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1899

Nr. 23

. JUGEND .

Hermann Bahr Mwcv Derer von Frege wird nicht blaß! Der Kufrugr in Laüadolid

gibt in der „Zeit" eine Schilderung
von Gabriele d'Annunzio, in der es
it. a. heißt:

„Die kurze Nase ist hart, um den har-
ten und grausamen Mund ist etwas
Maladives, etwas lasterhaft Trauri-
ges. wie es manchmal die Letzten alter
Geschlechter haben; man denkt an jene
blassen, fahlen, leeren Mienen kranker
Prinzen von Bei asguez, aber dabei
hat er in seinen hastig kommandiren-
den Geberden und in der Ungeduld
des rapiden Redens eine solche Ener-
gie und Kraft, daß mau eher au irgend
einen norddeutschen Offizier erinnert
wird, der Abenteuer gehabt hat. fort
muß und nun nach Afrika oder Japan
geht. In seiner Erscheinung ist das
Provokante junger Abenteurer und
Gröberer mit dem Müden und Un-
tröstlichen alter Familien, die zu lange
gelebt habe», seltsam und räthselhaft,
bezaubernd und doch fast erschreckend,
bethörend widerlich gemischt. Ein häß-
licher Mann, der doch fast den Reiz
einer schönen Frau hat."

Wenn Hermann Bahr in dieser
Weise fortschrcitet, dann werden wir
eines Tages folgende Schilderung
eines Besuches bei Eugen Rich-
ter von ihm lesen:

„Ein Knabe kommt mir entgegen,
dem man auf den ersten Blick den
Sechziger ansieht, hoch aufgeschossen,
dick, aber von einer Beweglichkeit in
den Nasenflügeln, daß der ganze Mann
an einen hageren Hierarchen von der
Art Leos Xlll. erinnert. Die Miene
hat etwas Schmachtend-Verträumtes
und doch auch wieder Eigcusinnig-
Aüchterues: die Haare scheinen grün
zu sein, sind aber in Wirklichkeit von
einem tiefschwarzen Roth, das dort,
wo sie ausgefallen sind, ein brünettes
Aschblond gewesen zu sein scheint. Die
weit übergreifende Hakennase ist knol-
lig; um den schmalen und liebevollen
Mund ist etwas Endlos-Verfchwiegc-
ues, etwas Moltkisch-Beredtsames, et-
was Müde-Bejahendes, wie es manch-
mal die Letzten alter montenegrinischer
Adelsgeschlechter haben; man denkt an
lene blassen, fahlen, leeren Mienen
kranker Prinzen von Velasqnez; aber
dabei hat er in der Ungeduld des
rapiden Redens eine solche Kraft
vnd Energie, daß man im Gegen-
teil an irgend einen norddeutschen
Dssizicr erinnert wird, der Aben-
keuer halber nach Afrika muß und
nun noch einmal zum Entzücken
aller Zuschauer seine ge-
schmeidige Gestalt durch den
Tanzsaal wirbelt. In sei-
ner Erscheinung ist das
Provokante junger Poli-
kiker mit dem Müden und
lintröstlichen alter Parln-
Mentarier, die zu lange ge-
redet haben, beruhigend-er-
schreckend, angenehm-pein-
lich, psuimäßig-schön ge-
mischt. Ein schöner Mann,
der doch alle Reize einer
läßlichen alten Frau hat:
das ist Eleonora Düse —
vardon: das ist Eugen
Richter, wollte ich sagen."

Top

Vizepräsident v. Fr ege sandte auch dem Lentrumsblatt „Westfälischer
Merkur" eine Berichtigung, in der er gegen die schreckliche Unterstellung,
er sei blaß geworden, mit der ritterlichen, klassischen Versicherung Lin
spruch erhebt: „Liner Derer v. Frege wird nicht blaß!"

Broschüren flogen von; Balkon, wie Bomben im Gefechte:

„Für Menschen !" klang's in gellem Ton „und nicht für Dchsenrechte!"
Da gab cs manchen Volkstribun, den jäh' Entsetzen faßte.

Als schlug' sein letztes Stündlein nun, er bebte und erblaßte.

Nur lierr von Fregc ward nicht bleich wie der Lollegen Gruppe,

Dem neugebacknen Edelsten ist solch ein Vorfall schnuppe —
lind dennoch hat ein frech Subjekt vom Journalistenorden
Die frevle Ente ausgeheckt, daß Frege blaß geworden.

So kam's, daß ihm von blauem Blut die Zornesadern schwollen,

Er hätt' die Ionrnalistenbrut en bloc zertreten wollen.

Dann schrie er wild: „Nu aber raus mit den; Gezücht zum Tempel!
Mir schließen sie vom Reichstag aus zu warnendem Lxempel!"

Jedoch auch dieser Racheplan kam niemals zur Erscheinung —

Graf Ballestrem war Schuld daran, denn er war andrer Meinung.

So blieb die Publicistik nur dem Arzte seiner Ehre,

Und dem „westfälischen Merkur" schrieb dieser: „Ich erkläre,

Daß Einer, der „von Frege" heißt, nie Schrecken wird verspüren,

Und wenn man auch mit Andern; schmeißt, als Menschenrechtsbroschüren!"
Ein löerr von Fregc lächelt blos bei allen Attentaten,

Und flögen Bomben riesengroß und mächtige Granaten,

Gefüllt mit Nitroglycerin und Nägeln, Äugeln, Messern,

Und exxlodirte auch Benzin in Bektoliterfässern,

Und Leuchtgas und Aartoffelsprit und Vitriol und Steinöl,

Und flüff'ge Luft und Melinit, Acetylen und Leinöl.

Und Blättchenpulver ohne Rauch — ein Frege wird nicht blasser,

Und spritzten sie dazwischen auch nach ihm mit Scheidewasser;

Lin löerr von Fregc lächelt Hohn und bleibt mit würde sitzen,

Und schössen sie dann vom Balkon auch mit Maximgeschützen,

Pistolen, Magazingewehr, Kanonen, scharfgezogen,

lllit Bumerang und Negerspeer, Torpedos, Pfeil und Bogen!

Lin Fregc, der fitzt still im Saal und hört die Kugeln pfeifen,

Lin Frege kratzt sich nicht einmal, wenn ihn Gcfchoße streifen!

Und wenn es wirklich einem wicht gelänge, ihn zu tödten —

Auch dann erblaßt' ein Frege nicht — mit freudigem Lrröthen
verließe er den Erdenkloß, als ging's zum Sekt bei Dresiel,

Und nähme Platz in Gottes Schloß auf einem Ehrensessel!

Flugs käm' auch Ritter Bayard schon in; Eisenkleid gegangen,

Und hätte Sachsens kühnsten Sohn gar freudiglich umfangen

Und hätt'gesagt: „wie bin ich froh, daß Ihr kommt, perr von Frege!

Bis jetzt gefiel mir's nur so so in; himmlischen Gehege —

Ls fehlte mir an Kumpanei von echtem kjeldenadel,

Doch jetzo sind wir unser Zwei, die ohne Furcht und Tadel!

Und Ihr, Ihr lieben Lnglein da. schreit mit jetzt beim ll-oaste:

Lin dreifach donnerndes purrah dem perrn, der nie erblaßte!" cfc

gfrxvt Drirhrrr fccsx lOoHferttrtss
Latten Fritze zu Hascnheide-Ede (öer gerade aus dem
Gefängniß entlasten wurde): „Nanu, Lde, biste ooch unter de Marin er s jegangen?"

Die Tochter des Präfekten
Schließt einen unbefleckten
Geheimen Herzcnsbund
Mit einem Herrn Studenten,

Er trägt sic auf den Händen
Und küßt sie auf den lNund.

Da schlug für einen strammen
Räderten einst in Flammen
Der holden Jungfrau Herz:

Der rniles gloriosus
Verdrängt den Studiosus
(wie oft schon anderwärts).

Nun stellt sich auf die Lauer
wohl hinter einer Mauer
Der Herr Student einmal.

Sein Haß war ungezügelt,

Und gründlich ward geprügelt
Der glückliche Rival.

Empor schlägt ungeheuer
Sofort ein wildes Feuer.

Es kämpfen — Bürger flieht! —
Räderten und Studenten
Ringsum an allen Enden
Der Stadt Valladolid.

Sic kämpften äußerst muthig —
Die Sache ward höchst blutig,
Die Stadt war hart bedrängt.
Die Obrigkeit erkannte,

Daß hier ein Aufruhr brannte:
Das Standrccht ward verhängt.

Nach diesem Intermezzo
Versöhnen sich anjeyo,

Des langen Haders müd,

Mit traut vcrschlungnen Händen
Räderten und Studenten
Der Stadt Valladolid.

Man kann das nur begrüßen,
Denn wahrlich, zu dem süßen
Geheimen Minnespiel
Fehlt'» nirgendwo an netten
Jungfrauen für Räderten —
Und auch für das Zivil.

Will«

£

Die kleinen silbernen 20 P f.-
Stücke sollen jetzt eingezogen
werden. Ahlwardt hat der
Regierung seine Bereitwillig-
willigkeit erklärt, dieses Ge-
schäft zu übernehmen; v. d.
Gröben-Arenstein sollmit
der Einziehung der goldenen
Fünfmarkstücke betraut wer-
den.

£

A. E. I. O. U.

Die neuesten Forsch-
ungen haben ergeben, daß
den österreichischen Schild-
spruch-Luchstaben A. E. I.
O. TJ. eigentlich folgende
Bedeutung zukommt:
Austria etit in „Ost-
asien“ ultima. (Deutsch:
wenn's lauge dauert, be-
kommt auch noch Gester-
reich ein Stückchen Ehina.)

?75
Register
[nicht signierter Beitrag]: A. E. I. O. U.
[nicht signierter Beitrag]: Die kleinen silbernen 20-Pf.-Stücke
Dick: Einer Derer von Frege wird nicht blaß!
Willo: Der Aufruhr in Valadolid
Top: Herrmann Bahr
Max Feldbauer: Im Zeichen des Vollbarts
 
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