1898
JUGEID
München, 22. N ovember
Vis 3.1 tt r I rt 11t er«trtirtfiäjc MD t ttt« v Tt tt 11t zt rr I rt L
in öesterreäcli in Italien in IJjiig'arii in KranJkreicli
Die Lunger-Lnquete des Lzaren
Wie?! Er traut nicht seinem Ghr.
Hungersnoth in seinen Staaten,
Weil die Ernte nicht gerathen?
Und man spiegelte ihm vor:
Wohlstand herrsche allerwegen,
Ueberfluß und reicher Segen.
Wer hat Recht und was ist wahr?
Und wer täuscht ihn höchst verwegen?
Rur Geduld! Bald steht er klar.
Rtänner von verständ'gem Sinn
Schickt er seine Adjutanten
In das Land des Elends hin,
Daß ste treulich ihm berichten,
Daß ste Lug und Trug vernichten.
Eilends reisen die Gesandten,
Und der Rest ist — potemkin. j. w.
Lustige Nachrichten
Die „Ostdeutsche Rundschau" ist entrüstet
darüber, daß in Pilsen die Geschworenen
eine sechsfache Brandstifterin freige-
sprochen haben — weil es blos Deutsche
waren, deren Hab und Gut sie angezündet hat.
Wir fassen cs dagegen immer schon als Zeichen
fortschreitender Gesittung im Böhmerland auf,
daß die czechischen Geschworenen nicht den
Staatsanwalt todtschlngen, der es wagte, das
czcchischc Jnsektenmädchen anzuklagen. Auch
war eine kräftige Mißhandlung der Belastungs-
zeugen und eine Bcrurthcilung der von der
Brandstiftung Betroffenen zu erwarten, weil
Letztere durch ihren Besitz die junge Dame
zum Verbrechen provozirten. Aber nichts von
alledem! Es wird wahrhaftig nach und nach
besser im Czechcnland.
Der brave General Zurlindcn hat Pic-
q.uart ans die Galeeren eingeladen und die
„Liga für Menschenrechte" will ihm einen Eh ren-
säbel schenken. Picguart will aber weder vom
Rudersport, noch vom Fechtsport was
wissen. Den Elfteren findet er nicht standes-
gemäß und den Letzteren meidet er aus Ge-
sundheitsrücksichten; er fürchtet offenbar, sich
das Halsleiden zuzuziehen, an dem sein Kamerad
Henry gestorben ist.
An Bord von H. M. 8. „Majestie“ hat
die Mannschaft gemeutert und Geschütztheile
ins Meer geschmissen, weil man sie daran hinderte,
Orangenschalen auf Deck umherzuwerfen. Wie
vortheilhaft sticht diese mannhafte Bethätigung
individuellen Freiheitsgefühls ab von dem ver-
ächtlichen Cadavergehorsam, den in solchen
Fällen die verthicrtc Soldateska einer deutschen
Truppe zu zeigen pflegt.
Ein kinderloser Fürst suchte kürzlich in den
Zeitungen einen distinguirten, vermög-
enden jungen Mann, den er mit llebcr-
tragung des Ranges adoptircu könne. Die
erste einlaufende Offerte kam van A h l w a r d t.
Er bemerkte, daß er zwar nicht vermögend sei,
es aber in nächster Zeit zu werden hoffe, da
er gegen einen Wirth, der ihm ein Lokal ver-
weigerte, auf Schadenersatz geklagt habe.
Ein Schalk ist der Theaterdircktor Mr.
Locwenfeld in London. Er hatte ein Stück
gegeben, das von den Kritikern ziemlich cin-
müthig verurtheilt wurde, und lud nun das
Publikum öffentlich zum Besuch der Wieder-
holungen ein, damit es sich überzeuge, daß das
Stück gar nicht so schlecht sei. Das Publikum
kam und fand das Stück wirklich nicht übel.
Der Schlaukopf hatte nämlich inzwischen das
Drama nach den Nrtheilen der Rezensenten
abgeändert und dadurch war es natürlich —
bedeutend schlechter geworden.
Ein französischer Ingenieur hat „das näh-
ende Clavicr" erfunden, ein Instrument,
das in erschreckender Weise das Unangenehme
mit dem Nützlichen verbindet. Während die
Hände die schwierigsten Passagen spielen, ver-
mögen die Füße das Maschinenrüdchen zu treten.
— Wahrlich ich sage Euch, es wäre besser,
daß ein Mühlstein au seinen Hals gehängt und
er in die Tiefe des Meeres versenkt würde!
Ein Gutsbesitzer, der in einer von ihm
herausgegebenen Korrespondenz beweglich ge-
jammert hatte, daß die L a n d w i r t h s ch a f t
mit Untcrbilanz arbeite, kam in die
Lage, sein Gut für 1.160.000 Mark zu ver-
kaufen. Er erklärte dem Käilfer, daß sich das
Gut unter ihm mit 5— 6 °/o verzinst habe.
„Was?" rief der Käufer, „das macht 60 bis
70.000 Mark pro Jahr — und das nennen
Sie Unterbilanz?"
„Jahahaaa —rief der Verkäufer. „Sie
haben eben keine Ahnung, was ich brauche!"
Ein Millionär hat für die Aufführung
seines Trauerspiels in Berlin 20 000 fl. ge-
zahlt. Das ist unbillig. Wenn man dagegen
bedenkt, was für Stücke jetzt Tantismen ein-
bringen, dann muß man sagen: So schlechte
Stücke gibt's gar nicht.
Lin Lrsatz kür das Hentzi-Denkmal
(Entwurf des
national-ungarischen Künstlers Magyarember)
R20
England ist, wie die Bereinigten Staaten,
das Land der Menschlichkeit, der frommen
und sanften Sitte, wo es irgend angeht. Keinen
Tropfen Whisky trinkt die Lady, ohne einen
Blick zum Himmel auf zu thun. Besonders
lieb und mild ist man gegen die Thiere. Alten
oder verkrüppelten Hunden gibt man künstliche
Gebisse, hölzerne Beine, ja sogar Glasaugen.
Jetzt sucht man mit Begeisterung und Eifer
nach einem Verfahren zur schmerzlosen
Tödtung der Wanzen, von denen die
Quartiere der Armen in London wimmeln.
t>om deutschen Dichter
Ein großer deutscher Poet weilte einmal im
Auslände. Er hatte gerade ein größeres Werk
vollendet und ging nun in eine Redaktion mit
dem Ersuchen, eine Notiz über die Volletidung
seiner Arbeit zu bringen. Tie Redakteure, über-
zeugt, es mit einem Geisteskranken zu thun zu
haben, fragten, welche Veranlassung sie dazu
haben sollten. Der deutsche Dichter erwiderte:
„Unsere deutschen Blätter bringen alles von
ausländischen Autoren und alles über aus-
ländische Autoren, ob sie groß oder klein sind,
ob sie dichten oder sich schneuzen." Einer der
Redakteure, des Deutschen vollkommen mächtig,
sagte darauf sehr richtig: „Das ist Ihr Pech!"
Der deutsche Dichter drohte jetzt mit Schutz-
zöllen, die verhindern sollten, daß jeder aus-
ländische Schund auf den deutschen Markt
komme; er werde einen Bund gründen zum
Schutze des nationalen Flügelpferdes. Derselbe
Redakteur erwiderte kalt lächelnd: „Das leiden
die Agrarier nicht!" Sepp
Echo
„Kennst Du jetzt „Genoffenfreiheit", 0 Lütgenau?"
Echo: „genau!"
Politik im Rrug
Bauer: Dat mutt doch ’n DLwelskirlsin!
2. Bauer: Mer denn?
Bauer: De franzö'sche INinisder Ari-
fis! De Air! is all wedder utbroken!
Langer Vrautstand
Ungarn und Oesterreich
Sind nach drei Ehen
Mieder als liebendes
Brautpaar zu sehen.
Schließen die Ehe nur
Immer auf Jahre,
Daß ihre Liebe das
Feuer bewahre.
Inrmer von Neuem den
Vrautstand zu kosten,
Das läßt die alternde
Liebe nicht rosten.
Aber nun dauert der
Vrautstand schon lange.
Wird um den Honigmond
Ihnen nicht bange?
Nein, ihre Freude ist,
Vräutlich zu küssen
And noch das Eheglück
Ferne zu wissen.
Denn noch steht's übel niit
Ihrem Kontrakte,
Noch sind sie einig nicht
Aeber die Pakte.
Eh' nicht das Heiratsgut
Giltig verschrieben,
Können sie sich nur auf
Kündigung lieben.
Stephan.
JUGEID
München, 22. N ovember
Vis 3.1 tt r I rt 11t er«trtirtfiäjc MD t ttt« v Tt tt 11t zt rr I rt L
in öesterreäcli in Italien in IJjiig'arii in KranJkreicli
Die Lunger-Lnquete des Lzaren
Wie?! Er traut nicht seinem Ghr.
Hungersnoth in seinen Staaten,
Weil die Ernte nicht gerathen?
Und man spiegelte ihm vor:
Wohlstand herrsche allerwegen,
Ueberfluß und reicher Segen.
Wer hat Recht und was ist wahr?
Und wer täuscht ihn höchst verwegen?
Rur Geduld! Bald steht er klar.
Rtänner von verständ'gem Sinn
Schickt er seine Adjutanten
In das Land des Elends hin,
Daß ste treulich ihm berichten,
Daß ste Lug und Trug vernichten.
Eilends reisen die Gesandten,
Und der Rest ist — potemkin. j. w.
Lustige Nachrichten
Die „Ostdeutsche Rundschau" ist entrüstet
darüber, daß in Pilsen die Geschworenen
eine sechsfache Brandstifterin freige-
sprochen haben — weil es blos Deutsche
waren, deren Hab und Gut sie angezündet hat.
Wir fassen cs dagegen immer schon als Zeichen
fortschreitender Gesittung im Böhmerland auf,
daß die czechischen Geschworenen nicht den
Staatsanwalt todtschlngen, der es wagte, das
czcchischc Jnsektenmädchen anzuklagen. Auch
war eine kräftige Mißhandlung der Belastungs-
zeugen und eine Bcrurthcilung der von der
Brandstiftung Betroffenen zu erwarten, weil
Letztere durch ihren Besitz die junge Dame
zum Verbrechen provozirten. Aber nichts von
alledem! Es wird wahrhaftig nach und nach
besser im Czechcnland.
Der brave General Zurlindcn hat Pic-
q.uart ans die Galeeren eingeladen und die
„Liga für Menschenrechte" will ihm einen Eh ren-
säbel schenken. Picguart will aber weder vom
Rudersport, noch vom Fechtsport was
wissen. Den Elfteren findet er nicht standes-
gemäß und den Letzteren meidet er aus Ge-
sundheitsrücksichten; er fürchtet offenbar, sich
das Halsleiden zuzuziehen, an dem sein Kamerad
Henry gestorben ist.
An Bord von H. M. 8. „Majestie“ hat
die Mannschaft gemeutert und Geschütztheile
ins Meer geschmissen, weil man sie daran hinderte,
Orangenschalen auf Deck umherzuwerfen. Wie
vortheilhaft sticht diese mannhafte Bethätigung
individuellen Freiheitsgefühls ab von dem ver-
ächtlichen Cadavergehorsam, den in solchen
Fällen die verthicrtc Soldateska einer deutschen
Truppe zu zeigen pflegt.
Ein kinderloser Fürst suchte kürzlich in den
Zeitungen einen distinguirten, vermög-
enden jungen Mann, den er mit llebcr-
tragung des Ranges adoptircu könne. Die
erste einlaufende Offerte kam van A h l w a r d t.
Er bemerkte, daß er zwar nicht vermögend sei,
es aber in nächster Zeit zu werden hoffe, da
er gegen einen Wirth, der ihm ein Lokal ver-
weigerte, auf Schadenersatz geklagt habe.
Ein Schalk ist der Theaterdircktor Mr.
Locwenfeld in London. Er hatte ein Stück
gegeben, das von den Kritikern ziemlich cin-
müthig verurtheilt wurde, und lud nun das
Publikum öffentlich zum Besuch der Wieder-
holungen ein, damit es sich überzeuge, daß das
Stück gar nicht so schlecht sei. Das Publikum
kam und fand das Stück wirklich nicht übel.
Der Schlaukopf hatte nämlich inzwischen das
Drama nach den Nrtheilen der Rezensenten
abgeändert und dadurch war es natürlich —
bedeutend schlechter geworden.
Ein französischer Ingenieur hat „das näh-
ende Clavicr" erfunden, ein Instrument,
das in erschreckender Weise das Unangenehme
mit dem Nützlichen verbindet. Während die
Hände die schwierigsten Passagen spielen, ver-
mögen die Füße das Maschinenrüdchen zu treten.
— Wahrlich ich sage Euch, es wäre besser,
daß ein Mühlstein au seinen Hals gehängt und
er in die Tiefe des Meeres versenkt würde!
Ein Gutsbesitzer, der in einer von ihm
herausgegebenen Korrespondenz beweglich ge-
jammert hatte, daß die L a n d w i r t h s ch a f t
mit Untcrbilanz arbeite, kam in die
Lage, sein Gut für 1.160.000 Mark zu ver-
kaufen. Er erklärte dem Käilfer, daß sich das
Gut unter ihm mit 5— 6 °/o verzinst habe.
„Was?" rief der Käufer, „das macht 60 bis
70.000 Mark pro Jahr — und das nennen
Sie Unterbilanz?"
„Jahahaaa —rief der Verkäufer. „Sie
haben eben keine Ahnung, was ich brauche!"
Ein Millionär hat für die Aufführung
seines Trauerspiels in Berlin 20 000 fl. ge-
zahlt. Das ist unbillig. Wenn man dagegen
bedenkt, was für Stücke jetzt Tantismen ein-
bringen, dann muß man sagen: So schlechte
Stücke gibt's gar nicht.
Lin Lrsatz kür das Hentzi-Denkmal
(Entwurf des
national-ungarischen Künstlers Magyarember)
R20
England ist, wie die Bereinigten Staaten,
das Land der Menschlichkeit, der frommen
und sanften Sitte, wo es irgend angeht. Keinen
Tropfen Whisky trinkt die Lady, ohne einen
Blick zum Himmel auf zu thun. Besonders
lieb und mild ist man gegen die Thiere. Alten
oder verkrüppelten Hunden gibt man künstliche
Gebisse, hölzerne Beine, ja sogar Glasaugen.
Jetzt sucht man mit Begeisterung und Eifer
nach einem Verfahren zur schmerzlosen
Tödtung der Wanzen, von denen die
Quartiere der Armen in London wimmeln.
t>om deutschen Dichter
Ein großer deutscher Poet weilte einmal im
Auslände. Er hatte gerade ein größeres Werk
vollendet und ging nun in eine Redaktion mit
dem Ersuchen, eine Notiz über die Volletidung
seiner Arbeit zu bringen. Tie Redakteure, über-
zeugt, es mit einem Geisteskranken zu thun zu
haben, fragten, welche Veranlassung sie dazu
haben sollten. Der deutsche Dichter erwiderte:
„Unsere deutschen Blätter bringen alles von
ausländischen Autoren und alles über aus-
ländische Autoren, ob sie groß oder klein sind,
ob sie dichten oder sich schneuzen." Einer der
Redakteure, des Deutschen vollkommen mächtig,
sagte darauf sehr richtig: „Das ist Ihr Pech!"
Der deutsche Dichter drohte jetzt mit Schutz-
zöllen, die verhindern sollten, daß jeder aus-
ländische Schund auf den deutschen Markt
komme; er werde einen Bund gründen zum
Schutze des nationalen Flügelpferdes. Derselbe
Redakteur erwiderte kalt lächelnd: „Das leiden
die Agrarier nicht!" Sepp
Echo
„Kennst Du jetzt „Genoffenfreiheit", 0 Lütgenau?"
Echo: „genau!"
Politik im Rrug
Bauer: Dat mutt doch ’n DLwelskirlsin!
2. Bauer: Mer denn?
Bauer: De franzö'sche INinisder Ari-
fis! De Air! is all wedder utbroken!
Langer Vrautstand
Ungarn und Oesterreich
Sind nach drei Ehen
Mieder als liebendes
Brautpaar zu sehen.
Schließen die Ehe nur
Immer auf Jahre,
Daß ihre Liebe das
Feuer bewahre.
Inrmer von Neuem den
Vrautstand zu kosten,
Das läßt die alternde
Liebe nicht rosten.
Aber nun dauert der
Vrautstand schon lange.
Wird um den Honigmond
Ihnen nicht bange?
Nein, ihre Freude ist,
Vräutlich zu küssen
And noch das Eheglück
Ferne zu wissen.
Denn noch steht's übel niit
Ihrem Kontrakte,
Noch sind sie einig nicht
Aeber die Pakte.
Eh' nicht das Heiratsgut
Giltig verschrieben,
Können sie sich nur auf
Kündigung lieben.
Stephan.
Stefan: Langer Brautstand
Sepp: Vom deutschen Dichter
J. W.: Die Hunger-Enquête des Czaren
Monogrammist Frosch: Die parlamentarische Winterkampagne
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