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1893

Lriia's Tagebuch

Den 3. ITCat.

.... Schon bei dem Gedanken, ihn nicht
mehr sprechen, seine treue, biedere Hand nicht
mehr drücken zu könne», krampst sich mein
Herz zusammen in namenlosem, schmerzlichem
Langen und ich meine, ich müsse sterben. Und
ich möchte doch leben, wen» auch nur sür
ihn, sür ihn. Denn ohne ihn mag ich, kann
ich mir kein Leben denken — so jung ich »och
bin: fünfundzwanzig Jahre! Jawohl, ich bin
kaum fünfundzwanzig, was Neid und Bosheit
auch behaupten mögen I vielleicht wäre das
gerade das richtige Alter — die Frau fünf-
undzwanzig, der Mann dreißig — aber schweig
stille mein Herzl Bald hätte ich verrathen,
was auch diese verschwiegenen Blätter nicht
wissen dürfen I

* #

Den 4. Mai.

Tagelang könnte ich hinausstarrcn in den
blühenden, duftenden Mai, könnte die Hände
in den Schooß legen und dem Gesang der
Vögel lauschen, ganz vom Lenz berauscht. Aber
das echte lveib kennt seine Pflichten!

Db er wohl weiß, daß ich es war, die
ihm die beiden losehängenden Knöpfe an seinem
Ueberzieher festnähte, während er mit Papa
sprach?

lvas mag er wohl mit Papa gesprochen
habe»? Ich bin felsenfest überzeugt, daß er

Plakat-Entwurf

den elende» Mammon verachtet und um ma-
terielle Fragen keine Silbe verlieren würde.
Aber trotzdem freut es mich, daß ich dreißig-
tausend Mark mitbekomme! Könnte ich doch
dieses kalte Gold — mich macht es ja doch
nicht glücklich — in seine Hände legen! Er
würde sicher den edelsten Gebrauch davon
machen.

* *

Den jo. Mai.

Lr ist der beste, geistreichste, ritterlichste
Mann, de» ich kenne; selbst unter seinen jurist-
ischen Kollegen gibt es niemand, der ihn er-
reicht.

Der Mensch ist, was er ißt. Auch nach die-
sem Sprüchwort bewähren sich die herrlichen
Eigenschaften seines Herzens. Sein Leibgericht
ist der Rahmstrudel, und Mama sagt, sie
finde, daß ich dies Gericht so gut zu bereiten
verstehe, wie Keine. Auch in Kalbsbraten,
Gullasch und Hummersalat, meint Mama, wäre
ich gradezu genial. Aber dieses Lob ist über-
trieben, und ich lehne es ab.

* *

Den (5. Mai.

Gewiß ist es die Aufgabe der Frau, dem
Manne das Heim zu verschönen, aber es wäre
gradezu eine Barbarei, ihn daran zu verhin-
dern, wöchentlich wenigstens zwei Mal sein
Stammlokal aufzusuchen. Niemals würde ich
das thun, und das Wort „Gardinenpredigt"
Haffe ich gradezu — — — — —-

Angelo Jank (München).

„So," sagte Erna, die Feder fortschleudcrnd,
„jetzt lasse ich das Tagebuch im Vorzimmer
offen liegen, bis Amtsrichter Müller kommt,
und wenn er das liest und nicht sofort seinen
Antrag macht, dann hilft gar nichts mehr."

Max Hirschseld.

Uebersetzungskünste

Bella matribus molesta sunt.

Die Bälle sind den Müttern unangenehm.

Tune etiam fatis aperit Cassandra futuris ora.

(Verg., Aen. 2, 247.)

Dann wird auch die fade Lassandra in
Zukunft die Ghren anfmachen.

„Jetzt muß ich das Bett hüten," meinte
besorgt der Gatte, als er die vielen Verehrer
sah, die seine Frau umschwärmten.

„Dem habe ich auf die Beine geholfen,"
lachte der Wucherer; da hatte er dem Grafen
die Equipage gepfändet.

„Feuer!" kommandirte der Hauptmann;
da hrachte sein Bursche rasch die Zündhölzchen
herbei. m. w.

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Register
Angelo Jank: Plakat-Entwurf "Deutsche National-Feste 1900"
M. W.: Was die Leute sagen
Max Hirschfeld: Erna's Tagebuch
 
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