel!"
„Ah? Gut, Fräulein; Sie sind starrsinnig? Wohlan, es gibt ja
Advokaten und eine Polizei und ein Gericht. Wir wollten davon
Unigang nehmen, denn wir müssen wegen Mama jeden Affront
vermeiden. Mama ist krank. . ."
„Was geht mich Euer Spital an? Frechheit! Mir zu drohen!"
Sie ließ ihn mitten in, Salon stehen und fuhr in den Prater.
Jetzt soll sich diese ncnnzackige Bagage nur ärgern ....
Das Geschenk des Grafen bestand in einer mäßig großen Stch-
uhr. Auf deni Boden der Riste lag das Authenticitäts-Dokument,
aus dem hervorging, daß die vom Meister Lhristoforo Nicoladoni
verfertigte und mit Bildern des Meisters Antoine Watteau geschmückte
Uhr von Ludwig XV., König von Frankreich und Navarra, einem
Ahnherrn des Grafen, außerordentlichem Bevollmächtigten am Hofe
des allerkatholischsten Königs „zur Belohnung unvergänglicher Dienste
und als Zeichen unwandelbarer königlichen Gunst" geschenkt worden
war. Welcher Art die „unvergänglichen Dienste" waren, darüber
schwieg das Document. Hatte der gräfliche Ahnherr etwa eine
schöne Fanfare componirt? (vder hatte er sich auf der Hochwilö-
jagd hcrvorgethan?. Gder hatte er bei Abfassung eines Staats-
vertrages intervcnirt? Bder Hatto er gar die Gunst einer Dame
errungen, die dem königlichen Herzen ganz nahe stand? — man'
durfte das Line wie das Andere vcrmuthcn. Aber das intercssirte
Fräulein Llarisse nicht. Ihr war nur das Line klar, daß sie in
den nnattfechtbarcu Besitz eines kostbare» Erbstückes der gräflichen
Familie gelangt war, und daß sich Graf Niki darob ganz entsetzlich
ärgern werde. Mag er sich ärgern! Mag sich die ganze Ivclt
ärgern! Sie ärgert sich auch! wegen jenes Geschenkes von dctu
Bürgerlichen. Wir werden schon davon sprechen.
Fräulein Llarisse geht erregt auf und ab. Manchmal wirft
sie einen Blick auf die Uhr, die auf einem Marmortisch steht,
lieber dem Tisch steht die elegante Stehlampe, deren Licht durch
den rosaseidenen Schirni gemildert wird, vom Garten wehen die
weichen Lüfte des Sommcrabcnds auf die Veranda herauf. Das
Fräulein schreitet hastigen Schrittes über die Stufen in den Garten
hinab. Dort spaziert sie einigemal rasch durch die Alleen. Dann
steigt sie wieder ans die Veranda und wendet sich zur Uhr.
Die Uhr stellte einen geräumigen Burghof vor mit zierlichen
Schanzen, Wassergräben und Brücken, zart gearbeiteten Thllrmen
und Zinnen. Alles ans purem Golde. Auf der Außenseite der
Thürme befanden sich Porzellan-Medaillons auf denen die reizendsten
Rococo-Figürchen gemalt waren: Schalkhafte Damen mit feinen
Wespentaillen und neckischen Kinngrübchc», lächelnde Schäferinnen
und sehr verliebte Schäfer ■— alle sich neigend und beugend, voll
Zierlichkeit und Anstand.
Ans dem höchsten Thurni war das Zifferblatt angebracht. Die
Uhr war auf (2 Uhr stehen geblieben. Fräulein Llarisse zog
die Uhr nach der gleichfalls beigelcgte» Instruktion mit dem goldenen
Schlüffelchen auf. Die Uhr begann ihren Lauf. Lin melodisches,
silbernes Ticktack erklang.
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