Nr. 21
1897
• JUGEND °
KateAismus der Nalmi
Mm Nachstehenden sollen denjenigen, die sich der
<^5 Malerei zum Erwerb des Brodes widmen
wollen, Winke und Rathschläge von fachmänni-
scher Seite gegeben tverden, die sich in keinem der
bestehenden Leitfaden nnd sogenannten — aber
ganz werthlosen — Unterrichtsbüchern der Malerei
vorfinden. Bei einigem Talent und Fleiß wird
der Anfänger, der sich an die hier ausgesprochenen
Regeln hält, alsbald von seinen eigenen Fort-
schritten überrascht sein.
Kas Atelier
Das Atelier des Malers (ital. „stadiu") muß
geräumig sein, da dieser bei seiner Arbeit häufig
zurücktreten muß. Auch soll Vorsorge getroffen
werden, daß Kunsthändler und Privatkäufer ihre
Ueberkleider ablegcn können. Man gebe der Mal-
werkstätte womöglich dieRichtung gegen Norden,
da das Sonnenlicht aus anderen Weltrichtungcn
nichts taugt.
Die Ausstattung des Raumes muß dem Ge-
schmack jedes Einzelnen überlassen bleiben, doch
suche man durch Anbringung von Fächern, söge-
- Nach Original-Radirung
von M. Dasip (München).
nannten „Makartbonguets" u. dgl. dem Ganzen
einen künstlerischen Charakter zu verleihen. Auch
echte Teppiche an den Wänden machen sich gut,
und >vo die Mittel zureichen, befestige man da-
zwischen einige echte Rubensh'che oder Rem-
bran dt'schc Gemälde,bei deren Einkauf inan einen
sachverständigen Vertrauensmann zu Rathe ziehe.
Im Atelier selbst herrsche eine gewisse ge-
niale Unordnung, für die man unablässig Sorge
tragen muß.
Man lege z. B. neben ein römisches Schillert
einen gebrauchten Hemdkragen, und stecke den
Stiefelknecht in eine Base.
Ein Glas mit Goldfischen gibt jeder Künstter-
werkstütte etwas Belebendes, und sollte daher
nirgends fehlen.
Ist die Ausschmückung des Ateliers in dieser
Weise beendet, so kann man sich unverzüglich an
die Arbeit begeben. Kein anderer Künstler muß
mit seiner Zeit so Haushalten, wie der Maler,
und besonders von ihm gilt das Wort: „bis ckat,
qui cito dat.“
Bei regnerischem Wetter, nach Gelagen, bei
schwerein Kopf u. dgl., ist er ohnedies zum feiern
verurtheilt. An solchen Tagen statte man Besuche
bei Personen ab, von denen man vermuthet, daß
sie sich eventuell malen lassen, oder Bilder katlfen
würden. Auch die Besuchs-Verpflichtungen gegen
Verwandte erfülle der Künstler an solchen Tagen;
die übrige Zeit verbringe er im Cafehanse, wo
ihm Gelegenheit zu Beobachtungen und Stu-
dien reichtich geboten ist.
Bricht aber die Sonne wieder hervor, so
eile man nach Hause und nehme seine Arbeit
sofort wieder auf.
Nateriar
Das Handwerkszeug des Malers besteht
in der Hauptsache aus: Pinseln, Lein-
wand, Farben, Photographischer Appa-
rat und Ztveirad.
Dieselben sind in jedem größeren Ge-
schäft vorräthig.
Man gebraucht zum Malen mit großer
Vorliebe O el, aber auch andere Belcnchtungs-
stofse, z. B. Petroleum, Benzin u. s. w.
Außerdem halte man in einem gut ver-
schlossenen Fläschchen Firniß vorräthig.
Durch diesen bekommen oft ganz unbedeu-
tende Bilder ein Ansehen und verkaufen sich
ungleich leichter. Ebenso versehe man sich
mit sogenannten Trockenmitteln, durch die
frischgemalte Bilder rascher trocken werden,
als es die Käufer oft ertvarten können.
Ein besonderes Augenmerk richte man
auf die Farben selbst. Es ist gewiß nicht
nöthig, daß man alle Töne besitzt, die in
der Natur Vorkommen, da sich die meisten
durch das sogenannte „Mischen" künstlich
Herstellen lassen, so z. B. die Fleischfarbe.
Unentbehrlich sind dagegen besonders für
Landschaften verschiedene Blau, um, wie es
Die „Frau"
im türkischen Sprüdnuott
Ehe Du ein Mädchen bewachst, halte lieber
eine glühende Kohle.
Besser einen kahlköpfigen Mann zum Freunde
nehmen als ein goldenköpfiges Weib zur Frau.
Nach der lhochzeit tanzt der Stock.
Der Mann sagt „neunzehn", das Weib
„eins weniger als zwanzig".
wegen eines Flohs versengt eine Frau die
ganze Decke. Hugo Grothe.
Heues von HereuWmus
Eines TageS sitzt Serenissimus in seinem
Arbeitskabinet und regiert sehr heftig. Er nnter-
bricht sich plötzlich und fragt über die Schulter
seinen Adjutanten:
„Hm — mä — sagen Sie, mein lieber Kinder-
mann: welches — äh — Datum haben wir
heute?"
„Den siebzehnten, Durchlaucht."
„Den siebzehnten — hm — danke Ihnen,
lieber Kindermann, danke Ihnen. Und,
nicht wahr: hm: hujus?"
&
Epigramme
Aesthetiker
Warum doch zu ergründen suchen
Das Zeugen immer die — Eunuchen ?
©C
Moderne Dramen
Fand einst ein Stück man schlecht.
So pfiff man’s ehrlich aus;
Doch heut fällt durch so manches Stück
Bei riesigstem Applaus. —
©L
Weltlenz
Ueber der rasenden Meinungen Streit
Aergere sich wer will.
Ein jeder Lenz begann noch stets
Mit dem — April!
Wilhelm Weigand.
338
1897
• JUGEND °
KateAismus der Nalmi
Mm Nachstehenden sollen denjenigen, die sich der
<^5 Malerei zum Erwerb des Brodes widmen
wollen, Winke und Rathschläge von fachmänni-
scher Seite gegeben tverden, die sich in keinem der
bestehenden Leitfaden nnd sogenannten — aber
ganz werthlosen — Unterrichtsbüchern der Malerei
vorfinden. Bei einigem Talent und Fleiß wird
der Anfänger, der sich an die hier ausgesprochenen
Regeln hält, alsbald von seinen eigenen Fort-
schritten überrascht sein.
Kas Atelier
Das Atelier des Malers (ital. „stadiu") muß
geräumig sein, da dieser bei seiner Arbeit häufig
zurücktreten muß. Auch soll Vorsorge getroffen
werden, daß Kunsthändler und Privatkäufer ihre
Ueberkleider ablegcn können. Man gebe der Mal-
werkstätte womöglich dieRichtung gegen Norden,
da das Sonnenlicht aus anderen Weltrichtungcn
nichts taugt.
Die Ausstattung des Raumes muß dem Ge-
schmack jedes Einzelnen überlassen bleiben, doch
suche man durch Anbringung von Fächern, söge-
- Nach Original-Radirung
von M. Dasip (München).
nannten „Makartbonguets" u. dgl. dem Ganzen
einen künstlerischen Charakter zu verleihen. Auch
echte Teppiche an den Wänden machen sich gut,
und >vo die Mittel zureichen, befestige man da-
zwischen einige echte Rubensh'che oder Rem-
bran dt'schc Gemälde,bei deren Einkauf inan einen
sachverständigen Vertrauensmann zu Rathe ziehe.
Im Atelier selbst herrsche eine gewisse ge-
niale Unordnung, für die man unablässig Sorge
tragen muß.
Man lege z. B. neben ein römisches Schillert
einen gebrauchten Hemdkragen, und stecke den
Stiefelknecht in eine Base.
Ein Glas mit Goldfischen gibt jeder Künstter-
werkstütte etwas Belebendes, und sollte daher
nirgends fehlen.
Ist die Ausschmückung des Ateliers in dieser
Weise beendet, so kann man sich unverzüglich an
die Arbeit begeben. Kein anderer Künstler muß
mit seiner Zeit so Haushalten, wie der Maler,
und besonders von ihm gilt das Wort: „bis ckat,
qui cito dat.“
Bei regnerischem Wetter, nach Gelagen, bei
schwerein Kopf u. dgl., ist er ohnedies zum feiern
verurtheilt. An solchen Tagen statte man Besuche
bei Personen ab, von denen man vermuthet, daß
sie sich eventuell malen lassen, oder Bilder katlfen
würden. Auch die Besuchs-Verpflichtungen gegen
Verwandte erfülle der Künstler an solchen Tagen;
die übrige Zeit verbringe er im Cafehanse, wo
ihm Gelegenheit zu Beobachtungen und Stu-
dien reichtich geboten ist.
Bricht aber die Sonne wieder hervor, so
eile man nach Hause und nehme seine Arbeit
sofort wieder auf.
Nateriar
Das Handwerkszeug des Malers besteht
in der Hauptsache aus: Pinseln, Lein-
wand, Farben, Photographischer Appa-
rat und Ztveirad.
Dieselben sind in jedem größeren Ge-
schäft vorräthig.
Man gebraucht zum Malen mit großer
Vorliebe O el, aber auch andere Belcnchtungs-
stofse, z. B. Petroleum, Benzin u. s. w.
Außerdem halte man in einem gut ver-
schlossenen Fläschchen Firniß vorräthig.
Durch diesen bekommen oft ganz unbedeu-
tende Bilder ein Ansehen und verkaufen sich
ungleich leichter. Ebenso versehe man sich
mit sogenannten Trockenmitteln, durch die
frischgemalte Bilder rascher trocken werden,
als es die Käufer oft ertvarten können.
Ein besonderes Augenmerk richte man
auf die Farben selbst. Es ist gewiß nicht
nöthig, daß man alle Töne besitzt, die in
der Natur Vorkommen, da sich die meisten
durch das sogenannte „Mischen" künstlich
Herstellen lassen, so z. B. die Fleischfarbe.
Unentbehrlich sind dagegen besonders für
Landschaften verschiedene Blau, um, wie es
Die „Frau"
im türkischen Sprüdnuott
Ehe Du ein Mädchen bewachst, halte lieber
eine glühende Kohle.
Besser einen kahlköpfigen Mann zum Freunde
nehmen als ein goldenköpfiges Weib zur Frau.
Nach der lhochzeit tanzt der Stock.
Der Mann sagt „neunzehn", das Weib
„eins weniger als zwanzig".
wegen eines Flohs versengt eine Frau die
ganze Decke. Hugo Grothe.
Heues von HereuWmus
Eines TageS sitzt Serenissimus in seinem
Arbeitskabinet und regiert sehr heftig. Er nnter-
bricht sich plötzlich und fragt über die Schulter
seinen Adjutanten:
„Hm — mä — sagen Sie, mein lieber Kinder-
mann: welches — äh — Datum haben wir
heute?"
„Den siebzehnten, Durchlaucht."
„Den siebzehnten — hm — danke Ihnen,
lieber Kindermann, danke Ihnen. Und,
nicht wahr: hm: hujus?"
&
Epigramme
Aesthetiker
Warum doch zu ergründen suchen
Das Zeugen immer die — Eunuchen ?
©C
Moderne Dramen
Fand einst ein Stück man schlecht.
So pfiff man’s ehrlich aus;
Doch heut fällt durch so manches Stück
Bei riesigstem Applaus. —
©L
Weltlenz
Ueber der rasenden Meinungen Streit
Aergere sich wer will.
Ein jeder Lenz begann noch stets
Mit dem — April!
Wilhelm Weigand.
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