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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 28 (9. Juli 1898)
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JUGEND

1898

Nr. 28

bemerke ich schon, daß es mit der Balance sehr
schlecht bestellt ist. Das Rad macht die bedenk-
lichsten Schlangenlinien, legt sich auf die Seite
— und — weiß Gott — es steigt sogar in die
Höhe, lute das Bvckpferd eines Cowboy beiBuffalo
Bill. Ich steige ab, untersuche die Führung —
alles in Ordnung! Ich steige wieder aus — das
gleiche Spiel. Sollte ich. . .? Ich sehe aus die
Uhr: Sieben Uhr früh! Um diese Zeit bin ich
immer nüchtern. Ich steige wieder auf, das
Beest von einer Maschine schlägt eine Pace an,
als möchte ich irgend eine Weltmeisterschaft er-
ringen, es geht über Stock und Stein, über
Schotter und Regenpfützen und schließlich lande
ich in einem Graben, mit dem Kopf zuerst. Wie
ich mich über das Rad beuge, um zu sehen, ob
nichts kaput gegangen ist, steigt«nr ein penetranter
Fuselgeruch entgegen. Ein Gedanke kommt mir:
ich schraube mein Oelkännchen auf. Richtig! Ich
habe statt des Klauenöls in der Schlaftrunken-
heit heute Spiritus in’s leere Oelkännchen ge-
gossen und hiemit die Maschine geschmiert. —
Mein Rad ist einfach betrunken!"

Als Dick fertig war, erzählte Hans eine Ge-
schichte von einem Rad, das angefangen hatte,
wie besessen zu klingeln, als ein schlechter Kerl
es stehlen wollte, und gleich darauf Jonathan ein
Abenteuer mit einem Rad, das, von einem ver-
dächtigen Köter in den Gummi gebissen, die Hunds-
wuth bekommen hatte. Und Freund Gabriels
Rad hatte einmal schlappöhrig und traurig die
sonst so flott nach oben gebogene Lenkstange
hängen lassen, weil sein Herr angefangen hatte,
eine andre Maschine öfter zu benützen. Und
Mr. Smiths Veloziped war dick geworden, weil
er es, bei guter Pflege und Oelung, ein volles
Jahr nicht mehr gefahren hatte; der leichte Straßen-
renner hatte sich in eine schlvere Tourenmaschine
verwandelt und konnte nur durch einen ange-
strengten Training seine ursprüngliche Gestalt
wiedergewinnen. Tom wußte sogar von einer
englischen Damenmaschine, die über und über
roth wurde, als sie einen Rennfahrer mit nackten
Beinen sah. Und Julius hatte einen Racer, der
so schnell war, daß er ihm Streusand in die
Schmierlöcher schütten mußte, um das wahnwitzige
Tempo, das die Maschine ging, auf einigermaßen
vernünftiges Maß zu verlangsamen.

„Wißt Ihr, wie ich meiile Frau gefunden
habe?" sagte jetzt Max. „Unsere Räder haben
uns zusammengeführt. Ihr wißt: ich bin ein
guter, sicherer Fahrer und halte die Polizcivor-
schriften strikte ein. Nun, vor zwei Jahren fahre
ich eines Abends auf meiner neuen „Red-Star-
Maschine" spazieren, vorschriftsmäßig auf der
rechten Straßen-Seite. Und ebenso vorschrifts-

mäßig kommt mir auf der andern Seite eine
Dame entgegen. Mit einem Male geht es wie
ein Zittern durch den Bau meines Rades, es
drängt unividerstehlich nach links herüber und —
das Damenrad ihm entgegen. Ein Stoß, ein
Krach, zwei Schreie, die Dame und ich liegen
auf dem Boden und die Maschinen desgleichen:
aber diese Beiden halten sich mit den Lenkstangen
fest umschlungen. Als wir uns von unserm
Schrecken erholt haben, sehen wir, die Dame und
ich, daß unsere beiden Räder aus der gleichen
Fabrik stammten. Ihres hatte die Nr. 257,819
und meines die Nummer 257,820. Kein Zweifel!
Mit unserer Carambolage hatten ganz offenbar
zlvei Liebende nach langer Trennung ein Wieder-
sehen gefeiert. In der gemeinsanlen Rührung
über die treue Liebe der beiden Räder fanden
sich auch die Herzen ihrer Besitzer. Und die
beiden Räder stehen jetzt in einer Remise."

Max war weich gelvordeu und wischte sich
eine Thrüne aus dem Augemvinkel. Nun nahm
wiederum Dick das Wort.

„Die Liebe spielt überhaupt auch im Leben
der Räder ihre große Rolle, wie Ihr gleich hören
lverdet. Im vorigen Herbst, der recht naß war,
haben wir, meine Frau und ich, unsere Räder
bald in ihre Kammer geschoben und heuer im
Frühjahr, das auch recht naß war, sie recht spät
wieder hervorgeholt. Wie ich aber die Kammer
aufschloß, um nach den Bicycles zu sehen, fiel
ich vor Schreck fast in den Mond: Neben unfern
Leiden Maschinen standen zwei allerliebste, blitz-
blanke, niedliche Kinderräder! Unser Paar
hatte den Winter über Familie gekriegt und
meine beiden Jungen fahren jetzt auf prächtigen
kleinen Maschinen, die mich keinen Heller kosten!
Der Teufel soll meinen besten Freund holen,
wenn's nicht wahr ist."

Als wir auseinander gingen, fragte ich Dick,
ob er am andern Tage zum Frühstück in den
„rothen Esel" känie. Aber er sagte:

„Ich glaube kaum. Weißt Du, mein Vetter
Albert kommt immer hin, der Jäger. Und der
Kerl lügt so unausstehlich. Das kann ich nicht
leiden!"



Lustige NaDrichten

Endlich ist es gelungen, den Aufenthalt des
lauge spurlos verschwunden gewesenen guten
Geschmacks zu ermitteln. Italien darf sich
rühmen, ihn zu beherbergen. Dort wurde in
einem Theater „Trilby" abgclehnt.

In das jüngst gewählte französische parla-
ment wird auch ein Neger, lferr Legitimus,
cinziehen. Er trägt Lylinder, Lackschuhe, Geh-
rock, weiße Weste und ein rothseidenes lhals-
tnch; wenn er aber seinen Gcisterbcschwörungs-
tanz ausführt, trägt er nichts als dieses Tuch.
Der augenblicklich hervorragendste Insasse von
la Roquette, ein 9 facher Lust-, Raub-, Eltern-
und Uindesmörder, der als Nachfolger Ester-
hazys die schwärmerische Verehrung der pa-
riser Damenwelt genießt, ist in seinem Glück
durch den coloureck man ernstlich bedroht. Die
Damen sind ungeheuer gespannt auf den Be-
schwörungstauz und finden, daß in dem Na-
men Legitimus etwas ungemein Fremdartig-
pikantes liege.

Die Zeitungen erzählten, daß Sardou fein
Emporkommen seiner schönen Handschrift zu
danken habe, die eine einsiußreiche Schau-
spielerin angclockt habe, sein Lrstlingsdrama
zu lese». Man glaubt, daß diese Notiz von den
Schreiblehrern in die Blätter laucirt wurde;
die Zahl ihrer Schüler ist in der That infolge
jener Notiz allein in Deutschland auf 55 Milli-
onen (annähernd die deutsche Bevölkcruugs-
ziffer) emporgeschuellt.

&

Für Delsorle und seinesgleichen

Der elsässische Pfarrer Delsor hat gesagt,
dass die Berliner Sittenverderbniss vom Pro-
testantismus und von der gottlosen Vernunft her-
komme. Das hätten wir also jetzt heraus! Jetzt,
Delsorle, streng mal das Köpfle an, wenn’s auch
schwer fällt, und bring uns heraus, woher die
Sittenverderbniss in Wien und Paris stammt!
Da wird aber das Köpfle rauchen müssen, eh’
es das herausbringt! Und ich wette, Deine und
Deinesgleichen weise Nasen erwittern’s nimmer,
wenn ich euch nicht zur Hilfe komme. Ihr
müssts nur fleissig beten; alle Tage müsst ihr
600 mal den Vers herbeten :

Theophron der Weise spricht:

„Eigne Sünden stinken nicht.“

Drei Jahre lang müsst ihr das fortsetzen,
dann wird Gott euch Erleuchtung schicken.
Wenn er’s der Mühe werth findet, mein’ ich.

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Bruno: Für Delsorle
[nicht signierter Beitrag]: Lustige Nachrichten
 
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