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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 45 (5. November 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0343
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1898

JUGEND

München, 25. Oktober



Der barmherzige Samariter Pumpus von Rassia auf Reisen

In einer Rückschau über den sozialdemokratischen Parteitag schreibt
-das württembergische Organ der Sozialdemokratie unter
anderem: „Der Grosskapitalist ist heute physisch und moralisch der

Sklave seines Geschäftes, er muss fast ganz in ihm aufgehen, wird von
Sorgen, Entwürfen, Plänen gedrückt und nicht selten leiblich und geistig-
hart mitgenommen.“ — Wenn sie's nur endlich ein sehen!

Bermann AHlwardr's,

Des preußischen Landtagskandidaten,
Nationalhymne

Deutschland, Deutschland über alles,
Uebev alles in der Welt.

Für die Juden unser Dalles
Und für uns der Juden Geld.

Don der Maas bis an die Memel,
Don der Etsch bis an den Belt
Steig' ich auf den Rcdnerschcmcl
Stets nur gegen Eintrittsgeld.

Etsch ist freilich schon Italien,

Und dort gibt's Lcntcsimi;

Aber wenn sie nur bezahljcn,

Dorthin auch, oh Deutscher, zieh!
Wenn man auch in schlechten Feyen
Dort Dir reicht den Rcdncrsold,

Eile heim, es umzuscycn
In gediegnes deutsches Gold.

Auch den Preußen werd' ich Hort sein
Bald im Landtag, treu und stark.
Regelmäßig werd' ich dort sein;
Täglich gibt cs fünfzehn Mark.
Deutsche Worte, deutsche Groschen,
Deutsche Hosen, deutscher Skat,
Mögen, noch so oft gedroschen,

Bei uns bleiben früh und spat!

Septimius.

Aaisertage am goldenen Lorn

Spezialbericht von Fchmeiner Nirmich.

Uonstantinoxel, *9. Vktober.

Ich komme soeben aus dem Pildiz-Pa-
Lais. Diner, Feuerwerk, Illumination. —
Alles recht nett, aber die interessanteste Episode
war doch mein gestriges Lrlebniß.

Durch die Stadt flanirend, in welcher mir
.die massenhaft herumlaufenden ksunde auf-
fielen, hör' ich plötzlich über mir eine melodische
Stimme. Lin maurisches Gitterfenster hoch
-oben war aufgethan worden, eine unver-
fch leierte Türkin, prachtvolles Meid, lächelt
mir zu und wirft ein Päckchen herunter, das
-ich geschickt auffange. Dann winkt sie mir,
mich rasch zu entfernen.

Im potel öffne ich das Päckchen, was
war's? Lin Zahn bür sichen und drei
Ansichtspostkarten. Die eine aus Er-
lang en, die andere aus Brenn in Böhmen,

die dritte aus Vene-
dig. Ich frage den
Kellner, den Portier
— Niemand kann mir
die Sache erklären.
Endlich schickt man
mich zu Iussnf Pro-
chaska, einem alten Derwisch, der im Ge-
rüche steht, Alles zu wissen.

Nun, dieser alte Kerl runzelt die Stirn,
putzt sich die Brille, legt die Postkarten in
wechselnder Reihenfolge neben einander und
gibt mir endlich folgende überraschende Auf-
klärung:

„Bei den vornehmen Türkinnen ist jetzt das
A n si ch t sp o st karteu - Gra ke l modern, wenn
z. B. eine junge schöne Türkin einem Be-
werber eine Postkarte mit der Ansicht von
Schwei ns urt übergibt, so bedeutet dies:
,Entfernen Sic sich, Sie Borstenvieh!'
Eine ähnliche ungünstige Bedeutung ha.t die
Ansicht von Vxsord. Meine drei Ratten
aber bedeuteten: ,Menn nöthig, brenn ich
durch, Dich zu erlangen!'"

„Aber wieso?" fragte ich den Derwisch.

„Ganz einfach: Venedig bedeutet ,Mcnn
nöthig'. Brenn ist ,brenn'. ,Ich durch
dich zu' muß ergänzt werden, weil cs bisher
keine Stadt Namens Ichdurchdichzu gibt ..."

„vortrefflich, aber was bedeutet das Zahn-
bürstchen?" fragte ich.

„Beim Barte des Propheten, das ist doch
sonnenklar," antwortete Inssuf. „Das Zahn-
bürstchen ist die Mahnung zur Verschwie-
genheit: es bedeutet: lhalt reinen Mund!"

&

FafchodF

Die. Fechter stehn in Positur.

Erhebt ein Kampf sich um Faschoda,

Und wird es brennen lichterloh da?

Gar keine Spur!

Sie thun nur so da,

Stehn wild und roh da,

Doch das Gedroh' da
Ist Feilschen nur.

Bald stimmt gelung'ner Handel froh da,
Und man umarmt sich in Faschoda
Und wandelt friedlich durch die Flur.

Gesterreichlsch-ungarischer Ausgleich

Set kein Filz, Deutfchösterreicher,

Für die Freunde zahle baar;

Wist an guten Frrttirden reicher,

Als es jemals einer war.

Deine Freunde, die Magyaren,

Reff're Fremtde sah man nie;

Won zehn Jahren zu zehn Jahren,
Leeren Deine Taschen sie.

Deine Freunde, edle Polen,
polen aus der Polakei,

Wollen auch sich etwas holen,

Lind beim Nehmen stets dabei.

Keiner von den Zwei'n will leiden,

Daß der Andre zahlen thu';

Zahlt d'rtlm Keiner von den Weiden,
Deutscher, so bezahle Du!

J. W.

(Ein moderner Geschäftsmann

A. Mas bekommst Du denn an Gehalt als
Vortragender Rath?

8. zoooo Mark.

A. Das ist nicht viel.

, B Nein; aber bedenk' mal: nachher die
werthvollen Indiskretionen I

Moral muß sein!

Das t k. Ministerium für Kultus und
Unterricht m Wien hat in seinem letzteit Ukas
strengstens verboten, daß schulpflichtige Kinder
an Tanzstunden zusammen mit Erwachsenen
oder Halberwachsenen theilnehmen, und auch
sämmtliche Tanzinstitute angewiesen, die Kurse
für Kinder nur für getrennte Geschlechter ab'
zuhalten.

Wie verlautet, will die Stadterweiterungs-
kommission an Stelle des alten Kinderparkes,
der in Folge der Wieurcgulirung aufgelassen
wurde, zwei neue Kinderspielplätze errichten
und zwar eilten Knabenspielplatz am Westende
und einen Mädchenspielplatz am Ostende der
Residenz.

Ferner soll sich ein berühmter Physiolog
bereits eingehend mit der Frage beschäftigen,
ob man nicht durch geschickte Rassenkreuzung
zit männlichen Ammen gelangen könne, was
für die Ernährung der kleinen Knaben gewiß
nicht so „unpassend" wäre, als die hier all-
gemein beliebten Hannakinen.

Professor Schenk endlich soll bemüht sein,
eine neue Diät zu finden, die im Fall von
Zwillingsgeburten nur zwei Knaben oder zwei
Mädchen zur Welt kommen läßt- Kukuk

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Register
Monogrammist Frosch: Der barmherzige Samariter
Monogrammist Frosch: Pumpus von Russia auf Reisen
Monogrammist Frosch: Kapstadt und Obok
Septimius: Hermann Ahlwardt's Nationalhymne
Ichmeiner Mirmich: Kaisertage am goldenen Horn
[nicht signierter Beitrag]: Faschoda
J. W.: Oesterreichisch-Ungarischer Ausgleich
[nicht signierter Beitrag]: Ein moderner Geschäftsmann
Kukuk: Moral muß sein!
 
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