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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI issue:
Nr. 50 (10. Dezember 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0426
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1898

JUGEND

München, 29. November

Edlärr Pole in Deutschland,

Die Schweizerreise

Der „Cesky Vychod“ (Tlr. 46 vom J9. No-
vember) meldet: In Prag ist es vom Präsidium
des Magistrats übel vermerkt worden, daß viele
Beamte aUzuhäüfig während der Amtsstunden ge-
wisse Tlebenräumlichkeiten benutzen und hiedurch
die Zeit vergeuden- Ls ist dem gegenüber verfügt
worden, daß fortan in einem besonderen Buche
genau in Lvidenz gehalten werden soll, wie oft
und wie lange jeder Beamte abseits gewesen- Diese
Ausweise werden am Monatsschlusse dem Präsi-
dium vorgelegt, und jedem Beamten wird man
die abseits zugebrachte Zeit vom Urlaube ob-
re ihnen.

Herr Jellinck spart seit drei Jahren,

Um einmal in die Schweiz zu fahren,
Denn wiederholt las er bereits,

Wie schön cs sei, im Sec zu plätschern,

Zu promeniren auf den Gletschern,
Aurzum: zu reisen in der Schweiz.

Er war beim Prager Magistrate
(Lasciat’ speranza, voi ch’entrate!)

Als Tintcnsclave «„gestellt.

Schicr wollt' ihm schon das Herz verbrennen
Die Sehnsucht, in die Schweiz zu rennen
Als frcigelass'ncr Springinsfeld.

Zum Chef ging er mit leisen Schritten,
Um einen Urlaub zu erbitten.

Der fragt zunächst: „Zu welchem Zweck?"
Und dann befiehlt er dem Eunuchen,

Im schwarzen Buch hcrvorzusuchcn
Sofort das Aonts Jellinck.

Als man das Buch hcreingetragen
Und jenes Ronto aufgcschlagcn,

Ussard's von dem strengen Lhcf studirt.
Und im Bureau herrscht lange Stille.

Die Uhr nur tickt. Es putzt die Brille
Der Lhcf und ruft dann indignirt:

„Ihr Urlaub ist bereits verflossen —

Er wurde ratenwcis genossen —

-Hier sch'n Sic selbst!" — Es stimmt fürwahr:
Erledigt war sie ratenweise
Die ahnungslose Schwcizerreise.
Im Buche stand es sonnenklar!

Er schreitet mit der Zeit fort

kjauptmann: Also, Sergeant Bemmle
— heute in der Instruktionsstunde den Leuten
einschärfen: Werkeln braver Türk ist, ist
auch kein braver Soldat!


in Russland

Lustige Nachrichten

Der Professor Röntgen soll an die Leip-
ziger Universität kommen. Nu nee — zu was
brauchen denn die Sachsen 'neu Röntgen?!
Ist denn in Sachsen noch irgendwas dunkel?
Es wird mchrschtendecls für die Fremden sein!

In dem Langmann'schen Stück „Die
vier Gewinner" bemerkt jemand, daß 15 Prozent
vom Lotteriegewinn abgingen. „Für wen denn?"
fragt jemand. „Für den Finanzministerl" ant-
wortet man ihm- Diese Antwort hat die Cen-
sur gestrichen. Jetzt zuckt der Schauspieler an
der betr- Stelle die Achseln, als wenn er sagen
wollte: „Das mögen die Götter wissen!" —
Das ist ungefährlich.

Es gibt jetzt eßbaren Alkohol: man ver-
fertigt nämlich Cakes, Pasteten und andere
Backwaaren, die eine beträchtliche Menge Al-
kohol enthalten, und bringt sie mit großem
Erfolg in den Handel. Der Menschenkenner
wird sich bereits gesagt haben, daß die Länder,
in denen diese Erfindung gemacht rcsp. zuerst
bewillkommnet wurde, die Länder der äußer-
lichen Temperen; sind, nämlich Amerika und
England.

Alfonso: „Der Knabe Don Carl fängt an, mir
fürchterlich zu werden!“

und Oesterreich-Ungarn-Böhmen-
Galizien

Bei der preußischen Landtagswahl suchte
ein hochadliger Herr dadurch Stimmen zu
fangen, daß er an die Eirelkeit der Wähler
appellirte. Er pflegte nämlich, wo er es irgend
anbringen konnte, zu sagen: „Ach, Sie sind
Herr A; ich hätte darauf wetten mögen, daß
Sie mein Bruder, der Major von 3E wären!"
Nachdem er schon bei einer Anzahl von Wählern
sein Sprüche! angebracht hatte, kam er damit
an einen schlichten und geraden Landmann.
Dieser hörte ihn ruhig an und sagte dann:
„Ja, das mag ja wohl sein, daß ich Ihrem
Herrn Bruder ähnlich sehe; ich bin aber nicht
so dumm, wie ich aussehe."

Die Zeitungen verzeichnen es als besonders
strenge Strafe, daß ein Kaufmann aus Barmen
für einen, im Eisenbahncoupö geraubten Kuß
ein halbes Jahr Gefängniß bekam. Der
Mann kann seinem Gott danken — gar Man-
cher hat ein derartiges Delikt, wie einen falsch
applizirten Kuß, schon mit lebenslänglicher
Verheirathung gebüßt.

Der Verlagsbnchhändler P. T h o m in Leip-
zig will eine „Deutsche Litteratur des XIX. Jahr-
hunderts" herausgeben. Für dieses „große
Opfer" erwartet Herr Thom, daß jeder, der
hineinwill, zwanzig Mark und ein Exemplar
seiner Hauptwerke berappt. Dafür darf man
dann auch sein Porträt und zur Erleichterung
einer gerechten Würdigung einige Kritiken ein-
senden, die einem besonders gefallen haben.
Das Werk wird ein unentbehrliches Adreßbuch
für alle pumpgenialen Kollegen werden, da es
ein vollständiges Verzeichniß aller im Ueber-
fluß lebenden verhinderten Dichter bieten wird.

dungaria

Dst gaukelt Formenreiz und Gliederpracht
Das Weib uns vor in buntem prachtgcwande.
Doch wird uns klar der Täuschung Niedertracht,
wenn man sie später steht im Nachtgewande.

Dungaria, Du hast inich einst entzückt —
Doch Tag sür Tag berichten die Journale:
Die Sicbenbürgcr Sachsen sind bedrückt —

Zn Pest gibt's Dentzi-Monument-Skandale...

dungaria, man liest noch mancherlei.

Ich hoffe, daß Dein Reiz nicht (stehe oben)
Dem Reiz der Frau'n und Tage ähnlich sei.
Die vor dem Abend Niemand sollte loben!

Bohemund.

84 S
Index
[nicht signierter Beitrag]: Lustige Nachrichten
[nicht signierter Beitrag]: Er schreitet mit der Zeit fort
Bohemund: Hungaria
Loki: Die Schweizerreise
Monogrammist Frosch: Edlärr Pole in Deutschland
Monogrammist Frosch: Alfons und Don Carl
 
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