1898
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JUGEND
Nr. 36
Die Sonnengluth der letzten Wochen hat
sicherem Vernehmen nach die Negerstämme der
Niam-Niam und der Quam-Quam am Kili-
niandscharo total weiß gebleicht.
Endlich eine Nachricht von Andröe! Eine
Briestaubenpost, datirt vom 94° nördlicher
Breite incldet kurz: Polareis durch die Hitze
total geschmolzen. Bitte, schicken Sie mir Ga-
loschen. Andröe.
In Berlin veranstaltet ein Comitö menschen-
freundlicher Damen einen Wohlthätigkeitsbazar
zur Beschaffung leichter Sommerkleider
für die Eskimos. Der Antrag der Frau
Pastor Schulze, aus Mitteln eines etwaigen
Ueberschusses die Eisbären rasiren zu
lassen, wurde der schweren Ausführbarkeit
wegen abgelehnt.
In Tripsdrili wurde an einem der letzten heißen
Tage ein Lehrjunge, der aus einer für seinen Mei-
ster geholten „frischen Maß" trank, sechs Mal
hintereinander vom Schlage gerührt.
Emile Zola bringt auf eine Einladung
seines Freundes Dreyfus hin die Hundstnge
bei diesen! auf der meerumrauschten Teufels-
insel zu; der Boden von Paris ist ihm unter
den Füßen zu heiß geworden.
In einer sonnigen Gegend Schwabens legen seit
Wochen die Hühner nur mehr hartgekochte Eier.
Hermann Sudermann hat in der Sommer-
frische drei Einakter fertig gestellt, welche
aber durch die Hitze zu abendfüllenden
Schauspielen ausgedehnt wurden.
In einer einzigen Bank zu Dingsda sind
au einem dieser heißen Tage 8 Kassierer durch-
gebrannt.
Letzten Sonntag wurde in Merseburg sogar
ein Nachtwächter im Dienste voin Sonnen-
stich befallen. (Vielleicht ein Jourhabender?)
Der beliebig viele Meter lange Haifisch,
der immer während der Hundstage bei Fiume
erscheint, hat in diese»! Sommer sogar geschwitzt.
Zwei geschwollne Tischreden
in Lcttinje
Niklas: Ferdinand, Bruderherz, ich hob'
jüngst soooo Gewehre von Väterchen geschenkt
bekoinincn --- natürlich fühlt mau sich da —
Uebrigens, Du verstehst mich. Unsre dicke
Freundschaft soll leben I
Ferdinand: Niklas, Bruderherz, ich bin
jüngst bei Väterchen zu Besuch gewesen und
Hab' eine vollständige Theatereinrichtung mit
Rönigskrone aus Goldpaxier geschenkt be-
kommen — natürlich fühlt man sich da.
Uebrigens, Du verstehst mich. Unsere dicke
Freundschaft soll leben I
Lustige Nachrichten
Björnson hat jetzt herausgebracht, der
„menschliche Weltbau sei in erster Linie dein
Ameisenfleiß und der Treue der Spießbürger
zu verdanken, deren Arbeit die Genies nur ge-
stört hätten." Darum nahm sich auch der kleine
Björnstjerne schon bei seiner Geburt vor, den
menschlichen Weltbau nicht wie ein Aristoteles,
Michel Angelo, Shakespeare oder Beethoven zu
stören, sondern eine wohlerzogene Anieise zn sein.
Die junge Königin der Niederlande
hat ein ihr zugcdachtcs Nationalgeschenk von
2 Millionen Gulden abgelehnt und er-
klärt, daß sie überhaupt keine Geschenke an-
nehme. M i I a n ist über diese „Preisdrückerei",
wie er sich ausdrückte, auf's tiefste empört.
In Helsingör gelang es vor Kurzem,
einem Maschinenbauer mittels eines aus einem
Schiffsanker verfertigten Riesenmagnets
einen Eisensplitter aus dem Ange zu
ziehen, so daß der Patient geheilt wurde. In
Paris ist mau dadurch auf den Gedanken ge-
kommen, den Eiffelthurm magnetisch zu machen
und mit Hülfe dieses Magnets dem Herrn
Felix Faure den Nagel aus dem Kopf
zu ziehen.
Fürst Ferdinand von Bulgarien erweist sich
täglich als ausgezeichneter Truppenführer. Er
fährt nicht anders aus als: vorn Gendarmen
und Leibgarde und hinten Gendarmen und
Leibgarde. Wer ihn nicht grüßt, wird gleich
notirt. Man spricht von einer Entrevue des
Fürsten mit dein Präsidenten Faure, bei wel-
cher die beiden Landeshäupter sich gegenseitig
königliche Ehren erweisen wollen.
In Danzig gebar eine Frau das 27. Kind.
Alle ihre Kinder sind am Leben und zum Theil
schon glückliche Familienväter bezw. Mütter.
Die französische Regierung ist eifrig bemüht,
diese Fainilie zur Uebersiedelung nach Brest zu
bewegen und sie für die französische Ma-
rine zu interessiren.
Ein Hainburger China-Reisender berichtete
jüngst in einem Vortrage, daß die katholischen
Missionare, in Anpassung an die chinesischen
Vorstellungen, den Jesusknaben mit Zopf und
Schlitzungen und die Mutter Maria mit chinesisch
verkrüppelten Füßen darstellten. — Das ist
erklärlich. Es wäre sogar erklärlich, wenn die
Missionare statt Christus „Buddha" sagten.
Nicht die äußere Form, sondern „die Menge
thut esl" Erklärlich ist auch, daß man in milder
Nachgiebigkeit gegen die Geioohnheiten der Ein-
geborenen den Peterspfennig in Tael umrechnet.
Denn nicht die Münze, sondern „die Menge
thnt es".
Der Gouverneur von S n n t i a g o d e C u b a,
Seüor Ros hat Nntersuchuugsgefangene jahre-
lang im Kerker schmachten lassen, ohne sie al-
urtheilen zu lassen. General Shafter sagte ihm
deshalb, er sei ein b c a ch t en s w er th er S ch u r k e.
Der Stolz der Spanier wurde durch das Wort
„beachtenswerth" auf das Angenehmste berührt.
Das Märchen vom „Aschenputtel" liegt
jetzt in folgender modernisirter Form vor, die
sich als Inserat in einem Familienblatte findet:
„Zum 1. Oktober suche ich ein einfaches, be-
scheidenes, junges Mädchen, gesund, guten
Charakters und sehr freundlich zu Kindern.
Das j. Mädch. muß gut zu plätten verstehen,
sich auch gern jeder Arbeit unterziehen.
Aufm. u. Wäscherin gehalten. Keine gegen-
seitige Vergütung. Dagegen k. sich d.
j. M. bei mir im Kochen vervollk. Sehr freundl.
Beh. zugesich. Wenn das j. M. gebildet, auch
sam. Zugehörigkeit, a b er k ei ne T h e i l n a h m e
an Geselligkeit u. der gl. Solche, die
viele Jahre bleiben möchten, bevorzugt."
Die früheren Zeiten empfanden doch mensch-
licher. Aschenputtel wurde keine familiäre Zu-
gehörigkeit zugemuthet. Außerdem kochte die
Gnädige nicht mit.
Im Theater einer kleinen Stadt Nord-Eng-
lands entstand dieser Tage eine ungeheure Panik.
Der Direktor wollte ein Ballet vorführen, hatte
die Erlaubnis; dazu aber nur unter der Be-
dingung erhalten, daß er einen Tüllschleier vor
das Prosccnium spanne, welcher die Unterkörper
der tanzenden Damen verhülle. Während des
Tanzes rutschte nun der Schleier aus unauf-
geklärten Ursachen plötzlich nach oben, so daß
gerade die unteren Hälften der Tanzenden sicht-
bar wurden. Dadurch nun, daß die Frauen
deni Ausgang, die Männer aber der Bühne
zudrängten, entstand ein entsetzliches Gedränge,
das sicher einige Opfer an Menschenleben ge-
fordert hätte, wenn nicht die tut Theater po-
stirten Feuerwehrleute beide Theile des Pub-
likums durch einige mächtige Wasserstrahlen be-
ruhigt hätten. Forge-jr.
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Die Sonnengluth der letzten Wochen hat
sicherem Vernehmen nach die Negerstämme der
Niam-Niam und der Quam-Quam am Kili-
niandscharo total weiß gebleicht.
Endlich eine Nachricht von Andröe! Eine
Briestaubenpost, datirt vom 94° nördlicher
Breite incldet kurz: Polareis durch die Hitze
total geschmolzen. Bitte, schicken Sie mir Ga-
loschen. Andröe.
In Berlin veranstaltet ein Comitö menschen-
freundlicher Damen einen Wohlthätigkeitsbazar
zur Beschaffung leichter Sommerkleider
für die Eskimos. Der Antrag der Frau
Pastor Schulze, aus Mitteln eines etwaigen
Ueberschusses die Eisbären rasiren zu
lassen, wurde der schweren Ausführbarkeit
wegen abgelehnt.
In Tripsdrili wurde an einem der letzten heißen
Tage ein Lehrjunge, der aus einer für seinen Mei-
ster geholten „frischen Maß" trank, sechs Mal
hintereinander vom Schlage gerührt.
Emile Zola bringt auf eine Einladung
seines Freundes Dreyfus hin die Hundstnge
bei diesen! auf der meerumrauschten Teufels-
insel zu; der Boden von Paris ist ihm unter
den Füßen zu heiß geworden.
In einer sonnigen Gegend Schwabens legen seit
Wochen die Hühner nur mehr hartgekochte Eier.
Hermann Sudermann hat in der Sommer-
frische drei Einakter fertig gestellt, welche
aber durch die Hitze zu abendfüllenden
Schauspielen ausgedehnt wurden.
In einer einzigen Bank zu Dingsda sind
au einem dieser heißen Tage 8 Kassierer durch-
gebrannt.
Letzten Sonntag wurde in Merseburg sogar
ein Nachtwächter im Dienste voin Sonnen-
stich befallen. (Vielleicht ein Jourhabender?)
Der beliebig viele Meter lange Haifisch,
der immer während der Hundstage bei Fiume
erscheint, hat in diese»! Sommer sogar geschwitzt.
Zwei geschwollne Tischreden
in Lcttinje
Niklas: Ferdinand, Bruderherz, ich hob'
jüngst soooo Gewehre von Väterchen geschenkt
bekoinincn --- natürlich fühlt mau sich da —
Uebrigens, Du verstehst mich. Unsre dicke
Freundschaft soll leben I
Ferdinand: Niklas, Bruderherz, ich bin
jüngst bei Väterchen zu Besuch gewesen und
Hab' eine vollständige Theatereinrichtung mit
Rönigskrone aus Goldpaxier geschenkt be-
kommen — natürlich fühlt man sich da.
Uebrigens, Du verstehst mich. Unsere dicke
Freundschaft soll leben I
Lustige Nachrichten
Björnson hat jetzt herausgebracht, der
„menschliche Weltbau sei in erster Linie dein
Ameisenfleiß und der Treue der Spießbürger
zu verdanken, deren Arbeit die Genies nur ge-
stört hätten." Darum nahm sich auch der kleine
Björnstjerne schon bei seiner Geburt vor, den
menschlichen Weltbau nicht wie ein Aristoteles,
Michel Angelo, Shakespeare oder Beethoven zu
stören, sondern eine wohlerzogene Anieise zn sein.
Die junge Königin der Niederlande
hat ein ihr zugcdachtcs Nationalgeschenk von
2 Millionen Gulden abgelehnt und er-
klärt, daß sie überhaupt keine Geschenke an-
nehme. M i I a n ist über diese „Preisdrückerei",
wie er sich ausdrückte, auf's tiefste empört.
In Helsingör gelang es vor Kurzem,
einem Maschinenbauer mittels eines aus einem
Schiffsanker verfertigten Riesenmagnets
einen Eisensplitter aus dem Ange zu
ziehen, so daß der Patient geheilt wurde. In
Paris ist mau dadurch auf den Gedanken ge-
kommen, den Eiffelthurm magnetisch zu machen
und mit Hülfe dieses Magnets dem Herrn
Felix Faure den Nagel aus dem Kopf
zu ziehen.
Fürst Ferdinand von Bulgarien erweist sich
täglich als ausgezeichneter Truppenführer. Er
fährt nicht anders aus als: vorn Gendarmen
und Leibgarde und hinten Gendarmen und
Leibgarde. Wer ihn nicht grüßt, wird gleich
notirt. Man spricht von einer Entrevue des
Fürsten mit dein Präsidenten Faure, bei wel-
cher die beiden Landeshäupter sich gegenseitig
königliche Ehren erweisen wollen.
In Danzig gebar eine Frau das 27. Kind.
Alle ihre Kinder sind am Leben und zum Theil
schon glückliche Familienväter bezw. Mütter.
Die französische Regierung ist eifrig bemüht,
diese Fainilie zur Uebersiedelung nach Brest zu
bewegen und sie für die französische Ma-
rine zu interessiren.
Ein Hainburger China-Reisender berichtete
jüngst in einem Vortrage, daß die katholischen
Missionare, in Anpassung an die chinesischen
Vorstellungen, den Jesusknaben mit Zopf und
Schlitzungen und die Mutter Maria mit chinesisch
verkrüppelten Füßen darstellten. — Das ist
erklärlich. Es wäre sogar erklärlich, wenn die
Missionare statt Christus „Buddha" sagten.
Nicht die äußere Form, sondern „die Menge
thut esl" Erklärlich ist auch, daß man in milder
Nachgiebigkeit gegen die Geioohnheiten der Ein-
geborenen den Peterspfennig in Tael umrechnet.
Denn nicht die Münze, sondern „die Menge
thnt es".
Der Gouverneur von S n n t i a g o d e C u b a,
Seüor Ros hat Nntersuchuugsgefangene jahre-
lang im Kerker schmachten lassen, ohne sie al-
urtheilen zu lassen. General Shafter sagte ihm
deshalb, er sei ein b c a ch t en s w er th er S ch u r k e.
Der Stolz der Spanier wurde durch das Wort
„beachtenswerth" auf das Angenehmste berührt.
Das Märchen vom „Aschenputtel" liegt
jetzt in folgender modernisirter Form vor, die
sich als Inserat in einem Familienblatte findet:
„Zum 1. Oktober suche ich ein einfaches, be-
scheidenes, junges Mädchen, gesund, guten
Charakters und sehr freundlich zu Kindern.
Das j. Mädch. muß gut zu plätten verstehen,
sich auch gern jeder Arbeit unterziehen.
Aufm. u. Wäscherin gehalten. Keine gegen-
seitige Vergütung. Dagegen k. sich d.
j. M. bei mir im Kochen vervollk. Sehr freundl.
Beh. zugesich. Wenn das j. M. gebildet, auch
sam. Zugehörigkeit, a b er k ei ne T h e i l n a h m e
an Geselligkeit u. der gl. Solche, die
viele Jahre bleiben möchten, bevorzugt."
Die früheren Zeiten empfanden doch mensch-
licher. Aschenputtel wurde keine familiäre Zu-
gehörigkeit zugemuthet. Außerdem kochte die
Gnädige nicht mit.
Im Theater einer kleinen Stadt Nord-Eng-
lands entstand dieser Tage eine ungeheure Panik.
Der Direktor wollte ein Ballet vorführen, hatte
die Erlaubnis; dazu aber nur unter der Be-
dingung erhalten, daß er einen Tüllschleier vor
das Prosccnium spanne, welcher die Unterkörper
der tanzenden Damen verhülle. Während des
Tanzes rutschte nun der Schleier aus unauf-
geklärten Ursachen plötzlich nach oben, so daß
gerade die unteren Hälften der Tanzenden sicht-
bar wurden. Dadurch nun, daß die Frauen
deni Ausgang, die Männer aber der Bühne
zudrängten, entstand ein entsetzliches Gedränge,
das sicher einige Opfer an Menschenleben ge-
fordert hätte, wenn nicht die tut Theater po-
stirten Feuerwehrleute beide Theile des Pub-
likums durch einige mächtige Wasserstrahlen be-
ruhigt hätten. Forge-jr.
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