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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 37 (10. September 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0183
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1898

• J U G E N D

Nr. 37

Der Magnet

„Siehe, ich liebe Dich, zärtlich, in-
brünstig — in Dein Innerstes drängt es
mich, um mich selig darin aufzulösen! —
Da hast Du mich — ich komme — nimm
mich auf — — oh, wie ich Dich liebe!“
So sprach bebend die kleine feine Na-
del zu dem Magneten. Der Magnet aber
lächelte boshaft und geschmeichelt, und
dieses Lächeln sagte:

DOLOROSA

„So, so? — Du kommst? — Es
drängt Dich? — Du liebst mich und
gibst Dich? — Das Närrchen spürt
nicht, dass ich es — ziehe!“

* *

Da legte ihn der Knabe, der bisher
mit ihm gespielt und die Nadel hin und
her gegängelt hatte, in die Schublade zu-
rück, und da lag er nun im Dunkeln zwi-
schen gleichgültigen Papieren, und zog

Wygrzywalski (München).

und zog immer noch, aber in’s Leere,
und eine unbeschreibliche, schwermüthige
Sehnsucht machte ihm Herzweh und Kopf-
weh. Und er seufzte:

„Wohin zieht es mich doch so mäch-
tig und unwiderstehlich? Nach Dir, Du
kleine, feine Nadel?“

Da hatte der Narr erkennen gelernt,
dass es Züge gibt, bei denen der Zieh-
ende der Gezogene ist. .

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Luz: Der Magnet
Georg Wygrzywalski: Dolorosa
 
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