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1898

JUGEND

4

Nr. 23

Da glimmt und flimmert’s, da gleisst es und flirrt,
Und funkelt, dass es den Sinn verwirrt;

Blitzende Schnüre, flackernde Garben;

Leuchtende Kugeln von allen Farben,

Schwebende Monde, bläulich mild,

Durchzieh’n in langen Reih’n das Bild,

Und aus den Fenstern, den lampenhellen.

Quillt strahlendes Licht in breiten Wellen
Durch spiegelnde Scheiben hinein in die Nacht!
Und hinter den Scheiben — welche Pracht!
Brillanten erglänzen von Nadeln und Ringen
Und Diademen und tausend Dingen 1
Und Silbergeräth! Und goldener Tand,

Wie geraubt aus dem schimmernden Märchenland!
Und Wundergewänder, aus Blüthen gewoben
So freudig und bunt, so leuchtend und frisch —

Und in der grauen Mansarde hier oben
Wie bitter die Armuthl — Auf dem Tisch
Ein welkender Strauss im geborstnen Pokal —

Am Sonntag geholt im Park von Saint Cloud —

Auf meinem Teller ein kärglich Mahl

Und ein Becher vom schlechtesten Wein dazu!

Friedlose Stille im engen Gemach —

Und schwül ist’s unter dem Schieferdach,

Drauf Tags die Sonne herabgeglüht — —

Und drunten Paris:

wo die Freude blüht,
Wo die Sünde in schillernder Seide geht
Und mit fiebernden Augen im Tanz sich dreht,

Wo die Schande auf schwellendem Kissen sich reckt,
Wo die Noth ihre Blossen mit Zobel deckt,

Wo in Tempeln der Lust vom hellen Krystall
Die brennenden Lippen Vergessen trinken,

Wo die Seufzer vertonen im Geigenschall,

Wo der Rausch sie betäubt bei wildem Gelng
Von der sinkenden Nacht zum erglimmenden Tag,
Als wäre dies ganze Paris ein Saal
Im Schlosse von König Sardanapal —■

Und hier oben so stumm, so trüb, so arm —
Kein Glück — kein Glöckchen, dass Gott erbarm!
Im gleichen Tick — Tack — so Tag um Tag —
Geht Nerz und Leben und Pendelschlag,

Die Tage verrinnen und stillen ihn nicht,

Den Hunger nach Leben, den Durst nach Licht!

Mein Bischen Ehre — was hilft mir dies?

Tick — tack — tick — tack — — — -
—■ — — — — — und da unten Paris I

F. v. O.

(Mit einer Zeichnung von Konrai Starke.)


& c n 3

nTomentbtlbcc von Johannes Schlaf.

QD/m HAiergarren

Run Kann man doch rvieder im Freien flhen! —

D, es ist eine Lust!

Der Himmel Klar und blau mit diesen lichtweißen,
frischen ZrühlingswolKen. Und diese fröhliche junge,
Lonne auf den frischgestrichenen Bänken, Tischen und
Stühlen des Biergartens. Sie nehmen sich aus, als wären
sie mit holländischer Sauce übergossen; aber das macht
sich gerade recht schön ;u dem frischen Grün des Rasen
und dem kräftig ausbrechenden Blattwerk der Bäume
und Büsche.

Ach, diese jungen Bäume! Und die Grocus, Auri-
kcln, Primeln, Tulpen und Hyacinthen auf den Beeten!
Und der frischgestreute saubere Kies unter den Tischen!
Und dieses Publikum bei seinem Bier, in seiner erneuten
Frühlingsmunterkeit, mit seinen festtäglichen Cigarren

Konrad Starke (Brüssel).
Register
Johannes Schlaf: Lenz
Konrad Starke: Zeichnung zum Gedicht "Und unten Paris..."
 
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