1899
JUGEND
Nr. 7
„Jetzt aber gleich eine frische Mass!“
OMNIBUS GLORIA
Es ist gewiss eine tief beschäm ende
Thatsache, dass noch immer unzählige
Männer, welche sich um den Staat, um
die Wissenschaft, um die Kunst, um
ihre Hei mathsgemeinde u. s. w. mehr
oder weniger unvergängliche Ver-
dienste erworben haben, nicht durch
Standbilder verewigt sind, weil ent-
weder Niemand daran denkt, oder
weil die Ausführung der Idee an dem
Kostenpunkte scheiterte. Hier. einzu-
greifen und Wandel zu schaffen, und
selbst kleineren Vereinigungen, Dorfge-
meinden etc. die Aufstellung eines ge-
schmackvollen, würdigen Denkmals für
irgend eine beliebige Persönlichkeit zu
ermöglichen, ist die Aufgabe der soeben
in's Leben gerufenen Aktiengesellschaft:
* Omnibus Gloria *
Massenerzeugung wohlfeiler, einheitlicher, kopfloser, mit auf schraub-
baren Köpfen ergänzbarer Statuen zu Fuss und zu Pferd
Die Gesellschaft wird zunächst
zwei Typen von geschmackvollen, zur
Aufstellung auf öffentlichen Plätzen
geeigneten Statuen in römischer Tracht
hersteilen lassen: eine berittene und
eine unberittene.
Zu jeder bestellten Statue wird
ein Dutzend aufschraubbarer, für den
gegebenen Fall aus wohlfeilerem Mate-
rial hergestellter Köpfe des jeweilig
Gefeierten geliefert, zu deren porträt-
treuer Ausführung die Einsendung
einer Photographie und eines alten
Hutes des zu Verewigenden genügt. Der
Hut dient zur Feststellung der Kopf-
weite des Gefeierten. Sobald ein solcher
Porträtkopf durch die Unbilden der
Witterung unkenntlich geworden, kann
er mühelos ausgewechselt werden. Ist
das erste Dutzend verbraucht, so können
Köpfe derselben Sorte in beliebiger Zahl
zu billigen Preisen nachgeliefert werden,
wobei die einfache Angabe der Num-
mer genügt.
Für ungeschützt im Freien stehende
O. G.-Statuen in Gegenden mit starken
Niederschlägen empfiehlt sich die An-
schauung von
= Dauer-Köpfen -
aus soliderem Material, die beträchtlich längere Zeit dem Einflüsse der
Witterung za trotzen vermögen.
Bemerkt sei, dass speziell die un-
berittene O. G.-Statue
Mitbürgern jeden Berufs
gesetzt werden kann, da das für sie
gewählte Attribut (Buch unterm Arm)
nicht allein für Doktoren und Profes-
soren, sondern auch für Buchhändler,
Buchhalter, Buchdrucker, Buchbinder
etc. passend erscheint und da auch die
Angehörigen anderer Stände immerhin
mit einem Buche in Zusammenhang
gedacht werden können. Bei dem Forst-
manne z. B. kann das Buch als ein
forstwirtschaftliches Fach werk — bei
dem Kaufmann als Adressbuch etc.
keinerlei Befremden erregen.
Namentlich für Politiker, die er-
fahrungsgemäss der Mode unterliegen
und von der wandelbaren Volksgunst
abhängig sind, werden die O. G.-Statuen
hervorragend in Betracht kommen, da
jeder Statue statt des ursprünglich für
sie gewählten Porträtkopfes jederzeit
ein anderer inzwischen zu grösserer Po-
pularität gelangter Kopf aufgeschraubt
werden kann.
Es steht wohl ausser Zweifel, dass
dieses neue fortschrittliche Unterneh-
men in allen patriotischen, pietätvollen
und kunstsinnigen Kreisen wärmsten«
begrüsst werden wird.
Schön im Goldorangenschimmer,
Doch spuckt der Vesuv noch immer.
Was, sieht man die Wirthschast au,
Ihm kein Mensch verdenken kann-
Chor: Was, sieht man rc.
Mag.: Fern im Süd hier Spanien
Produzirt Kastanien.
Soll der Spanier ans ben Kohlen
Selbst sich diese Fruchte holen,
Scheußlich dann verbrennt er sich,
Und der Papst, der thnt cs nich.
Chor: Scheußlich dann rc.
Mag.: Dieses Land heißt Portugal,
(Manchem Ohr ein süßer Schall!)
Denn von dorther kommt der Portwein;
Manchem wird er zwar zum Mordwein.
Namentlich in Englands Lust
Er hervor Deliriuin ruftI
Chor: Namentlich rc.
Mag: Frankreich, auch Paris genannt,
Jnt'ressant, charmant, pikant!
Landestracht ist hier der Tricot;
Tugend zeigt die Wittwe Cliqnot;
Vieles endigt hier aus „ac":
Cognac, Schubjak, Cavaignac.
Chor: Vieles endigt rc.
Mag.: Gch'n wir nun nach Belgien,
Wo die Pfaffen schwelgten.
Ihre Wirthschast ist 'ne Schande.
Nebenan die Niederlande
Haben ein jungfräulich Haupt,
Was von Belgien Niemand glaubt.
Chor: Haben ein rc.
Mag.: Gleich von Holland linker Hand
Liegt der Angelsachsen Land.
Dieses Volk pflegt stets zu handeln
Und die Alpen zu verschandeln.
Fromm doch ist es mehrschtendeels,
Namentlich der Prinz von Wales.
'Chor: Fromm doch ist rc.
Mag.: Dänemark, eiu klein Gebiet,
Liefert dennoch Aquavit.
Rußland füllt’ ihm assistiren,
Deutschland einst 31t anncktircn;
Bis erfüllt der fromme Wunsch,
Stärkt es sich a>n Kaffeepunsch.
Chor: Bis erfüllt rc.
Mag.: Skandinavien, wie cs scheint,
Zeigt zwei Länder eng vereint.
Aber BjörnsoN wirkt als Wühler;
König Oskar nimmt es kühler.
Nansen war in Nacht und Eis,
Was nun wohl bald jeder weiß.
Chor: Nansen rc.
Mag.: Deutschland ist das beste Land,
Ob cs uns gleich sehr bekannt.
Centrnm hat die fettsten Kälber.
Obrigkeit macht alles selber.
Unterthan hat nichts zu ttmn,
Als nach Bürgerpflicht zu ruh'n.
Chor: Unterthan rc.
Schlußchor: O ivie herrlich ist doch die
Stunde der Geographie.
Wieder lehret sic uns immer:
„Anderswo ist 's noch viel schlimmer."
Ruse laut, wer das erkannt:
„Dreimal hoch das deutsche Land!"
15 ru 110
JUGEND
Nr. 7
„Jetzt aber gleich eine frische Mass!“
OMNIBUS GLORIA
Es ist gewiss eine tief beschäm ende
Thatsache, dass noch immer unzählige
Männer, welche sich um den Staat, um
die Wissenschaft, um die Kunst, um
ihre Hei mathsgemeinde u. s. w. mehr
oder weniger unvergängliche Ver-
dienste erworben haben, nicht durch
Standbilder verewigt sind, weil ent-
weder Niemand daran denkt, oder
weil die Ausführung der Idee an dem
Kostenpunkte scheiterte. Hier. einzu-
greifen und Wandel zu schaffen, und
selbst kleineren Vereinigungen, Dorfge-
meinden etc. die Aufstellung eines ge-
schmackvollen, würdigen Denkmals für
irgend eine beliebige Persönlichkeit zu
ermöglichen, ist die Aufgabe der soeben
in's Leben gerufenen Aktiengesellschaft:
* Omnibus Gloria *
Massenerzeugung wohlfeiler, einheitlicher, kopfloser, mit auf schraub-
baren Köpfen ergänzbarer Statuen zu Fuss und zu Pferd
Die Gesellschaft wird zunächst
zwei Typen von geschmackvollen, zur
Aufstellung auf öffentlichen Plätzen
geeigneten Statuen in römischer Tracht
hersteilen lassen: eine berittene und
eine unberittene.
Zu jeder bestellten Statue wird
ein Dutzend aufschraubbarer, für den
gegebenen Fall aus wohlfeilerem Mate-
rial hergestellter Köpfe des jeweilig
Gefeierten geliefert, zu deren porträt-
treuer Ausführung die Einsendung
einer Photographie und eines alten
Hutes des zu Verewigenden genügt. Der
Hut dient zur Feststellung der Kopf-
weite des Gefeierten. Sobald ein solcher
Porträtkopf durch die Unbilden der
Witterung unkenntlich geworden, kann
er mühelos ausgewechselt werden. Ist
das erste Dutzend verbraucht, so können
Köpfe derselben Sorte in beliebiger Zahl
zu billigen Preisen nachgeliefert werden,
wobei die einfache Angabe der Num-
mer genügt.
Für ungeschützt im Freien stehende
O. G.-Statuen in Gegenden mit starken
Niederschlägen empfiehlt sich die An-
schauung von
= Dauer-Köpfen -
aus soliderem Material, die beträchtlich längere Zeit dem Einflüsse der
Witterung za trotzen vermögen.
Bemerkt sei, dass speziell die un-
berittene O. G.-Statue
Mitbürgern jeden Berufs
gesetzt werden kann, da das für sie
gewählte Attribut (Buch unterm Arm)
nicht allein für Doktoren und Profes-
soren, sondern auch für Buchhändler,
Buchhalter, Buchdrucker, Buchbinder
etc. passend erscheint und da auch die
Angehörigen anderer Stände immerhin
mit einem Buche in Zusammenhang
gedacht werden können. Bei dem Forst-
manne z. B. kann das Buch als ein
forstwirtschaftliches Fach werk — bei
dem Kaufmann als Adressbuch etc.
keinerlei Befremden erregen.
Namentlich für Politiker, die er-
fahrungsgemäss der Mode unterliegen
und von der wandelbaren Volksgunst
abhängig sind, werden die O. G.-Statuen
hervorragend in Betracht kommen, da
jeder Statue statt des ursprünglich für
sie gewählten Porträtkopfes jederzeit
ein anderer inzwischen zu grösserer Po-
pularität gelangter Kopf aufgeschraubt
werden kann.
Es steht wohl ausser Zweifel, dass
dieses neue fortschrittliche Unterneh-
men in allen patriotischen, pietätvollen
und kunstsinnigen Kreisen wärmsten«
begrüsst werden wird.
Schön im Goldorangenschimmer,
Doch spuckt der Vesuv noch immer.
Was, sieht man die Wirthschast au,
Ihm kein Mensch verdenken kann-
Chor: Was, sieht man rc.
Mag.: Fern im Süd hier Spanien
Produzirt Kastanien.
Soll der Spanier ans ben Kohlen
Selbst sich diese Fruchte holen,
Scheußlich dann verbrennt er sich,
Und der Papst, der thnt cs nich.
Chor: Scheußlich dann rc.
Mag.: Dieses Land heißt Portugal,
(Manchem Ohr ein süßer Schall!)
Denn von dorther kommt der Portwein;
Manchem wird er zwar zum Mordwein.
Namentlich in Englands Lust
Er hervor Deliriuin ruftI
Chor: Namentlich rc.
Mag: Frankreich, auch Paris genannt,
Jnt'ressant, charmant, pikant!
Landestracht ist hier der Tricot;
Tugend zeigt die Wittwe Cliqnot;
Vieles endigt hier aus „ac":
Cognac, Schubjak, Cavaignac.
Chor: Vieles endigt rc.
Mag.: Gch'n wir nun nach Belgien,
Wo die Pfaffen schwelgten.
Ihre Wirthschast ist 'ne Schande.
Nebenan die Niederlande
Haben ein jungfräulich Haupt,
Was von Belgien Niemand glaubt.
Chor: Haben ein rc.
Mag.: Gleich von Holland linker Hand
Liegt der Angelsachsen Land.
Dieses Volk pflegt stets zu handeln
Und die Alpen zu verschandeln.
Fromm doch ist es mehrschtendeels,
Namentlich der Prinz von Wales.
'Chor: Fromm doch ist rc.
Mag.: Dänemark, eiu klein Gebiet,
Liefert dennoch Aquavit.
Rußland füllt’ ihm assistiren,
Deutschland einst 31t anncktircn;
Bis erfüllt der fromme Wunsch,
Stärkt es sich a>n Kaffeepunsch.
Chor: Bis erfüllt rc.
Mag.: Skandinavien, wie cs scheint,
Zeigt zwei Länder eng vereint.
Aber BjörnsoN wirkt als Wühler;
König Oskar nimmt es kühler.
Nansen war in Nacht und Eis,
Was nun wohl bald jeder weiß.
Chor: Nansen rc.
Mag.: Deutschland ist das beste Land,
Ob cs uns gleich sehr bekannt.
Centrnm hat die fettsten Kälber.
Obrigkeit macht alles selber.
Unterthan hat nichts zu ttmn,
Als nach Bürgerpflicht zu ruh'n.
Chor: Unterthan rc.
Schlußchor: O ivie herrlich ist doch die
Stunde der Geographie.
Wieder lehret sic uns immer:
„Anderswo ist 's noch viel schlimmer."
Ruse laut, wer das erkannt:
„Dreimal hoch das deutsche Land!"
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