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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28 (9. Juli 1898)
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1898

JUGEND

Nr. 28

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Ui'sx

Dompteuse ausztltrcteit und die bezähmte Wider-
spenstige in allen Gangarten der hohen Schule vor-
zusühren, ist ihr genommen. Frau von Sperber ist
ihrer Zucht entronnen, sie ist ihrem Kommando nicht
mehr unterstellt. Die Opposition dcS gestrigen
dbends bleibt unbestraft, ihr Ansehen, darüber
täuscht sie sich nicht, hat etwas Schaden gelitten.

Am meisten aber ärgert sich die Kommandcnse,
die in ihrem Civilleben sparsame Hausfrau ist, über
diese» jetzt vollständig überflüssigen Kassee. Um die
Sache möglichst seierlich zu machen, hat sic für fünf
Bsark Kuchen gekauft >n>d die werden ihr jetzt ausge-
gessen, ohne dast sic ctivas dafür hat.

Das, die Damen die Kuchen essen, kann sie nicht
verhindern, wohl aber, das; sie ihnen schmecken. Bon
ihrem Sopha-Platz herab, hält die Kommandcnse
eine Siebe an ihre Unterthancn, das; diesen Hören
und Sehen Vergeht — die Schuldige ist cntkominen,
die Unschuldigen müssen büstcn. Das ist immer so
den» Militär, bei den Bkännlein wie bei den Weiblei»,
nnd so kommt cs, dast der Kommandeur ebenso un-
beliebt ist, wie die Kommandcnse in hohem Maste
Nicht beliebt ist. Freiherr von Schlicht.

T)ic Eitelkeit

x-Aus dem Nachlass eines Gcistesbclden
Hab’ ich diesen Lorbeerkram; ergattert,
Dessen Schleifen, die sein Haupt umflattert,
Von dem ewigen Ruhm des Grossen melden.

Mir, der manchen schönen Plan vollendet,
Der ich oft mit hochgestimmter Leier
Meinem Volke sang pi Spiel und Feier,
Ward noch nie ein Lorbeerkranx_ gespendet!

Denn nicht Eitelkeit führt mich pim Spiegel:
Doch mich dünkt, auf diese hohe, klare
Denkerstirn, umwallt von lockigem Haare,
Drückte Ernst und Geist das hehre Siegel!

Und ich denke — Feind des eitlen Glanxes—,
Wenn bewundernd mich der Beifall träfe,
Ware wirklich dieses Hauptes Schläfe
Gar so unwerth eines Lorbeerkranx.cs?

Ich versuch’ es mit dem Kran\ des Todten!
Und es sei in diesem Augenblicke,

Da ich seinen Schmuck auf's Haupt mir drücke,
Ihm der Gruss des Lebenden entboten!

Wie mich gleich ein Feuerstrom durchlodert!

Ja, mich dürstet nach dem Dichterlohne! —

Weh, da lösen aus der Lorbeerkrone
Sich die Blätter, grün, doch längst vermodert.

Herbstlich Laub, so rascheln sie hernieder;
ln den Spiegel starr ich, tief erschrocken:

Staub und Moder liegt auf meinen Locken,

Wie ein Hohn. Web, meine armen Lieder!

Hugo Salus.

Vom alten Geheimrath

^v|/onii der Landesherr aus seiner strorn-
durchrauschten Residenz zum Besuche der in-
dustriereichen Universitätsstadt des Landes
herüberkam, so unlerliess er es nicht, ausser
den aus solchem Anlasso festlich geschmück-
ten Fabrik-Etablissements auch die Hoch-
schule und ihre Zweiganstalten aufzusuciien.

— Da las dann wohl einer der Herren Pro-
fessoren eine halbe Stunde Sanskrit, oder es
legte einer mit wohllautender Stimme die
Kirchenväter aus, oder man hörte mit gros-
sem Interesse etwas von dem Polymorphis-
mus der Individuen. — Und die Herren wur-
den später zur Hoftafel zugezogen und gingen
der eine oder der andere bald darauf mit einem
farbigen Bündchen im Knopfloche umher. —

So war auch dem alten Geheimrath, im
Comment seiner Schüler kurzweg der „Alte“,
einst der hohe Besuch für seine eigene Werk-
statt, für die chirurgische Abtheilung des gros-
sen städtischen Krankenhauses zugedacht wor-
den. —

Eine merkwürdige Erscheinung, der alte
Geheimrath, nicht nur im Sinne der Fach-
genossen, die behaupteten, dass sein Tast-
gefühl sich vollendet bis in die Spitzen seiner
Instrumente erstrecke. Wenn seine hohe Ge-
stalt am Operationstische erschien, so drückte
College Hein sich oft scheu zur Thür hinaus,
und wo er sich am Lager wildester Schmerzen
über den Wimmernden beugte, da wiest, die
Qual dem festen zuversichtlichen Tröste seines
Auges. Ein seltenes Auge, dessen Blick un-
vergesslich bleibt; blaugrau in tiefer Höhle,
halbverdeckt von schweren Lidern und über-
buscht von eisgrauen Brauen. —

Sie erzählen jetzt so gern von jenen schein-
bar weltabgeschiedenen Stätten, da Schmerzen
und Wunden und das Siechthum der Gress-
stadt zusammengehäuft sind in langen Sälen
1 Wie oft hatte er sein feines,

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Haders (München). und Baracken.

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Register
Ludwig Raders: Zierleiste
Franz Langheinrich: Vom alten Geheimrath
Hugo Salus: Die Eitelkeit
 
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