1898
Nr. 4.5 «JUGEND •
Die Prätendenten
Lustige Nachrichten
Zwischen dem Fürsten Hohen-
lohe und Herrn v. Miguel be-
stehen Meinungsverschiedenheiten
über das preußische Landtags-
wahlrecht. Hohenlohe hält es für
unverbesserlich, während v. Miguel
erklärt, es sei leider unverschlechter-
lich. Wir erfahren indessen aus
bester Quelle, daß eine Einigung
über diesen Punkt nicht schwer zu
erzielen sein werde.
In Wien hat eine Schauspielerin
quittirt, weil der Direktor ihr in
einem Stück die Rolle einer Mütter
zumuthete. Wenn in Wien noch
Recht und Ordnung herrschten, so
hätte der Direktor „springen" müs-
sen: An der Wurzel träfe man das
Nebel freilich erst dann, wenn man
den sauberen Bürschchen, den Au-
toren, ein- für allemal das Dich-
ten von Mütterrollen ver-
bieten würde.
Angeregt durch das Beispiel
Moritz Busch's und Esterhazy's.
geht Crisp i nach London, um seine
Denkwürdigkeiten zu verkaufen. Er
verlangt für die Memoiren ohne
Geständnisse 10000 Pfund Sterl.„
mit Geständnissen 100000 Pfund.
Die Ankläger Picquarts wol-
len mit der Photographie, welche
ihn Arm in Arm mit Schwartz-
koppen zeigt, nicht Herausrücken.
Das Bild ist nänilich durch ein
Verfahren hergestellt, welches das
Licht nicht verträgt.
8chon steh/n sie hungrig vor dem Thor,
Des rechten Moments gewärtig";
Doch Schwester Marianne tritt hervor:
Die — Suppe ist noch nicht fertig!
Erst wird noch gehörig nachgeschürt,
Dann wird sie gewürzt und geschmalzen.
Und dann noch gewaltig umgerührt
Und am Ende wird sie versalzen!
Und wer dann das grösste Maul hat von Euch
Dess mag die ganze Portion sein —
Doch muss sein Magen — ich sag’s Euch gleich,
Von guter Constitution sein!
All Unheil!
Jetzt höret einmal mit Geduld an
Das Dümmste, was je Liner fand:
Ls hat in Marokko der Sultan
Das Nadeln verboten im Land!
Nicht blos auf den Zußgängerstegen,
wie hierorts, verweigerte er's,
Nicht blos auf frequenteren Wegen
Don wegen des großen Verkehrs —
Nein! War er nun toll vom Scirocco,
C>der war er beduselt vom Grogg,
Das Nadeln im ganzen Marokko
Verbot er aus Bosheit en bloo.
Was ist Alerander VI.
Von Borgia gegen den Mann?
Was Macbeth der dreifach verherte,
Und Dionys der Tyrann?
Erreicht ihn ein Iwan der Schreckliche,
Erreicht ihn Don Larlos' Papa?
Ist er schlimmer nicht ums Erkleckliche
Als Nobespierre und Marat?
Selbst der blutige Ludwig XI.
Ist neben dem Sultan ein Nichts!
Lin Nero trug noch nicht die Hälfte
Seines Sündennettogewichts!
Und der schreckhafte Nichard III.,
Den Shakespeare so klassisch beschrieb,
Und Herr Belsazar, — na, ich bitte,
Der war doch wahrhaftig nicht lieb!
Doch wer auch im Wütherichfache
Auf Erden bis jetzt sich versucht,
Hat nicht so viel Anspruch auf Nache
Und drauf, daß der Mensch ihn verflucht!
Herbei denn, wen strammer bewadelt
Der Herr und zum Strampeln erschuf,
Herbei denn auf Erden, wer radelt
Und stimmet mit ein in den Nuf:
Und ruft's, bis Ihr müd seid und heiser:
AU Unheil! AU Unheil und Noth
Dem Marokkanischen Kaiser,
Der tückisch das Nadeln verbot!
Ein französischer Koch hat ein
neues Seezungenfilet erfunden und
es dem von ihm verehrten Schrift-
steller Francisque Sarcep ge-
widmet. Ein reicher deutscher Mä-
cen kaufte, durch dieses Beispiel an-
geregt, eine Bockwurst und widmete sie dem
nothleidenden Dichter Heinrich von Kleist, in
der Meinung, daß dieser noch lebe.
Die Zeitungen berichteten kürzlich über einen
Fall von Riesenwuchs. Bei einem jungen
Manne fingen- plötzlich verschiedene Körper-
theile,. namentlich auch die Mundpartie, an,,
in's Unförmliche zu wachsen. Der Bedauerns-
werthe leihet an großer allgemeiner Schwäche z
sein Gesicht nimmt einen immer stupideren
Ansdruck an. England und Rußland soll-
ten sich das zur Warnung dienen lassen.
Die Franzosen mobilisiren ihre Flotte.
England setzt seine Schiffe in Stand. Die
Buren rüsten. Im Sudan geht es wieder
los. In Peking niarschiren fremde Truppen
ein. Der Sultan hat ein Ultimatum gekriegt
wegen Kreta. Rußland hat von Niut-
schwang Besitz ergriffen. Auf den Philip-
pinen täglich frischer Aufstand. In Kreta,
ditto. Die Indianer sind auf dem Kriegs-
pfad. Und nächstens wird in Petersburg
der Weltfriede proklamirtl
Herausgeber: Pr. GEORG HIR1H; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN; sämmtlich in München-
Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
Nr. 4.5 «JUGEND •
Die Prätendenten
Lustige Nachrichten
Zwischen dem Fürsten Hohen-
lohe und Herrn v. Miguel be-
stehen Meinungsverschiedenheiten
über das preußische Landtags-
wahlrecht. Hohenlohe hält es für
unverbesserlich, während v. Miguel
erklärt, es sei leider unverschlechter-
lich. Wir erfahren indessen aus
bester Quelle, daß eine Einigung
über diesen Punkt nicht schwer zu
erzielen sein werde.
In Wien hat eine Schauspielerin
quittirt, weil der Direktor ihr in
einem Stück die Rolle einer Mütter
zumuthete. Wenn in Wien noch
Recht und Ordnung herrschten, so
hätte der Direktor „springen" müs-
sen: An der Wurzel träfe man das
Nebel freilich erst dann, wenn man
den sauberen Bürschchen, den Au-
toren, ein- für allemal das Dich-
ten von Mütterrollen ver-
bieten würde.
Angeregt durch das Beispiel
Moritz Busch's und Esterhazy's.
geht Crisp i nach London, um seine
Denkwürdigkeiten zu verkaufen. Er
verlangt für die Memoiren ohne
Geständnisse 10000 Pfund Sterl.„
mit Geständnissen 100000 Pfund.
Die Ankläger Picquarts wol-
len mit der Photographie, welche
ihn Arm in Arm mit Schwartz-
koppen zeigt, nicht Herausrücken.
Das Bild ist nänilich durch ein
Verfahren hergestellt, welches das
Licht nicht verträgt.
8chon steh/n sie hungrig vor dem Thor,
Des rechten Moments gewärtig";
Doch Schwester Marianne tritt hervor:
Die — Suppe ist noch nicht fertig!
Erst wird noch gehörig nachgeschürt,
Dann wird sie gewürzt und geschmalzen.
Und dann noch gewaltig umgerührt
Und am Ende wird sie versalzen!
Und wer dann das grösste Maul hat von Euch
Dess mag die ganze Portion sein —
Doch muss sein Magen — ich sag’s Euch gleich,
Von guter Constitution sein!
All Unheil!
Jetzt höret einmal mit Geduld an
Das Dümmste, was je Liner fand:
Ls hat in Marokko der Sultan
Das Nadeln verboten im Land!
Nicht blos auf den Zußgängerstegen,
wie hierorts, verweigerte er's,
Nicht blos auf frequenteren Wegen
Don wegen des großen Verkehrs —
Nein! War er nun toll vom Scirocco,
C>der war er beduselt vom Grogg,
Das Nadeln im ganzen Marokko
Verbot er aus Bosheit en bloo.
Was ist Alerander VI.
Von Borgia gegen den Mann?
Was Macbeth der dreifach verherte,
Und Dionys der Tyrann?
Erreicht ihn ein Iwan der Schreckliche,
Erreicht ihn Don Larlos' Papa?
Ist er schlimmer nicht ums Erkleckliche
Als Nobespierre und Marat?
Selbst der blutige Ludwig XI.
Ist neben dem Sultan ein Nichts!
Lin Nero trug noch nicht die Hälfte
Seines Sündennettogewichts!
Und der schreckhafte Nichard III.,
Den Shakespeare so klassisch beschrieb,
Und Herr Belsazar, — na, ich bitte,
Der war doch wahrhaftig nicht lieb!
Doch wer auch im Wütherichfache
Auf Erden bis jetzt sich versucht,
Hat nicht so viel Anspruch auf Nache
Und drauf, daß der Mensch ihn verflucht!
Herbei denn, wen strammer bewadelt
Der Herr und zum Strampeln erschuf,
Herbei denn auf Erden, wer radelt
Und stimmet mit ein in den Nuf:
Und ruft's, bis Ihr müd seid und heiser:
AU Unheil! AU Unheil und Noth
Dem Marokkanischen Kaiser,
Der tückisch das Nadeln verbot!
Ein französischer Koch hat ein
neues Seezungenfilet erfunden und
es dem von ihm verehrten Schrift-
steller Francisque Sarcep ge-
widmet. Ein reicher deutscher Mä-
cen kaufte, durch dieses Beispiel an-
geregt, eine Bockwurst und widmete sie dem
nothleidenden Dichter Heinrich von Kleist, in
der Meinung, daß dieser noch lebe.
Die Zeitungen berichteten kürzlich über einen
Fall von Riesenwuchs. Bei einem jungen
Manne fingen- plötzlich verschiedene Körper-
theile,. namentlich auch die Mundpartie, an,,
in's Unförmliche zu wachsen. Der Bedauerns-
werthe leihet an großer allgemeiner Schwäche z
sein Gesicht nimmt einen immer stupideren
Ansdruck an. England und Rußland soll-
ten sich das zur Warnung dienen lassen.
Die Franzosen mobilisiren ihre Flotte.
England setzt seine Schiffe in Stand. Die
Buren rüsten. Im Sudan geht es wieder
los. In Peking niarschiren fremde Truppen
ein. Der Sultan hat ein Ultimatum gekriegt
wegen Kreta. Rußland hat von Niut-
schwang Besitz ergriffen. Auf den Philip-
pinen täglich frischer Aufstand. In Kreta,
ditto. Die Indianer sind auf dem Kriegs-
pfad. Und nächstens wird in Petersburg
der Weltfriede proklamirtl
Herausgeber: Pr. GEORG HIR1H; verantwortlicher Redakteur: F. von OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN; sämmtlich in München-
Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Haftung in München.
ALLE RECHTE VORBEHALTEN.