Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 3.1898, Band 2 (Nr. 27-52)

DOI Heft:
Nr. 52 (24. Dezember 1898)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3338#0449
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1898

JUGEND

Nr. 52

Wuwuwuwu..." Dann sind sic frech, dann ist
die ganze Bande wieder ungläubig.

Die Kleinen erinnern einen halt so oft an
die Groben.

Wozu sollte man ihnen auch durchaus den
Weihnachtsmann ausnvlhigen; es gibt ja so viel
andere schöne Götter!

Bis in'S heirathsfähige Alter erhält man
ihnen den Glauben an den Weihnachtsmann
doch nicht! Dann haben sie längst eine Menge
anderer Glauben gehabt. Und später, wenn sie
längst eingesehen haben, das; nur Liebe der Eltern
«s war, was ihnen einst die strahlenden Stun-
den der Weihnacht bescheerte, dann werden sie
finden, daß Liebe in dieser greuelvollen Welt
viel wunderbarer, seltsamer und heiliger ist, als
«in Weihnachtsmann. O, wohl vermag er zu
wachsen mit zunehmendem Alter, der Glaube
an die Wunderkräfte der Welt! Die Wunder,
welche der naive Sitnr schaut, sind ja nur Nürn-
berger Tand gegen die Wunder, welche die welt-
bewanderte Seele ahnt!

Wie gesagt, man entfesselt ein Weihnachts-
gesprnch unter den Kleinen. Das ist nicht schwer.
„Was wünschst Du Dir?" frag' ich die Kleinste.

„Ich wünsch' mir 'ne Puppe, die schlafen un
schreien un trinken kann — aber richtig trinken! —
un denn 'ne kleine Babyflasche mit'm klein nied-
lichen Lutscher auf, un 'ne ganz ganz kleine süße
Klingelbüchse. Ist das ungeschämt?"

„Nein, das ist nicht unverschämt. Was schenkst
Du mir denn?"

„Ja, was wünschst Du Dir?"

„Ja, wie viel Geld hast Du denn in Deinem
Spartopf?"

„Mama, wie viel Hab' ich?"

„Fünfundachtzig Pfennige."

„Füns'nachßig Fennige."

Hans Rossmann (München).

Die heiligen drei König’
mit ihrem jStern

„Na, dann wünsch' ich mir ein großes, schönes
Haus mit einem großen, schönen Garten."

„Mm. Und was noch mehr?"

„Und dann einen schönen Wagen mit zwei
wunderschönen Pferden davor!"

„O ja!! Un was noch?"

„Und ein großes Bauerngut mit lebendigen
Pferden und Kühen und Schweinen undFerkeln —
aber richtige Ferkel, mein' ich, nicht solche, wie
ihr seid!"

„Nein! Un was denn noch?"

„Ja — wenn Du mir dann noch einen Ori-
ginal-Böcklin schenken willst —"

„WaS?"

„Na laß nur, dazu reicht's doch nicht."

Dein Jungen brennt so ein Haupt- und
Herzenswunsch auf der Seele, das sieht man. In
seinen Augen glüht ein traumfernes Entzücken.

„Was möchtest Du denn haben?"

„Vater — sag' erst 'mal, ob das Buch von
Robinson theuer ist."

„Furchtbar theuer."

Sein Kopf sinkt auf die Brust.

„Aber es geht vielleicht — 'mal sehen."

Da entbrennen seine Augen.

„Väterlich will auch garnichts anderes haben,
wenn ich nur das Buch von Robinson kriege!"

Solch ein Verlangen stillen: das nenn' ich
eine Weihnachtsfreude!

Es ist merkwürdig, daß sie die finanzielle
Seite der Frage erwägen, obgleich sie doch an
den Knecht Ruprecht glauben. Aber man betet
ja auch vertrauensvoll zum heiligen Florian
und versichert sich dann gegen Feuerschaden.

Und merkwürdig ist es auch, daß sie sich gar
nichts „Praktisches" und „Nützliches" wünschen,
wie wollene Unterjacken u. dgl. Mein Nachbar,
ein gewisser Herr Schraffelhuber, hat einen Jun--

86y
Register
Hans Rossmann: Die heiligen drei Könige
 
Annotationen