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Nr. 2o

JUGEND °

1898

bliebet meiner Brust gelegen
Hut die Nacht ein dunkler Gram,

Den mir auch des schnellsten Traumes
Flügel nicht von hinnen nahm.

Macht' ich über Meere schreiten
Oder still vor Blumen stehn;

Macht' ich Meer und Land in Thränen
Oder sie in Flammen sehn,

Ob die schwingenfrohe Seele
Via jum letzten Sterne kam —

Arber meiner Brust gelegen
Hat die Nacht ein dunkler Grain;

Und wie gut es Erd' und Himmel
Mir heut Nacht im Traum gemeint —
Immer auf verborgnem Grunde
Hat ein leiser (Duell geweint. —

Mie nun kam der späte Morgen,
Stand am Himmel noch die Noth
Urber ivilde Molkemnanern
Schrie ein böses Morgenroth.

Da auf den geschtossnen Lidern
Fühlt' ich warmen, duft'gen Thau
Und in ihre weichen Arme
Dag mich die geliebte Frau.

Nnd sie lächelte beglückend,

Eh' ich nur eiu Wort gesagt;

Denn sie weiß, die Milde, Feine,
Das; ich selber mich verklagt.

Und sie will aus tiefer Liebe
Schonen meinen stolzen Sinn —
Heut' bedeck' ich Dich mit Bosen,
Herrliche, Du Königin!

Hans Rossmann (München).

Warst Du zum Flug gezeugt,

Zum mache oder Pflug? —
Der Frosch, so hoch er sprang,
Sprang doch utcht hoch genug.

s sieht teilt eine stattliche, prunkhafte Gruppe
heiterer Renaissance-Villen dort, am Aus-
gange des Schiffgrabens in Hannover, wo vor
fünfundzwanzig Jahren der gute Kilrt und ich
im Sande bauten. Damals in jenem wonnigen
Sande, dem Paradies der Kinderphantnsieen,
legten wir als fünf- und sechsjährige Bübchen
ernsthaft den Grund 311 unserer Freundschaft,
die sich seitdem mit wenigen ltnterbrcchungen
dauernd erhalten hat.

Ach, cs war ein bildschöner Junge, der gute
Kurt — damals als Kind und es ist heute sein
größter Schmerz, daß ihn seine Schönheit im
Laufe der Jahre seiner Ansicht nach böswillig
verlassen hat. Zwar finde ich, daß er für die
Ansprüche, die er als Regicrungsassessor in
dieser Hinsicht machen kann, immer noch ganz
gut aussieht, aber ich muß allerdings zngeben,
daß ihm der kahle Schädel, der ihn heutigen
Tages nach oben hin abschließt, doch weit we-
niger vorthcilhaft zu Gesichte steht, als damals
das goldene, lockige Knabcnhaar.

Er wurde sehr erzogen. Sein Vater starb,
als er vier Jahre alt war, und die junge Witt-
we vereinigte all' ihre Sorgen und Hoffnungen
auf ihn, den einzigen Sohn.

Er hatte noch eine Schwester, Tanten lebten
im Hanse, eine Erzieherin mar auch da — so
kam in sein Wesen etwas weiblich Zartes, aber
auch weiblich Nnzuverläjsiges, er ivurde kokett,
lind er ging noch einen Schritt weiter und
machte Verse.

Er machte solche Verse, wie sie in den besten
Familien Vorkommen. Aufregende Tnnzstnndcn-
Erlebnisse, wie etwa das Nichterwidern seines
Grußes seitens der zur Zeit poussirten Elsa
oder Anna, brachte er in kurze, aber ergreifende
Verslein, in denen sich nündestens zwei Worte
zuverlässig reimten. Hierdurch erfreute er das
Herz seiner Mitschüler und Freunde und strafte
jene herzlosen Koketten unter den kleinen Mäd-
chen, die sich vermaßen, mit den erwachenden

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Index
Otto Ernst: Reue
Otto Erich Hartleben: Die Novelle des guten Kurt
Hans Rossmann: Zeichnung ohne Titel
Otto Erich Hartleben: Die Novelle des guten Kurt
 
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