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München, 13. September

1898

Die Opfer der Phrase

Zum 10. September

Ein Stotz -- da fand ein Mörderstahl den Pfad
Nach eines edlen, stillen Herzens Tiefen!

Und wieder rühmt ein toller Herostrat,

Ein feiger Schuft sich einer „großen Thal",
weil ihm von Blut die rohen Hände triefen.

Geht: fragt, was hat ihm jene Fra» gethan,
Die hingeschlachtet ward von seinem Rasen?
Da stiert er Luch mit blöden Augen an
Und, was er weiß, ist Aberwitz und Wahn
Und, was er lallt, sind kindisch dumme Phrasen!

Er will den Großen mit der Warnung droh'n,
Daß sich die Kleinen aus der Tiefe heben —
Mit einer Mordthat nah am Natserthron
Beweist des Lhaos wunderlicher Sohn
Der fchreckerstarrtcn Welt sein Recht «n's Leben!

was thun mit ihm 7 was Uhr dem Wurme thut,
Der giftgeschwollen Euch bcdräut am Wege!
Nicht Strafe sci's! Nicht Rache will sein Blut!
Uhr wehrt Euch nur, zertretet Uhr die Brut,
Auf daß sie »immer ihren Stachel rege!

Doch nein — die wahren Schächer trefft Uhr nicht,
Die lauern weit vom Schuß in sichern Stuben,
Die wahren sich vor Henker und Gericht,

Sie zünden heimlich ein verblendend Licht
An Schädeln an von Narren und von Buben!

Sie rufen: Menschlichkeit! - und meinen Neid,
Sie sagen: Freiheit! — und sie wollen knechten!
Sie lügen Liebe und der Eitelkeit,

Der Herrschsucht nur ist ihre Kraft geweiht
Und nicht dem Volk und seinen ewigen Rechten!

Die pominer'schon Geier

Die „France Asricnnc" berichtet vom
seligen Fürsten Bismarck, daß er an dienst-
freien Nachmittagen Raubvögel abzurichtcn
pficgtc, welche mir der Aufgabe betraut
waren, französische Brieftauben abzumurk-
scn. Diese „pommcr'schcn Geier", ihrer
germanischen Abstammung nach natürlich
mit reicher Nachkommenschaft bedacht, vcr-
mehrren sich sehr und Hausen noch heute
unter den unschuldigen Tauben unserer
Nachbarn mörderisch und grausam.

Ein Glück noch, daß cs keine Lämmer-
geier sind. Die könnten sogar dem Re-
dakrionspcrsonal des „Luftigen Frankreich"
gefährlich werden.

Sie morden nicht, sie wetzen blos die wehr',
Und wenden von der L'hat sich mit Emphase
Und kennen ihre Schüler dann nicht mehr —
Denn kluge Vorsicht hieß von Alters her
Das Heldenthum der Ritter von der Phrase!

F. v. o.

Sin Bürger nach dem Herzen posadowsllys

Bürger: Herr Polizeikommissar, ich wollt'
Ihne ergebenst anmclde und um Erlaubnis
bitte, daß mir vom Verein „Volkswohl" am
nächsten Dienstag nachmittags um sechs Uhr
ä kleine Revolution inache wolle, indem daß
mir mit bene öffentliche Zustände nit ganz
znsriede sein.

Lustige Nachrichten

Mehrere hervorragende Bühnenleiter haben
ait verschiedene Zensurbehördeil das Gesuch ge-
richtet, solche Stücke, die von der Zensur ver-
vcrworfen werden, unter Ausschluß der be-
schränkten Ocffcntlich fett fpielcn zu dürfen.

In Spanien finden fortgesetzt Stiergefechte
statt, uttd die Stierkämpfer bedecken sich mit
Ruhm. Es ist auch nicht zu bezweifeln, daß
die Spanier die Amerikaner besiegt hätten, wenn
diese Ochsen gewesen wären.

Die Königin-Regcntin von Spanien hat
Felix Fanre das goldene Blies verliehen. Es
wird kein Mensch was dagegen haben, daß Herr
Fanre mit einem Blies bekleidet wird; aber
mit einem goldenen.—'?

Der Zar hat Herrn Fanre eine Sammlung
Münzen geschenkt. Herr Fanre will sie in der
Hosentasche tragen und damit klimpern, wenn
er sagt: »Mon nmi le Tsar.,

Brüsemitz ist endlich begnadigt. Es ist über-
haupt nicht zu verstehen, daß man dergleichen
Leute heutzutage noch ins Gefängnis; steckt.

Ein bei der Amsterdamer Krönungsfeier-
lichkeit anwesender indischer Fürst führt den
Namen „Se. königl. Hoheit Tadjnl Mahsnl
Bindjatillerhillhnnan Siradjnl Mulki Amirad-

bin Isländer Munuwnrrussadik Wahnwami-
naladilin Sjah Patra Ajanhar RaS'id Hink-
tang Sudibdja, Sultan von Ternats." Jeder
Unterthan dieses Fürsten muß diesen Namen
bei Hochrufen ohne Fehler hersagen können. Wer
mit der Zunge anstößt, kommt ins Zuchthaus.

Die Ultranrontanen wollen so gern einen
Katholikentag in Berlin abhalten. Biele gehen
dabei von der Ansicht aus, inan müsse den
Berliner Schusterjungen zeigen, daß man ihnen
in der Schnodderigkeit überlegen sei. Auch wurde
vorgeschlagen, eine Prozession durch die Straßen
zu veranstalten und alle Berliner, die sie nicht
grüßten, anzurempeln. Doch wird man um des
lieben Friedens willen hiervon absehen.

In einem badischen Wahlkreise hat ein Wahl-
kommissar eigenmächtig 72 Wahlzettel in die
Urne gelegt. Er „hat sich geschämt, daß die
Gemeinde sich so schlecht an der Wahl betheiligte."
Das ist im höchsten Grade ehrenwerth. Und
was liegt näher, als daß der Mann sich für
seine Partei schämte?!

Zum Krefelder Katholikentag nnrd nach-
träglich noch bekannt, daß die Bcrsammiung
nach den Ausführungen des Prof. Graucrt
über Wissenschaft, Glaube, göttliche Wahrheit
u. A. m. einstimmig beschloß, ein Huldiguugs-
telegramm an den heiligen Galimathias nb-
zuschicken. Prof. Grauert übernahm die prompte
Besorgung.

Im vergangenen Jahre sind in der eng-
lischen Hauptstadt 41 Menschen den Hungertod
gestorben. Als Mr. Snob dies erfuhr, sagte
er erstaunt: „Ist das möglich? Es gibt in
London doch so viele ausgezeichnete Restau-
rants."

Frankreich will auf den Weidfrieden nur
entgehen, wenn es vorher die „französischen
Reichslande", Elsaß und Lothringen wieder hat.
Wenn Rußland das befürwortet— nun ja:
dann gibt es uns wohl der Konsequenz halber
die deutschen Ostseeprovinzen als Entschädigung.

Die Berliner Zensur hat auch eine Be-
merkung gegen die freie Liebe verboten, weil sie
sie zwar verstanden bat, aber int entgegenge-
setzten Sinne. Ebenso wurde anderswo der
König Kandaulcs in Hebbels „Gyges und sei»
Ring" gestrichen, weil der Zensor „Kaldauues"
gelesen hatte. Forgeur.

Wie nach (len Schilderungen der Dreyfus-Blätter
die Teufelsinsel aussieht

Wie sie seit der Entdeckung der Fälschung Henry s
nach den Schilderungen der Oiikdösen ist.

C- :i
Index
Forgeur: Lustige Nachrichten
Monogrammist Frosch: Aus der Schlacht von Omdurman
Monogrammist Frosch: Die Teufelsinsel
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum text "Die Pommer'schen Geier"
F. v. O.: Die Opfer der Phrase
[nicht signierter Beitrag]: Die Pommer'schen Geier
[nicht signierter Beitrag]: Ein Bürger nach dem Herzen Posadowskys
 
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