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Kr. 23

JUGEND

1893

An einem Förster kam er vorbei, der ihn
verwundert ansah; der wußte ja nicht,
daß hinter Einem das Nichts war. wenn
er mit der Eisenbahn führe, so würde er
noch schneller vorwärts kommen, und die
Bäume würden in das Nichts hineintan-
zen. Tanzen würden sie. Er aber lief. Und
wenn er nicht mehr konnte, so zog das
Nichts über ihn hinweg, ruhig, wie eine
Nebelwand weiterfließt.

Dann stürzte er aus den Boden, und
blieb dort liegen, das Gesicht in die Arme
gedrückt auf der Erde.

Lange lag er so.

Und als er ausstand, sah ihn Eichhörn-
chen mit glänzenden Augen an und husch-
te dann um den Baum, um oberhalb der-
selben Stelle wieder zu erscheinen. Und
ganz weit weg hämmerte ein Specht in
der Stille.

Es dachte in ihm: „die Natur ist schön,
aber sterben muß man doch." Er wun-
derte sich über die sonderbaren Worte.
Auch fiel ihm ein: .Mitten im Leben wir
vom Tod umfangen sind."

So ging er nun, mit zitternden Knieen.

Er ging durch einen feuchten Hohlweg,
wo Farnkraut überhing. Bevor er aus
dem Walde heraustrat, lag eingerahmt
durch die letzten Bäume vor ihm das Dorf
mit Bäumen und der Kirche. Zwischen
junger Saat ging er, die schon angefangen
hatte, zu schießen. Hinter ihm war das
Nichts; aber er wußte, daß es ihn nicht
verschlingen durste, sondern vor ihm Halt
machen mußte; ja, wenn er zurückging,
so mußte es auch zurückfließen.

So trat er in das Dorf, wo die Leute
die Mützen vor ihm abzogen. Er grübelte.
Za, jetzt schritt er durch das Dorf. Und
hinter ihm schluckte das Nichts Alles ein.
So ging er durch das Dorf und weiter
die staubige Landstraße hinab, zu deren
beiden Seiten gewundene Dbstbäume stan-
den. Diese Dbstbäume schluckte das Nichts,
paar für paar, während er weiter schritt.
Lautlos geschah das.

Und über die weite Erde zog er, über
der am blauen Himmel die Wolken flogen
und die Sonne schien. Bor ihm war das
blühende Leben, und Maikäfer surrten,
auch hoppte von weitem schwerfällig ein
Hase, und hinter ihm floß das Schweig-
same und Schwarze. Deßhalb nannte er
sich den Wanderer des Todes.

Er mußte aber doch lachen, als er sich
so nannte. Denn cs gab ja überhaupt
gar kein Leben, und das, was er als „das
blühende Leben" bezeichnete, war nur
Etwas, was in seinem Herzen war, und
das er zu seiner größeren Bequemlichkeit
vor sich sah, weil er sich doch nicht die
Brust aufschneiden wollte wegen einer
solchen Kleinigkeit. Es war sein eigener
Traum, in den er hineinschritt, und hinter
ihm war die Wahrheit. Deßhalb war er
ja auch einsam, und das Herz that ihm
weh. Einen Hund hätte er wohl gern
gehabt, so einen treuen Hund, der sich
gefreut hätte, wenn er nach Hause kam,
und der seinen Kopf auf sein Bein legte
und ihn mit guten Augen ansah.

P. Haustein (München).

436

Todte Jahre

Die letzten Kohlen verglimmen,

Ein Dunkel, wir sehen uns kaum.

1 Wir sprechen mit leisen Stimmen,
Wie aus einem Traum.

Wir sprechen von todten Jahren
Und schmücken ihre Gruft,

Sprechen von Rosen, die waren,

Und ihrem süssen Duft.

Vom monderhellten Fenster
Herüber leuchten blass
Zwei schlanke Blumengespenster:
Weisse Narzissen im Glas.

Die schlanken, weissen Narzissen
Sehn so seltsam, .sehn
So traurig her. Ob sie wissen?
Unser Flüstern verstehn?

Unsere leisen, weinenden Worte
Von jenen Jahren, die nun
Hinter der dunklen Pforte
Für immer ruhn.

GUSTAV FALKE.

Der Halkijomer

Von Otto Erich Dartleben

xv.

Ein jeder von uns wohnt auf einem

eignen Stern —

Der wandelt feine Bahn — bleibt

andern ewig fern.

Was ist wohl tiefste Cluat für einen

edlen Mann?

Das ist die Liebe, die er nicht erwidern kann.

—r~

Vom goldnen Weine sang man einst und

frohem Drehen.

Lzent hörst Du überall vom Alkohole

sprechen.

Du steigest nie herab, machst Dich auch nie

gemein —

Du bleibst in Schmutz und Loth der harte

Edelstein.

wendunmuth

von Otto Zu lins Bierbaum

Laß doch Dein lautes Llagen
Und laß Dein stummes auch,

Enthebe Dich Deinen Dualen

Und grüße die rettenden Strahlen —

Es naht sich die Sonne, es rhcilr sich der Rauch.

Dem 'Lummer sich müde ergeben,

Das bringt Dich in Lummers Gewalt;
Zeig Du Dich als Herr und befehle
Tanz und Gesang Deiner Seele,

Daß wie ein Tempel sic widcrhallt.

Fort mit den Litaneien I
Lummer macht immer gemein;

Hast ja der Saiten so viele,

Stimm Dich zuin Harfciispielc,

Spiele Dich, lache Dich, singe Dich rcini
Register
Otto Julius Bierbaum: Wendunmuth
Otto Erich Hartleben: Der Halkyonier
Paul Haustein: Zierleiste: Hyazinthe
Gustav Falke: Todte Jahre
 
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