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Nr. 3

JUGEND

1898

der alte Abend, der Krämer auS dem Morgen-
lande, der wie ein Prophet und Seher redet
und die ganze Weisheit der Brahmanen auf dem
Buckel trägt, nichts ahnend hinwegstiefelt. Der
Alte kramt nur sein schweres Gepäck von Stim-
mungen, Gedanken und Träumen aus,, daß man
in seiner Armuth ganz verzagt wird; und sein
schönes Töchterlein mit den schwarzen schwim-
menden Mandelaugen, der Wunsch, hockt neben
ihm und guckt einen immer zum Verrucktwerden
an. Du, Narr, sollst mich das Purpurfetzleiu,
das er mir verächtlich schenkte, verwerthen lehren,
sei es als Tischtuch für unsere Mahlzeit unter
den Bäumen, als Teppich auf den Stufen eines
Königsthrones, um den die Mauern und die
Gewölbe niedergestürzt sind oder als phantast-
isches Sonnendach für uns, das unsere Gesichter
und unsere Gespräche purpurn färbt.

Dann sei Spinozas schönes Wort über uns:
Der freie Mensch denkt über nichts weniger als
den Tod. Und feine Weisheit ist nicht ein Nach-
denken über den Tod, sondern über das Leben.

So Hab ich auch an dem Fetzlein meine
Freude, eine Freude, wie Margherita sie an ihren
bunten Röcken zu haben Pflegt.

Margherita!? — Sie ttjut mir leid, das
hübsche Kind. Ich sah sie einmal in der sonnigen
Frühe bügeln. Sie schaute so übelgelaunt aus,
daß es nicht gerathen sein mochte, ihr nahe zu
kommen. Sie brannte Löcher in die besten Wäsche-
stücke und schimpfte sich immer nach einer Minute
Pause fünf Minuten lang in sich überstürzenden
Worten mit einer alten schwabbeligen Frau Basll —

Julius Havemann.

?*•

Zplittcr

wenn einer nur sein eigener Sklave ist, so
nennt er sich schon seinen eigenen Herrn.

w. Rr.

Der Dilettant

Vor den Tasten meiner Orgel sitzend,

Falt' ich träumend in demSchooß die Hände,
Schaue Farben, aus dem Dunkel blitzend,
bind beleuchtend blühende Gelände.

Auf der Staffelei, noch kaum begonnen,
Steht das Bild; die Hand sinkt kraftlos

nieder,

Und mein Herz ist gänzlich eingesponnen
In ein wunderney der schönsten Lieder.

Rasch den Stift zur Hand, sie einzufangen!
Farben, Töne, Lieder fliehn von hinnen:
Nur die Ohnmacht steht mit bleichen Wangen
Neben mir und hüllt mich in ihr Linnen .. .

Hugo Salus.

Lebensfrüchte

Wie kläglich ein Leben in Festen,

Und kein Freund ist unter den Gästen

Schön ist das Reisen und schön das

Lesen spannender Bücher;
Ist man auch müssig, so wähnt man

sich doch thätig dabei.

Das echte Glück grünt fort wie Epheu-

blätter

An grauen Trümmern und in Höllen-
wetter.

Entfloh’nesGlück, wie ich es wiederfinde?
In’s helle Auge schau’ ich einem Kinde.

Wie ich der Sorgen sicher mich ent-

schlage?

Mit scharfer Arbeit füll’ ich meine Tage.

Wann schätzen wir Genossenes am

besten ?

Beim süssen Nachgeschmack von

seinen Resten.

Das Alter macht uns weiss die Haare;
Doch sehr viel weiser? — Gott bewahre!

Georg Ebers.

Zweimal zwei sind vier

Mit grossen Geberden und grossen Worten
Treiben’s viele Leute allerorten,

Haben eine absonderliche Manier
Zu sagen: Zwei mal zwei sind vier.

Orakeln in mystischem Tempelbass:

Liebe Brüder, wenn’s regnet, wird’s nass!

Je weniger sie zu sagen haben,

Je toller geberden sich die Knaben.

Doch wie sie sich geben und wie sie beharren,
Man merkt gleich, es sind Narren.

Sind auch etliche „Dichter“ darunter,

Die treibens erst munter!

Gustav Falke.
Register
W. Kr.: Splitter
Gustav Falke: Zweimal zwei sind vier
Hugo Salus: Der Dilettant
Georg Ebers: Lebensfrüchte
Franz Christophe: Siesta
 
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