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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI issue:
Nr. 51 (17. Dezember 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0446
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Nr. 51

JUGEND

m

1898

Ausweisungen

Michel: „Ich wtrd’ wohl noch meinen Rock ausklopfen dürfen!“

Lhun's Drohrede

„Zwar- — sagt er — „kann man gar nichts sagen,
„Uns zeigt, was hier zum Vorschein kam —

„Daß Preußen sich in diesen fragen
„Unstreitig ganz korrekt benahm.

„Man muß dies ehrlich konstatiren —

„Muß aber — lebhaft protestirenl-

I —

Zu diesen Worten applaudirten
Und „lockten froh- die Polen sehr.

Die Tschechen gleichfalls triumphirten.

Und fragst Du, was mein Urtheil war?

Mit diesen Zeilen hast Du's schon:

Mein Lied ist ein — Akrostichon.

I — Bshcmun».

&

Ein Verkannter

Graf Thun ist ungehalten.

Man wirst aus dem Nachbarhaus
Durch alle Thüren und Fenster
Die Czechen und Polen hinaus.

Graf Thun ist ungehalten.

And hat er nicht Recht, es zu fein?

Was drüben man hinauswirst,

Das wirft man ihm hereim

Graf Thun ist ungehalten,

Weit er ais deutscher Wann
So viele Czechen und Polen
Durchaus nicht brauchen kann.

Graf Thun ist ungehalten,

Weist nicht wohin und woher —

O blieben feine Reden
So ungehalten wie er! Atta Troll.

Immer Nationalökonom

A.: Die frühzeitige pensionirung so vieler
Vffiziere kostet dem Staat doch ein großes
Stück Geld.

8.: Schad't nichts I Du mußt immer be-
denken, daß der Nationalwohlstand dadurch
auf anderer Seite wieder gehoben wird!

A. : Wieso denn?

B. : Na, denk bloß mal an die Blaue
Louvert-Zndustriel

Lustige Nachrichten

Ernst v. Wildenbruch hat einem Inter-
viewer gegenüber erklärt, sein neues Drama
werde realistisch sein, wie alle seine Dramen.
Er bekenne sich überhaupt zu demselben Real-
ismus, zu dem sich auch alle großen Dichter,
z. B. Shakespeare, bekannt hätten. Natürlich
hat der gefeierte Dichter sich hier versprochen;
er wollte nicht Shakespeare, sondern Raupach
sagen. Im Uebrigen hat er ganz recht.

Der agrarische Graf Dohna schlägt vor, zur
Hebung der Leutenoth in der Laudwirthschaft
die Einwanderung und Niederlassung russisch-
polnischer Arbeiter in ausgiebigem Maße ;u
gestatten. Damit aber das Deutschthum nicht
zurückgedrängt werde, sollen die Eingemnnderteu
verpflichtet werden, deutsche Mädchen zu heiraten.

Das ist alles halber Kram. Wenn dem
Herrn Grafen und seinen Genossen wirklich das
Deutschthum am Herzen liegt, dann mögen sie
noch einen Schritt weitergehcn und den Leuten
auch die Sorge für den Nachwuchs ab-
nehmen, wie es in früheren, besseren Zeiten
geschah. Dies kleine Opfer darf man von dem
Patriotismus der Agrarier schon erwarten, wenn
die Regierung wie sonst ihre Forderungen be-
willigt.

Die schnöde That Luccheni'S hat auch
insofern Entsetzen verbreitet, als sie die ge-
fürchtetsten Rep orterfedern in Bewegung gesetzt
hat. Einer erklärte, „selbst durch das entstel-
lende Glas des Irrsinns gesehen," werde die
That ihm nicht klar; ein anderer berichtet vom
Eindruck der Todesnachricht auf den Prater:
„Still liefen die Ringelspiele ihre Bahn .. die
hölzernenPferdebäumten sich lautlos."

Die fleischernen Esel griffen gar zur Feder!

Von der Amnestie, die das französische Par-
lament beschloß, wurde Zola ausgeschlossen
Recht so. Die Drumonts und Döroulddes be-
wiesen wieder ihre aristokratische Gesinnung
Man nützt den Verrath; aber man verachte!
den Berräther. Man liebt die Wahrheit en
thusiastisch; aber wenn man's irgend kann
vergiftet man Den, der sie an's Licht bringt

Im Wiener Burgtheater wurde eine,
80jährigen Statistin unter Zuerkennung
ihrer vollen Pension gekündigt. Wien schäumt.
Die Nachfolgerin, ein lächerlich affenjunges
Ding von 39 Jahren, wurde bei ihrem ersten
Auftreten natürlich ausgezischt, da sie der Tra-
dition nicht entspricht und ihre Vorgängerin
selbstverständlich nicht zu ersetzen vermag. Da
die Gemaßregelte noch immer einen starken An-
hang unter den Männern aller Parteien hat,
steht eine Interpellation im Reichsrath und
der Sturz des Direktors Schlenther mit Sicher-
heit zu erwarten.

Der „Pelikan", das berühmte Spezialblatt
für Volksverdummung und Heuchelei, erklärt in
seiner Dezembernummer, daß er seinen Namen
künftig in „Emmanuel" umäudcrn werde.
Wir müssen gestehen, daß uns eine zoologische
Bezeichnung für die edle Monatsschrift als
passender erschienen ist.

Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. vom OSTINI; G. HIRTH’s Kunstverlag, verantwortlich für den Iuseratentheil: G. EICHMANN; sämmtlich in Müncher

Druck von KNORR äc HIRTH, Gec. in. beschr. Haftung in München.

ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
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Bohemund: Thun's Drohrede
Atta Troll: Ein Verkannter
[nicht signierter Beitrag]: Immer Nationalökonom
[nicht signierter Beitrag]: Lustige Nachrichten
Monogrammist Frosch: Ausweisungen
 
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