1898
JUGEND
Nr. 25
Die jungen Vandalen
Max Bernuth (München).
unsere Gespräche gedacht, an all' das, was
wir uns sagten, und mehr noch an das, was
wir uns verschwiegen, wir glauben ost, wir
zehren von Erinnerungen, und schließlich ver-
zehren wir uns selbst dabei I Und wenn ich
das, was mir jetzt so einfach scheint, nun ge-
than hätte! Das wäre doch gegen alle Sitte,
gegen alles Herkommen, wäre — unweiblich
gewesen! Und so benahm ich mich echt weiblich
und rannte in mein Unglück. Als wir Hochzeit
machten, weilten Sie zu Ihrer Erholung im
Süden; als wir den Süden bereisten, waren
Sie wieder nordwärts gefahren, und als wir
heimkehrtcn, waren Sie schon wieder außer
Landes. Sie sind es noch jetzt — nach drei
Jahren!
Ich thätc Georg Unrecht, (verzeihen Sie,
daß ich seinen Namen vor Ihnen nenne) wenn
ich sagte: er hätte mich getäuscht. Er hat
alles gehalten, was er versprochen und was
ich von ihm erwarten durfte. Ich, ich allein
veränderte meinen Charakter, mein ganzes
Wesen. Als Frau mehr noch denn als Mädchen
empfand ich die Mißachtung, die mir unserer
Liebe angethan. 'Lassen Sie mich über all
Das schweige»; ich will die entsetzliche Seit,
da ich einem Andern angehörte als Ihnen,
vergessen, soweit es geht.
Ich lebte wie im Traume, wie abwesend,
nichts konnte mich erfreuen, nichts betrüben.
Als Georg sich in der Praxis eine Lungen-
entzündung holte, und ich an feinem Kranken-
bette wachte, da fühlte ich Reue, daß ich
ihm nicht mehr hatte sein können. Aber er
hat mich stets für glücklich gehalten.
Nach seiner Meinung hatte ich allen
Grund gehabt, es zn sein, und Thrä-
nen traten mir in die Augen, als er
mir für Alles dankte, was ich ihm
erwiesen. Lange Seit war ich un-
glücklich und dachte an mein verfehl-
tes Leben und an den armen Todten,
der auch so wenig Freuden gefunden
hatte. Doch nun die Frühjahrswinde
wehen, da bin ich wieder jung und
hoffnnngsfreudig geworden. Ich bin
frei, ich fühle mich fähig, Glück zu
gewähren und zn empfinden, und ich
will, hören Sic, Paul, ich will, daß
wir endlich unser Glück nachholen.
Sic warten nur ans das Wort von
mir. Ich fühle es — ich weiß es
aus den wenigen Seile», die Sie mir
sandten, und die alles sagten....
woher kommt cs nur, daß ich mich
so froh, so leicht fühle! Thu' ich doch
das Unweiblichste, Unglaublichste I Ich trage
mich einem Manne an und habe dabei die
Empfindung, als ob ich noch nie in meinem
Leben etwas vernünftigeres gcthan hätte. Soll-
ten meine Begriffe jetzt, da sie entschieden ver-
kehrt sind, richtig sein? Nur kein Philosophiren
in diesen! Angenblickl
Alles ist gesagt, was zn sagen war. Doch
eins noch: Ich bin noch immer schön, Paul —
überlegen Sie genau, ob Sie es wagen sollen!
Ihre
Irma,
Ä
M,lci„e AHache«,
Zweierlei Kunstlob
Dort ist der Beifall tobend losgewittert,
— Hier hat Empfindung schweigend nachgezittert.
Weg zum Sieg
was hilft uns Sieger sein im Fechten?
— Nur mit dem Gegner in uns selbst
zu rechten!
Das Alltägliche
Das Alltägliche „Welt" zu nennen,
Heißt die Welt verkennen.
Ls aber beiseite liegen lasten,
Heißt die Welt verpassen.
Spruch
Das ist's, worum sich's dreht:
Lin Geist in willen und Gerath!
Mit voller Seel' in jedem Ton vibriren;
In keinem sich verlieren!
Lebenszahlung
wohl sind sie herb die Gaben,
Die rechtes Leben bescheert.
Doch, — recht gelebt zu haben,
Ist auch des Lebens werth!
Kränkung
Ich kränke Dich. Du wirst es nie versteh'n,
Kannst nicht im Kränker selbst den Leid-
gekränkten seh'n!
Lin Gleiches
wo wir zu segnen meinen,
Fluchten wir unverhofft.
— wo wir Beleidiger scheinen,
Sind wir die Leidenden oft!!
Aus der Schöpferwerkstatt
wort und Gedanke sind uns schnell bereit.
Gestalt harrt auf der Laune Sonntagskleid!
Emanucl Forsten.
&
Ach — 800!
„Liebste, beste Ella, Dir muss
ich Etwas eingestehen, was ich kei-
nem Menschen, der mir näher steht,
bisher anvertraute — ich kann doch
offen mit Dir reden?“ —
„Aber ich bitte Dich — Du kennst
mich doch!“
„Nun also — Du sollst es wissen I
Beurtheile mich nicht zu streng. Ich
habe lange, lange gekämpft, bis ich
mich dazu herbeiliess. Das darfst Du
mir glauben! Eine solche Leiden-
schaft in meinem Alter — das über-
legt man sich doch: Und es ist
wirklich eine heimliche Liebe ge-
worden, die mich alles Andere ver-
gessen lässt —“
„Armes Kind! Wenn Du Dir
wenigstens sagen kannst, dass es
Dir nicht leicht geworden ist —“
„Leicht? Nein, wahrhaftig nicht.
Ich habe gekämpft wie ein Held,
gekämpft mit Händen und Füssen, so-
zusagen. Aber endlich .. . .“
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JUGEND
Nr. 25
Die jungen Vandalen
Max Bernuth (München).
unsere Gespräche gedacht, an all' das, was
wir uns sagten, und mehr noch an das, was
wir uns verschwiegen, wir glauben ost, wir
zehren von Erinnerungen, und schließlich ver-
zehren wir uns selbst dabei I Und wenn ich
das, was mir jetzt so einfach scheint, nun ge-
than hätte! Das wäre doch gegen alle Sitte,
gegen alles Herkommen, wäre — unweiblich
gewesen! Und so benahm ich mich echt weiblich
und rannte in mein Unglück. Als wir Hochzeit
machten, weilten Sie zu Ihrer Erholung im
Süden; als wir den Süden bereisten, waren
Sie wieder nordwärts gefahren, und als wir
heimkehrtcn, waren Sie schon wieder außer
Landes. Sie sind es noch jetzt — nach drei
Jahren!
Ich thätc Georg Unrecht, (verzeihen Sie,
daß ich seinen Namen vor Ihnen nenne) wenn
ich sagte: er hätte mich getäuscht. Er hat
alles gehalten, was er versprochen und was
ich von ihm erwarten durfte. Ich, ich allein
veränderte meinen Charakter, mein ganzes
Wesen. Als Frau mehr noch denn als Mädchen
empfand ich die Mißachtung, die mir unserer
Liebe angethan. 'Lassen Sie mich über all
Das schweige»; ich will die entsetzliche Seit,
da ich einem Andern angehörte als Ihnen,
vergessen, soweit es geht.
Ich lebte wie im Traume, wie abwesend,
nichts konnte mich erfreuen, nichts betrüben.
Als Georg sich in der Praxis eine Lungen-
entzündung holte, und ich an feinem Kranken-
bette wachte, da fühlte ich Reue, daß ich
ihm nicht mehr hatte sein können. Aber er
hat mich stets für glücklich gehalten.
Nach seiner Meinung hatte ich allen
Grund gehabt, es zn sein, und Thrä-
nen traten mir in die Augen, als er
mir für Alles dankte, was ich ihm
erwiesen. Lange Seit war ich un-
glücklich und dachte an mein verfehl-
tes Leben und an den armen Todten,
der auch so wenig Freuden gefunden
hatte. Doch nun die Frühjahrswinde
wehen, da bin ich wieder jung und
hoffnnngsfreudig geworden. Ich bin
frei, ich fühle mich fähig, Glück zu
gewähren und zn empfinden, und ich
will, hören Sic, Paul, ich will, daß
wir endlich unser Glück nachholen.
Sic warten nur ans das Wort von
mir. Ich fühle es — ich weiß es
aus den wenigen Seile», die Sie mir
sandten, und die alles sagten....
woher kommt cs nur, daß ich mich
so froh, so leicht fühle! Thu' ich doch
das Unweiblichste, Unglaublichste I Ich trage
mich einem Manne an und habe dabei die
Empfindung, als ob ich noch nie in meinem
Leben etwas vernünftigeres gcthan hätte. Soll-
ten meine Begriffe jetzt, da sie entschieden ver-
kehrt sind, richtig sein? Nur kein Philosophiren
in diesen! Angenblickl
Alles ist gesagt, was zn sagen war. Doch
eins noch: Ich bin noch immer schön, Paul —
überlegen Sie genau, ob Sie es wagen sollen!
Ihre
Irma,
Ä
M,lci„e AHache«,
Zweierlei Kunstlob
Dort ist der Beifall tobend losgewittert,
— Hier hat Empfindung schweigend nachgezittert.
Weg zum Sieg
was hilft uns Sieger sein im Fechten?
— Nur mit dem Gegner in uns selbst
zu rechten!
Das Alltägliche
Das Alltägliche „Welt" zu nennen,
Heißt die Welt verkennen.
Ls aber beiseite liegen lasten,
Heißt die Welt verpassen.
Spruch
Das ist's, worum sich's dreht:
Lin Geist in willen und Gerath!
Mit voller Seel' in jedem Ton vibriren;
In keinem sich verlieren!
Lebenszahlung
wohl sind sie herb die Gaben,
Die rechtes Leben bescheert.
Doch, — recht gelebt zu haben,
Ist auch des Lebens werth!
Kränkung
Ich kränke Dich. Du wirst es nie versteh'n,
Kannst nicht im Kränker selbst den Leid-
gekränkten seh'n!
Lin Gleiches
wo wir zu segnen meinen,
Fluchten wir unverhofft.
— wo wir Beleidiger scheinen,
Sind wir die Leidenden oft!!
Aus der Schöpferwerkstatt
wort und Gedanke sind uns schnell bereit.
Gestalt harrt auf der Laune Sonntagskleid!
Emanucl Forsten.
&
Ach — 800!
„Liebste, beste Ella, Dir muss
ich Etwas eingestehen, was ich kei-
nem Menschen, der mir näher steht,
bisher anvertraute — ich kann doch
offen mit Dir reden?“ —
„Aber ich bitte Dich — Du kennst
mich doch!“
„Nun also — Du sollst es wissen I
Beurtheile mich nicht zu streng. Ich
habe lange, lange gekämpft, bis ich
mich dazu herbeiliess. Das darfst Du
mir glauben! Eine solche Leiden-
schaft in meinem Alter — das über-
legt man sich doch: Und es ist
wirklich eine heimliche Liebe ge-
worden, die mich alles Andere ver-
gessen lässt —“
„Armes Kind! Wenn Du Dir
wenigstens sagen kannst, dass es
Dir nicht leicht geworden ist —“
„Leicht? Nein, wahrhaftig nicht.
Ich habe gekämpft wie ein Held,
gekämpft mit Händen und Füssen, so-
zusagen. Aber endlich .. . .“
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