Nr. 8
1898
Der Wöne MensZ*)
ekauntlich wirkt die Häßlichkeit
Entstellend auf die Außenseit',
Doch wer sich Schönheit angeeignet,
Der wird als schöner Mensch bezeichnet.
Genauer unterscheidet man:
Die schöne Frau, den schönen Mann,
Das schöne Rind — jedoch ist dies
Meist feminini generis.
Zur Schönheit braucht man dies und das,
Insonderheit das Regelmaß
Der Zuge und es ist sä Iroc
Das Ideal der kjaubenstock,
Nach dem die schönen Menschenkinder
Gebildet sind, mehr oder minder,
was unter Hals und Ropf gelegen,
Soll uns hier weniger bewegen,
weil's Liner, der die Sünde flieht,
Doch selten ohne Hülle sicht.
Drum haben wir in diesen Spalten
Uns nur vom Ropf zu unterhalten,
Beginnend mit dem Herrn der Schöpfung
Die Galerie der „schönen Röpfung."
Der schöne Mann, wenn man so will,
Zerfällt in Lieutenant und Livil —
Doch manche Rennerin erklärt
Nur Erster» für beachtenswcrth.
Hier seht ihn an: ein jeder Zoll
Halb Ares ist er, halb Apoll!
Der Mund ist wie zum Ruß geboren
Harmonisch ragen Nas' und Ohren,
*) Tert und Abbildungen entnehmen wir den
uns gütigst zur Verfügung gestellten Aushänge-
bogen des Werkes „Der Stil, Abtheilung A: der
schöne Mensch" von Pastor Schorsch.
- JUGEND -
Der Schnurrbart strebt mit Schwung
nach oben,
Durch's Einglas wird der Blick gehoben,
Die hohe Stirne ist der Sitz
von Weisheit, Schneidigkeit und Witz,
Der Scheitel glänzt wie Seide fein —
Erst später stellt sich Haarschwund ein.
Die Jungfrau, die das Bild erschaut,
Erschrickt sofort und fühlt sich Braut
Und wenn sie das „Bewußte" hatte,
wird dieser schöne Mann ihr Gatte.
Die zweite Art von schöneni Man»
Bezeichnen wir als Gigerl dann.
Er heißt auch Stutzer oder Geck —
Die Schönheit ist sein Lebenszweck.
Er lebt von ihr, er lebt für sie,
Er pflegt sie stets, vergißt sie nie,
Den Vollbart trägt er Henri IV,
Das Haar wie unser Urgroßvater,
Und stilvoll edle Müdigkeit
Bezeichnet ihn als Rind der Zeit.
Sein Blick ist darauf eingeübt,
Daß keine Leidenschaft ihn trübt,
Er schweift nur matt in's wesenlose.
Durchgeistigt bis zur Unterhose
Ist sein Gewand von A bis 0
Und ganz besonders comrae il faut
Die Binde, die den Hals umflicht,
wie ein symbolisches Gedicht.
Im Lafthaus die hübsche Male
Erkor sich ihn zum Ideale —
Und wenn er manchmal weltentlenkt
Und wonnig in sich selbst versenkt
vergaß die Zeche abznladen,
Trägt sie mit Wollust selbst den Schaden.
Lin schöner Mann von andrer Art,
Das ist der Doktor mit dem Bart.
So imposant und mannhaft fast
wie der berühmte Graf von Traft.
An ihn wird sich kein Backfisch trauen.
Er ist nur was für reife Frauen,
Die, unverstanden in der Eh'
Aus Nerven, Herz- und Seelenweh,
Ihn um den edlen Busen bitten,
Ihr Herz dran zärtlich auszuschütten.
Sein Bart wallt bis hinab zum Magen
Und wird kohlrabenschwarz getragen,
Im Blick wohnt heiße Leidenschaft,
Die Stirne kündet Geisteskraft
Und, wie man sagte, ähnelt sie
Dem Zeuskopf von 0tricoli.
Sein Wesen ist ein dunkles 36,
Er ziert, wie Reiner den Iourflx,
, 26
Und Manche, die ihn nicht bekommen,
Ejätt’ beinah' darauf Gift genommen.
Lin schöner Mann von solcher Art
Hat meist die Heirat sich gespart —
wozu auch soll er sich bemüh»'?
Besorgen's Andre doch für ihn!
Die vierte Art von Männerschöne,
Die steht im Dienst der Melxomene,
Die sie dem stolzen Mimen gibt,
In den sich Jung und Alt verliebt
vom Blaublut bis zur 0bstlerin.
Rasirt ist Lippe, wang' und Rinn,
Er hält sich grad wie eine Latte,
Der Busen schwillt von Rraft und walle.
Die Braue dräut in düsterm Bogen,
Der Mund ist tief herabgezogen,
Als fühle er sich angee(c)kelt,
Das Saar ist beim Friseur gcscbneckelt.
Der Pelzrock zeugt von Seelenadel,
Im Schlips erstrahlt die Busennadel,
womit 'ne Fürstin ihn geschmückt,
Die er als Mortimer berückt.
Die Schönheit dieser Art von Mann
Hält meistens ziemlich lange an,
Und wenn ein Andrer längst schon weiß in
von ihm weiß Reins, daß er ein Greis ist.
Und manche Dame im Parkett,
Die ihn so jugendfrisch und nett
Als Romeo bewundert, dächt' sich
Wohl nimmer, daß er über so.-
Dem Forscher, der im Rreise sieht,
Ihm bietet sich auf dein Gebiet
Ncch manches schöne Exemplar
Des homo masculinus dar.
(Ich nenne en passant nur so:
Den Eircushelden im Trikot,
Den Geiger mit der Rünstlermähue,
Den Polen mit der wehmuthsthräne,
1898
Der Wöne MensZ*)
ekauntlich wirkt die Häßlichkeit
Entstellend auf die Außenseit',
Doch wer sich Schönheit angeeignet,
Der wird als schöner Mensch bezeichnet.
Genauer unterscheidet man:
Die schöne Frau, den schönen Mann,
Das schöne Rind — jedoch ist dies
Meist feminini generis.
Zur Schönheit braucht man dies und das,
Insonderheit das Regelmaß
Der Zuge und es ist sä Iroc
Das Ideal der kjaubenstock,
Nach dem die schönen Menschenkinder
Gebildet sind, mehr oder minder,
was unter Hals und Ropf gelegen,
Soll uns hier weniger bewegen,
weil's Liner, der die Sünde flieht,
Doch selten ohne Hülle sicht.
Drum haben wir in diesen Spalten
Uns nur vom Ropf zu unterhalten,
Beginnend mit dem Herrn der Schöpfung
Die Galerie der „schönen Röpfung."
Der schöne Mann, wenn man so will,
Zerfällt in Lieutenant und Livil —
Doch manche Rennerin erklärt
Nur Erster» für beachtenswcrth.
Hier seht ihn an: ein jeder Zoll
Halb Ares ist er, halb Apoll!
Der Mund ist wie zum Ruß geboren
Harmonisch ragen Nas' und Ohren,
*) Tert und Abbildungen entnehmen wir den
uns gütigst zur Verfügung gestellten Aushänge-
bogen des Werkes „Der Stil, Abtheilung A: der
schöne Mensch" von Pastor Schorsch.
- JUGEND -
Der Schnurrbart strebt mit Schwung
nach oben,
Durch's Einglas wird der Blick gehoben,
Die hohe Stirne ist der Sitz
von Weisheit, Schneidigkeit und Witz,
Der Scheitel glänzt wie Seide fein —
Erst später stellt sich Haarschwund ein.
Die Jungfrau, die das Bild erschaut,
Erschrickt sofort und fühlt sich Braut
Und wenn sie das „Bewußte" hatte,
wird dieser schöne Mann ihr Gatte.
Die zweite Art von schöneni Man»
Bezeichnen wir als Gigerl dann.
Er heißt auch Stutzer oder Geck —
Die Schönheit ist sein Lebenszweck.
Er lebt von ihr, er lebt für sie,
Er pflegt sie stets, vergißt sie nie,
Den Vollbart trägt er Henri IV,
Das Haar wie unser Urgroßvater,
Und stilvoll edle Müdigkeit
Bezeichnet ihn als Rind der Zeit.
Sein Blick ist darauf eingeübt,
Daß keine Leidenschaft ihn trübt,
Er schweift nur matt in's wesenlose.
Durchgeistigt bis zur Unterhose
Ist sein Gewand von A bis 0
Und ganz besonders comrae il faut
Die Binde, die den Hals umflicht,
wie ein symbolisches Gedicht.
Im Lafthaus die hübsche Male
Erkor sich ihn zum Ideale —
Und wenn er manchmal weltentlenkt
Und wonnig in sich selbst versenkt
vergaß die Zeche abznladen,
Trägt sie mit Wollust selbst den Schaden.
Lin schöner Mann von andrer Art,
Das ist der Doktor mit dem Bart.
So imposant und mannhaft fast
wie der berühmte Graf von Traft.
An ihn wird sich kein Backfisch trauen.
Er ist nur was für reife Frauen,
Die, unverstanden in der Eh'
Aus Nerven, Herz- und Seelenweh,
Ihn um den edlen Busen bitten,
Ihr Herz dran zärtlich auszuschütten.
Sein Bart wallt bis hinab zum Magen
Und wird kohlrabenschwarz getragen,
Im Blick wohnt heiße Leidenschaft,
Die Stirne kündet Geisteskraft
Und, wie man sagte, ähnelt sie
Dem Zeuskopf von 0tricoli.
Sein Wesen ist ein dunkles 36,
Er ziert, wie Reiner den Iourflx,
, 26
Und Manche, die ihn nicht bekommen,
Ejätt’ beinah' darauf Gift genommen.
Lin schöner Mann von solcher Art
Hat meist die Heirat sich gespart —
wozu auch soll er sich bemüh»'?
Besorgen's Andre doch für ihn!
Die vierte Art von Männerschöne,
Die steht im Dienst der Melxomene,
Die sie dem stolzen Mimen gibt,
In den sich Jung und Alt verliebt
vom Blaublut bis zur 0bstlerin.
Rasirt ist Lippe, wang' und Rinn,
Er hält sich grad wie eine Latte,
Der Busen schwillt von Rraft und walle.
Die Braue dräut in düsterm Bogen,
Der Mund ist tief herabgezogen,
Als fühle er sich angee(c)kelt,
Das Saar ist beim Friseur gcscbneckelt.
Der Pelzrock zeugt von Seelenadel,
Im Schlips erstrahlt die Busennadel,
womit 'ne Fürstin ihn geschmückt,
Die er als Mortimer berückt.
Die Schönheit dieser Art von Mann
Hält meistens ziemlich lange an,
Und wenn ein Andrer längst schon weiß in
von ihm weiß Reins, daß er ein Greis ist.
Und manche Dame im Parkett,
Die ihn so jugendfrisch und nett
Als Romeo bewundert, dächt' sich
Wohl nimmer, daß er über so.-
Dem Forscher, der im Rreise sieht,
Ihm bietet sich auf dein Gebiet
Ncch manches schöne Exemplar
Des homo masculinus dar.
(Ich nenne en passant nur so:
Den Eircushelden im Trikot,
Den Geiger mit der Rünstlermähue,
Den Polen mit der wehmuthsthräne,