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1898

JUGEND

Nr. 19

Lustige Nachrichten

Der Graf Murawjew „begrüsste“ den
Kaiser von China wegen des „weisen Ent-
schlusses“, Port Arthur und Talienwan an
Russland abzutreten, „mit aufrichtigem Ver-
gnügen.“ Das Telegramm schliesst: Von

ganzem Herzen begrüssen Wir Ew. Majestät
und wünschen Ihnen glückliche Regierung.“
Der arme Sohn des Himmels ! Geuzt wird
er auch noch!

Durch die Zeitungen ging die Nachricht,
dass ein serbischer Politiker wegen Beleidig-
ung Milans unter Anklage gestellt sei. Wo-
durch der Angeklagte die Beleidigung be-
gangen hat, ist nicht bekannt; doch steht
schon so viel fest, dass er den Beweis der
Wahrheit führen wird.

* * *

Mit tiefster ästhetischer Entrüstung, mit
überlegener Indignation wurde es kürzlich
in einem Berliner Blatte festgenagelt, dass
München „noch nicht den Sudermann’schen
„Johannes“ aufgeführt habe.“ — Noch nicht —
ich bitte, das 'gesperrt zu drucken: noch
nicht! den „Johannes!“ Noch nicht! Den
„Oedipus“ hat man natürlich schon gegeben,
aberden „Johannes“ nicht! Ja, da ist doch —
da kann man — da soll doch — da hört
doch .... Ja, gibt es denn keine Zuchthäuser
und Scharfrichter mehr in Deutschland? Wer
will denn da noch dichten? Ich bitte: den
„Jo-han-nesl“ Noch nicht! In München!
Es ist.

Forgeur.

Ein diplomatischer Empfang

Im Allgfemelnen ist es so, dass die Schafe
von den Wölfen gefressen werden. Nun kommt
es aber vor, dass der Wolf ein alter und stumpf-
zähniger Wolf ist und das Schaf ein grosser,
starkhörniger Widder, der sich gegen das Ge-
fressenwerdpn auflehnt oder, wie man auch sagt,
empört. Und dieses war in diesem Fall der
Fall. Der Widder wehrte sich ganz entschieden,
und der Wolf machte immer erneute Anstreng-
ungen, wurde aber immer wieder abgeschüttelt.

Der Löwe, der bekanntlich kein Schaf in
den Klauen eines Wolfes sehen kann, sah dem
Kampfe eine Zeitlang ebenso gelb als gross-
müthig zu. Endlich aber lief ihm vor Dross-
ln uth das Wasser im Maule zusammen und er
brüllte Folgendes : „Durch diesen Kampf werden
fortgesetzt meine Interessen bedroht. Ich kann
nicht ruhig meinen Beutezügen nachgehen, weil
ich hier auf der Lauer liegen muss. Der Widder
liegt in meiner Interessensphäre, und es kann
mir nicht gleichgiltig sein, von wem er gefressen
wird. Der Widder ist von Rechtswegen frei
und unabhängig und hat nicht nöthig, sich von
einem anderen Thiere fressen zu lassen, falls
dieses alt und 6tumpfzähnig ist. Ganz vor
Allem namentlich und besonders hauptsächlich

in erster Linie aber protestiere ich als christ-
licher Löwe gegen die Grausamkeiten des
Wolfes im Namen der Humanität.“*)

Als der Löwe so gut gebrüllt hatte, erklärte
der Wolf — ja, man kann ja nun über den
Wolf denken, wie man will; aber dass er sich
einen so prächtigen, feisten Widder einfach
entwischen lassen soll, das kann man von einem
Wolf nicht verlangen, wenigstens als Löwe nicht
— also der Wolf erklärte, was er mit dem Wid-
der abzumachen habe, das gehe den Löwen
gar nichts an, und veranlasste die inzwischen
durch das interessante Schauspiel angezogenen
anderen Thiere, wie Tiger, Panther, Leopard,
Jaguar, Bär, Fuchs etc. zu einer Intervention.
Der Tiger richtete auch alsbald an den Löwen
die folgende Ansprache:

„Ais Vertreter der hier versammelten Thiere
gehörig ermächtigt, Namens derselben einen
dringenden Appell an die Gefühle der Hu-
manität und Mässigung des Präsidenten der
Raubthiere bei den gegenwärtigen Differenzen
mit dem Wolfe zu richten, hoffe ich lebhaft,
dass neue Unterhandlungen zwischen beiden
Mächten eine Verständigung sichern werden,
die, indem sie die Erhaltung des Friedens
sichert, alle nothwendigen Bürgschaften für
die Wiederherstellung der Ordnung gewähren
wird. Die durch mich vertretenen Thiere
zweifeln nicht daran, dass der selbstlose und
rein humanitäre Charakter ihrer Vorstellun-
gen von Ew. Ehren vollkommen anerkannt
und gewürdigt werden dürfte.“

*) Auch bei den grössten Viechern ist für das betr.
Gefühl das Wort „Humanität“ üblich.

Der Löwe musste an Gesichtsrheumatismus
oder an Neuralgie leiden; denn während seiner
nun folgenden Antwort musste er immer mit
dem linken Auge dem Tiger zuzwinkern und
das Gesicht verziehen, als ob er lache. Er
erwiderte aber:

„Ich erkenne die Gefühle und den guten
Willen an, wovon die freundschaftliche Mit-
theilung der Thiere eingegeben ist, die in
der von Eurer Excellenz gehaltenen Ansprache
ausgedrückt ist. Meine Regierung theilt die
darin ausgedrückte Hoffnung, dass das Er-
gebnis der gegenwärtigen Lage die Aufrecht-
erhaltung des Friedens sein werde, welche
erreicht wird mit Hilfe der nöthigen Garan-
tien für die Wiederherstellung der Ordnung
und für die Beendigung des chronischen un-
ruhigen Zustandes, der meinen Interessen so
viel Abbruch thut und meine Ruhe bedroht
durch die natürlichen Folgen des vor meiner
Höhle unterhaltenen Kampfes und der ausser-
dem überdies ohnehin nebenbei noch dazu
ganz besonders mein Humanitätsgefühl em-
pört. Meine Regierung würdigt den humani-
tären, uninteressirten Charakter der Mittheil-
ung der Thiere und ist überzeugt, dass die
Thiere ebenso meine selbstlosen und auf-
richtigen Bemühungen, die eine Pflicht der
Humanität erfüllen, indem sie der Lage ein
Ende setzen, deren unbegrenzte Verlängerung
unerträglich wäre, zu würdigen sich bereit-
finden zu lassen zu haben sein werden.“

Dann erlaubte der Löwe den andern Thieren,
abzuziehen, und das thaten sie auch.

BRUNO.

Ein diplomatischer Empfang.

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