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Nr. 23

JUGEND

1898

EHE FRÜHLING

VON

HUGO SALUS

V. Pantoffel

Ich schlafe heut allein: sie ist verreist;

Sie fuhr zu meinen Eltern, die sie lieben,
Fast mehr als ihren Sohn. Ich bin verwaist,
Allein in unserm Nest zurückgeblieben.

Nun sitzen sie daheim beim Lampenlicht
Und lächeln mild zu ihren krausen Scherzen
Und lachen, wenn sie ernste Dinge spricht,
Und denken mein im froh bewegten Herzen.

Ich lösch’ das Licht und träume vor mich hin.
Ich rühre leis ihr Kissen „Schlaf in Frieden!
Ich weiss, dass ich in Deinen Träumen bin,
Und denk', auch mir wird heut ein Traum

beschieden.“

$

Das Kätzchen

von Demi Masel.

Die Borsten in die Lust gereckt, mit ge-
spitzten Dhren und gesträubtem Schwan),
ist das kleine Kätzchen mit einem schrägen
Satz bis in die Mitte des Zimmers ge-
sprungen, wo die Spielsachen der Kinder
in einem Hausen auf dem Boden liegen.
Ls hat die Kegel umgeworfen, sich ritt-
lings auf die Kugeln gesetzt, aber sich
wohl gehütet, den Zinnsoldaten zu nahe
zu kommen, die seine kleinen, rosenrothen
Tätzchen stechen könnten; dann hat es in
ungeberdigem Uebermuth das Puppen-
service aus vergoldetem Porzellan in Stücke
geschlagen und sich schließlich in tollster
Hetzjagd vergeblich nach der weißen Spitze
seines schwarzgefleckten Schwanzes im
Kreise gedreht.

Zeht amüsirt es sich eben mit einer
leichten Pappschachtel, beinahe so groß,
wie es selbst; es läßt sie von einer Tatze

Fritz Dannenberg (München).

Da klappert’s durch’s Gemach, da trippelt was!
Pantofielklappern I Flink, wie um die Wette.
Ich träume nicht, doch wie begreif ich das ?
Und trappt und klappert her zu meinem Bette.

Rasch aus dem Bett! Still wird’s beim

Schein des Lichts.
Ich suche nach, wo sich der Spuk verstecke.
Da stehn ganz still, als wüssten sie von nichts.
Die Hausschuh meiner Frau in ihrer Ecke.

Duckmäuser ihr! Habt ihr Befehl von ihr?
Zwingt euch verliebte Sehnsucht, euch zu

regen ?

Ich schaff mir Ruh! Ich nehme euch zu mir,
Ich will euch unter meinen Polster legen.

Wie ich als Kind, wenn mich ein Buch

entzückt,

Es unterm Kissen über Nacht geborgen,
Gewiss, dass mir der Traum den Helden

schickt,

Und er mir nah verbleibe bis zum Morgen...

in die andere über die parquctten volti-
giren; es hat seine winzigen, scharfen
Klauen hineingeschlagen, und auf dem
Stücken liegend, zusammengerollt wie ein
Knäuel, balancirt es sie aus seinen vier
Füßen, geschmeidig und grotesk zugleich,
als.

Als es ganz unvorhergesehen eine ver-
borgene, kleine Zeder berührt, und aus
der Pappschachtel ein entsetzlicher Teufel
springt, mit Sägespänen gefüllt, aus
schwarzen und rothen Fetzen zusammen-
gestückelt; und das Kätzchen, wahnsinnig
vor Schreck, sträubt mit gekrümmtem
Stücken seine Borsten, streckt sich aus sei-
nen vier ganz starren Beinen und zischt
mit zornigem Lntsetzen dem lächerlichen
Ungethüm ins Gesicht.

So, meine Seele, hast auch Du mit
dem sanften Herzen gespielt, das Du ohne
Ueberraschung glaubtest; lächelnd hast Du
damit getändelt, Du so behend, es so leicht;
und dann erschauertest Du, als Du un-
bedacht einen gefährlichen Sterv berüht
test, und der Dämon emporsprang, der
Dämon mit seinem wilden Haar, der rothc
Dämon, um dessentwillen Du so bittere
Thränen vergossest, und über den Du

heute lachst, wie über einen Popanz_

(Deutsch von Francis SRaro.)

Gnd nichts ward anders seit dein )\bendgang,

Pa ihre Seelen frei die Vahrheit sprachen.

Rein pand umschloss sie, und kein Chor zersprang,
Rein Sturm stand auf, und keine Riegel brachen I

Gefestigter und stolzer nur ihr fvluth,

Gnd weisser ihrer üippen feines Schwellen;

Gnd eine tiefe zarte gotdne Gluth

)\uf seines Xebens grossen dunklen Vellen.

Frida Schanz.

& '

Weniges

Die einzige Thätigkeit, die in idealer Weise
den Egoismus und den Nicht-Egoismus vereint,
ist — Schlafen.

Um uns richtig zu den Frauen zu stellen,
müssen wir ihnen gegenüber „Furcht und Mit-
leid“ empfinden.

Die Nachahmung ist das Kind des Gedankens
mit der Gedankenlosigkeit.

Wie man in den Wald ruft, so schweigt es
wieder heraus.

Wir sind noch wie die Kinder. Vom Leben
erwarten wir nichts Besonderes mehr, wohl aber
von jedem Sonntag. G s

392
Register
Hugo Salus: Ehefrühling: VI. Pantoffel
Frida Schanz: Nichts ward anders
Henri Masel: Das Kätzchen
G. S.: Weniges
Fritz Dannenberg: Zeichnung ohne Titel
Francis Maro: Das Kätzchen
 
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