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Nr. 19

JUGEND

1898

^yW'S PAS ALTE Li EP. fyW\S^W\S

W. Caspari (München).

Kietzschttngen zur Warnung

Willst Du frei durA's Leven geg'n,
Kling Dein Kcrz an nirgcndwen;
Jest auf Dig allein gestellt.

Nimmst Du lachend Dir die Welt.
Möer wisse, Kerr und Keld:

KelZr alleine wirst Du sein,

Ganz allein mit Dir allein,

Und vist Du nur einmal klein,
Wirst Du gleich ein Garnichts sein.

Otto Julius Bierbauin.

Der Traum des Aegypters

E« war einst im Aegyptcrland
Ein Mann von wilder Gier entbrannt
Nach Ruhm, nach Ruhm, nach Dauer-Ruhm.
Und in des Gottes Heiligthum
Streckt er sich bäuchlings hin und fleht:
„Osiris, höre mein Gebet —

Der Nachwelt laß bewahrt mich sein
Nicht nur vcrschrumpft im Mumienschrcin —
Nein, mit des Namens Fortbestand,

In aller Welt genannt, bekannt!"

„Ruhm! Ruhm!" so schnarcht' er, wenn

er schlief,

Das war im Traum sein Leitmotiv.

Und wie er einst im Schlummer lag
2ln einem schwülen Nachmittag,

Erschien ein Rcrl mir Sturmgebraus,

Der sah ganz unägyptisch aus.

Die Hahnenfeder auf dem Hut,

Ein rother Mantel — kurz und gut:
Beiläufig wie der Freund des Faust,

So kam der Rerl herangebrauft

Und sprach: „Du thust mir wirklich leid,

Du sehnst Dich nach Unsterblichkeit,

Und die verschafft Dir, armer wicht,
Osiris nicht und Isis nicht.

Ich aber, ich verschaff' sic Dir
Ganz mühelos — avec plaisir.

Vernimm': wenn dieser Traum zerrann,
Und Dir sich löst des Schlafes Bann,

Und wenn der heiße Tag verglüht,

Und rings der Sterncnzauber sprüht,
Sollst Du zur Tcmpelstraße gch'n,
wo still die Ricsenbilder steh'n.

Dort an der Tempelstraße links
Harrt Deiner bei der dritten Sphl'np
Ein Mädchen, welches Dir verleiht,
Nimmst Du's zum Weib, Unsterblichkeit.
Durch sic gehst Du zur Nachwelt ein
Nicht nur vcrschrumpft im Mumienschrein,
Nein, mit des Namens Fortbestand,

In aller Welt genannt, bekannt!"

Da rief der Träumer: „Großer Geist,

Hab Dank, wer Du auch immer seist!"

Der Traum zerstob. Der Mann erwacht.
Herangezogen kam die Nacht.

Er stürmt hinaus. Sein Antlitz glüht,
Und rings der Sterncnzauber sprüht.

Und an der Tempclstraßc links
Erblickt er bei der dritten Sphinx
Des Nachbars Tochter hold und fein.

Sie stand, als wär' sie selbst aus Stein.
Und züchtig senkte sie den Blick.

Er rief ihr zu: „Bist Du mein Glück?
Hat Dich der Geist hichcr gesandt?

Reich' her den Ruhm — reich' her die Hand,
Laß mich umschlingen Deinen Leib
Und küffc mich und sei mein Weib!" —

Zur Antwort gab sie schlicht und klar:
„Sehr gern, mein lieber Potiphar!"

Loses Willomiher.

Gedankensplitter

Die Langeweile ist der Schlafrock derDumm-
heit, aber die Würde ist ihr Frack.

Der Weise geht in die Komödie, um über sich
selber, und der Narr, um über andere zu lachen.

Viel Elend rührt davon her- dass die Menschen
ihre Ohren lieber gebrauchen, als ihre Augen.

Es gibt zwei Arten von berühmten Leuten:
erstens solche, die berühmt sind, weil sie es
verdienen, und zweitens solche, die berühmt sind,
weil ihre Zeitgenossen es nicht besser verdienen.

Man hält das Glück so lange für blind,
bis es einen selbst anblickt. w r-mn

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Index
Werner Kropp (Kropp-Bremen): Gedankensplitter
Otto Julius Bierbaum: Nietzschlingen zur Warnung
Walter Caspari: Das alte Lied
Josef Willomitzer: Der Traum des Ägypters
 
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