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Nr. 12

1898

JUGEND

Kaecenas

i.

Aus meinem Dorfe in den Bergen droben
Fuhr ich in meinem Wägelchen zu Thal.

Magst Du. Hora), das Bauerndasein loben:

Leb es wie ich, es wird Dir bald zur Dual!

Das Herz voll süßer Lieder, unter Knechten
Dahinzudämmern, bin ich noch zu jung;
vielleicht zu frei — ich will mit Dir nicht rechten
von Eurer Großftadtübersättigung!

D'rum wählt' ich gestern aus den Liederrollen,
Aus meinem Schatz, was mir zumeist gefiel,

Die Verse, die auch i h m gefallen sollen;

Rom ist mein Wunsch, Maecenas ist mein Ziel,
Dies ist der Traum der Rächte und der Tage,
vor dem das Dunkel meiner Sehnsucht wich,
Daß er zu mir die stolzen Worte sage:

„Poet aus veli, Dich grüßt Rom durch mich,"

Ich bin in Rom, Marmor und Glanz und Leben!
Lin ewiges Fest, ein Rausch von Licht und Pracht!
Ich habe, ganz dem Wunder hingegeben,

Kein Aug' geschloffen diese lange Rächt;

Run wird es Tag, die heißen Lider brennen,

Die Sonne lacht, sie leuchtet Deinem Glück:

Rom kennt Dich nicht, es wird Dich aber kennen,
Und mit dem Lorbeerkranz kehrst Du zurück!

II.

Abend und dunkle Rächt, Ich fahre wieder
Auf meinem Bauernwägelchen nach Haus,
Zerknittert sind die Rollen meiner Lieder,

Mein Herz ist trüb, mein schöner Traum ist aus.
Das war die Ausgeburt der Langeweile:
„Maecenas, aller Kunst erhabner Hort!"

Ihr Gäule, zieht! Ich habe große Eile;

Rur fort von Rom, aus dieser Stickluft fort!

Ich war im Haus Maecens! Ich hielt die Rollen
An's bebende, erregte Herz gepreßt,

„Die Verse, die auch ihm gefallen sollen;"

Ja, wenn er an sein C>hr sie dringen läßt!

Da war ein Pförtner, der mich lang verhörte,
Woher ich komme, wer mein Vater wär',

- Ihr Gäule zieht, sonst spürt ihr meine Gerte! —
<vb ich ein Freier sei, was mein Begehr,

Die Rollen wies ich ihm, „Ich bin ein Dichter!
Maecenas such' ich; ihm gehört mein Sang;

Lr sei mein Freund, mein Schutz und sei mein

dichter!“

Lr lächelte und ging, ich harrte lang,

Lr kam zurück, „Maecenas läßt Dir danken;
Lr ist von gestern noch zu abgespannt.

Dies schickt er Dir," - Den Boden fühlt' ich

wanken —•

Und drückt' ein Geldstück frech in meine Hand.

Ich stürzte fort. Ich schirrte selbst die Pferde,

Ihr braven Gäule, Luch ging's heute schlecht!

Bald stampft ihr wieder Lure Heimatserde;
verschnauft Luch nur, wir kommen

schon zurecht,

Der Weg wird steil; dort hinten in der Ferne
Liegt Rom; dort wo es aus dem Rebel glüht.

Wie doch die Rachtluft kühlt! Wie hell -
die Sterne

Herniederstimmern! Ach, was bin ich müd

Hugo Salus.

Sprüche

Von Ernst Nosmer.

Heinrich Vogeler (Worpswede).

190

Das Ifeßcn kann Dich wohk erließen,
Härtet Dich oder schafft Dich weicher,
er nie macht es Dich reicher —
as ist nur der Hieße vergehen.

Du ßift manchmal! aßsonderkich kkug.
Besonders, wo Du's nicht weiht.

Dur lür Deinen eigenen Geist
Bist Du nicht kkug genug.

?L-

Ein Liebesbrief an „Fancy“

Wer bist Du, mein geliebtes Kind? Wie
heisst Du? Wo weilst Du?

Soll ich Dich mit Namen aus dem hohen
Liede nennen, Dich, dunkeläugige Sulamith ?
Bist Du die Rose von Saron oder die Nar-
cisse im Thal?

Soll ich den linken Arm um Deinen
Nacken schlingen und Dir mit der Rechten
die Wange streicheln?

Soll ich Lieder schöpfen aus Deinen
Blicken? Soll ich singen von der Farbe
Deines Haares?

Werde ich Dich heute sehen? Werde
ich Dich morgen sehen — oder wann sonst?
Werde ich Dich nach meinem Tode schauen
zum ersten Male?

Bist Du der Ruhm? Oder die Tugend?
Oder die Sünde? Oder der Genius? Bist
Du die Unsterblichkeit? Die Ruhe? Die
Geschichte? Die Zukunft? Ein Engel? Ein
Dämon, oder ein Schreckgesicht ? Prophetin,
Vestalin, Seherin, Sybille, Egeria oder Raffaels
Schwester? Werbist Du? Wo wohnst Du?

Soll ich Dich in den Wolken suchen,
oder in den Gassen einer Stadt?

Soll ich die Schildwachen am Thorc fra-
gen : ,Habt ihr gesehen, was meine Seele liebt?“
Soll ich ein Zaul erwort ersinnen, das
Dich herabschweben lässt zu mir? Oder soll
ich Dich heraufbeschwören aus der Tiefe?

Wohnst Du auf einem Sterne, der Staub
ist, wie die Erde? Und dreht und wirbelt
dieser Stern wie der Meinige, der weder
Oben noch Unten hat?

Kannst Du die Sonne sehen, Fancy?
Oder, Fancy, bist Du die Sonne selbst?
Bist Du der Mittelpunkt der Erde, der
Alles anzieht?

Dann aber, Fancy, dann ist jeder Regen-
tropfen, der zu Boden fällt, eine Botschaft
an Dich; dann ist jeder Blitzstrahl, der
niederfährt, ein Liebesbrief für Dich!

Ja, ja, ich werde diesen Brief hin-
werfen auf die Strasse, und der Vorüber-
gehende wird glauben, Nutzen daraus
ziehen zu können, indem er ihn verkauft
— eine Kupfermünze pro Seile — aber er
wird sich irren . . . Der Blitz wird's
nicht erlauben ... — Schreibe mir, ob
der Brief angekommen ist! Und schicke
mir eine Haarlocke, Fancy... wenn Du
Haare Inst, wie die Anderen... aber
das hoffe ich nicht I Multatuli.
Index
Heinrich Vogeler: Zierleiste
Multatuli: Liebesbrief an Fancy
Hugo Salus: Maecenas
Ernst Rosmer: Sprüche
 
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