Nr. 22
JUGEND
1898
Wo steht denn in aller Welt geschrieben:
Die Prinzessin darf nur einen Prinzen
lieben?
wie ging' es denn allem Poetenspiel,
Wenn nicht der Prinzessin derBauer gefiel ?
Hl.
Am Morgen gold'nes Sonnenzittern,
Am Mittag dunkles Wolkengewittern.
Enttäuschter Tag! Wird den leidgelösten
Lin hellgerötheter Abend trösten?
IV.
Schweige, schweige und warte!
Warte, warte und schweige!
Der Tag geht zur Neige.
Was er vergebens erharrte,
Kann Dir aus feuchten Schwingen
Lin neuer Morgen bringen.
Warte, warte und schweiget
Schweige, schweige und warte!
V.
Ach war ich nicht so zwiefach gesponnen
Da sitzt ein Mädel, verliebt und versonnen,
Und kann in stundenlangem verträumen
Den Tag versäumen.
Aber da stellt sich ihm zur Seite
Der spöttisch blickende Seelenzweite,
Der hagere, klug' und wilde Geselle
Mit Augenhelle.
Mit scharfen Worten und scharfen Blicken,
Mit Händen, die alle Blumen knicken —
Und was verliebt,verträumt und versonnen
Zst all zerronnen.
VII.
Das weiß nun Keiner!
Nur Blumen und Licht,
Lin graues vöglein, ein arm Gedicht —
© müßt' es Liner!
Dauert es lange, dauert's ein Iährchen,
Das ungestandene Liebesmärchen?
Noch blüht es um alleZensterund Mauern -
Dauern wird es ein Nosendauern!
VIII.
Was willst Du denn? Ick wenn ich das
wüßt'!
Das kann kein weiser der Welt versteh'n!
Ich möchte, daß er mich einmal küßt —
Und sterbe, eh' ich es laß gescheh'n!
IX.
Aus der Kirche leise ©rgelklänge,
In den Wipfeln leise Windgesänge.
Hab' mich müd gefreut und müd gelitten,
Möcht' um Nuh' den Vater unser bitten.
X.
Da wir uns erst geseh'n.
Hauchte ein Sommerweh'n
Weit durch den Hag.
Sommervöglein sang
Bach und Birken entlang
Im Sonnentag.
Bis wir uns wiederseh'n,
Wird's über die Gassen schnee'n.
wohl ist es gut.
Wintervögelein sag',
Wo mein sonniger Tag
Begraben ruht
J,
Margarethe v. Brauchitsch (Halle).
360
JUGEND
1898
Wo steht denn in aller Welt geschrieben:
Die Prinzessin darf nur einen Prinzen
lieben?
wie ging' es denn allem Poetenspiel,
Wenn nicht der Prinzessin derBauer gefiel ?
Hl.
Am Morgen gold'nes Sonnenzittern,
Am Mittag dunkles Wolkengewittern.
Enttäuschter Tag! Wird den leidgelösten
Lin hellgerötheter Abend trösten?
IV.
Schweige, schweige und warte!
Warte, warte und schweige!
Der Tag geht zur Neige.
Was er vergebens erharrte,
Kann Dir aus feuchten Schwingen
Lin neuer Morgen bringen.
Warte, warte und schweiget
Schweige, schweige und warte!
V.
Ach war ich nicht so zwiefach gesponnen
Da sitzt ein Mädel, verliebt und versonnen,
Und kann in stundenlangem verträumen
Den Tag versäumen.
Aber da stellt sich ihm zur Seite
Der spöttisch blickende Seelenzweite,
Der hagere, klug' und wilde Geselle
Mit Augenhelle.
Mit scharfen Worten und scharfen Blicken,
Mit Händen, die alle Blumen knicken —
Und was verliebt,verträumt und versonnen
Zst all zerronnen.
VII.
Das weiß nun Keiner!
Nur Blumen und Licht,
Lin graues vöglein, ein arm Gedicht —
© müßt' es Liner!
Dauert es lange, dauert's ein Iährchen,
Das ungestandene Liebesmärchen?
Noch blüht es um alleZensterund Mauern -
Dauern wird es ein Nosendauern!
VIII.
Was willst Du denn? Ick wenn ich das
wüßt'!
Das kann kein weiser der Welt versteh'n!
Ich möchte, daß er mich einmal küßt —
Und sterbe, eh' ich es laß gescheh'n!
IX.
Aus der Kirche leise ©rgelklänge,
In den Wipfeln leise Windgesänge.
Hab' mich müd gefreut und müd gelitten,
Möcht' um Nuh' den Vater unser bitten.
X.
Da wir uns erst geseh'n.
Hauchte ein Sommerweh'n
Weit durch den Hag.
Sommervöglein sang
Bach und Birken entlang
Im Sonnentag.
Bis wir uns wiederseh'n,
Wird's über die Gassen schnee'n.
wohl ist es gut.
Wintervögelein sag',
Wo mein sonniger Tag
Begraben ruht
J,
Margarethe v. Brauchitsch (Halle).
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